"Planungssicherheit ist mir fremd"

Von Kim Kindermann |
Daniela Seel hat jungen, unerhörten Lyrikern und Schriftstellern und ihren verstörend beglückenden Gedanken eine eigene Plattform geschaffen. Kookbooks heißt der Verlag, den die 35-Jährige vor sechs Jahren gegründet hat - eine Art Geheimtipp für exklusive Lese-Erlebnisse.
Seel: "Ich möchte mich eigentlich gar nicht beschreiben: Das sind so Einordnungen und Kategorisierungen, damit tue ich mich schwer."

Einordnungen, Kategorien, Schubladendenken - nichts mag die dunkelhaarige und zierliche Frau mit den ausdrucksstarken braunen Augen weniger. Weder im Aussehen noch im Arbeiten und schon gar nicht in Büchern. Schließlich hängt diesen Worten etwas von Langeweile an. Sie klingen nach Establishment. Und von nichts ist Daniela Seel, die eine dicke Strickjacke zu Rock über Hose trägt und ihre Besucher in einem Raum empfängt, der eine wilde Mischung aus Arbeits-, Wohn- und Schlafzimmer ist, weiter entfernt. Glücklicherweise. Denn sonst wäre sie kaum das Wagnis eingegangen, einen eigenen Verlag zu gründen. Noch dazu einen, der sich in erster Linie dem als unrentabel verschrienen Genre der Lyrik verschrieben hat.

Seel:"Das kam aus der Begebenheit, dass ich den größten Teil der Autoren, die heute bei kookbooks veröffentlichen, schon lange vorher kannte und in ihrer Entwicklung gesehen habe. Und auch gesehen habe, dass es keinen Ort gibt/gab in der Verlagslandschaft, wo sich das hätte zeigen können."

Mit großem Mut nutzt die damals 29-jährige Daniela Seel die Gunst der Stunde sowie das Erbe des Vaters und gründet kookbooks.

Seel:"Für mich war es wichtig, als ich den Verlag gründete, das nicht zu groß zu überblicken, weil das erschlagen würde, und zu sagen: ich gehe Schritt für Schritt. Also, irgendwelche Businesspläne aufzustellen für die nächsten 30 Jahre oder solche vermeintliche Planungssicherheit ist mir völlig fremd."

Planungssicherheit - wieder so ein Unwort für Daniela Seel. Und das, obwohl sie aus einer Steuerberater-Dynastie stammt. Daniela Seel beginnt nach dem Abitur Literatur zu studieren, lebt in Bayreuth, Göttingen und Berlin, um dann in ihre Heimatstadt Idstein zurückzukehren. Hier macht sie nach dem frühen Tod ihres Vaters - aus finanzieller Notwendigkeit heraus - eine Ausbildung zur Verlagskauffrau. Und pflegt weiterhin ihre große Leidenschaft: die Literatur. Kriminalromane, die ihr Vater leidenschaftlich gerne las, interessieren sie dabei überhaupt nicht. Wühlmausartig gräbt sie sich durch, bis sie schließlich auf die Literatur stößt, die sie heute selbst verlegt.

Kookbooks. Der Name des im hessischen Idstein ansässigen Verlages ist dabei fast so etwas wie eine späte Replik auf diese Suche. Kook stammt aus dem Englischen und bedeutet Spinner. Kook ist allerdings auch das Pseudonym eines losen Künstlernetzwerkes, dem viele der kookbooks-Autoren angehören. Daher auch das "wir", das Daniela Seel immer wieder über die Lippen kommt.

Seel:"Natürlich in erster Linie der Graphiker Andreas Töpfer und dann die Autoren. Mit den meisten besteht Freundschaft, wir tauschen uns aus, und das führt dann auch dazu, dass es doch, ja Familie wäre übertrieben, aber es gibt schon einen größeren Zusammenhalt als das in vielen anderen Verlagen der Fall ist."

Kein Wunder also, dass kookbooks die Plattform für neue, unerhörte Lyriker und Schriftsteller und ihre außergewöhnlichen Texte geworden ist. Texte, die sich, wie die Verlegerin, jeder Kategorisierung und Einordnung entziehen und mit Sprache zuweilen kunstvoll und abseitig spielen.

Seel:"Das können Ideen, Denkweisen, unerhörte Gedanken, Herangehensweisen oder Deutungen sein. Das können aber auch auf sprachlicher Ebene Fügungen sein, wie mit Worten gearbeitet wird, wie zwei Worte zusammenfallen, wie Sätze gebildet werden. Es ist ja gerade auf der Ebene des Materials gar nicht klar, was ein Satz sein soll. Und welche Bezüge gibt das – das ist für mich immer wieder wahnsinnig interessant."