„Planet Wein“

Rezensiert von Kim Kindermann |
Der Autor Stuart Pigott gilt in Fachkreisen als schräger, aber äußerst fundierter Weinkenner. Sein Humor ist mindestens ebenso bekannt wie sein Wissen über den Wein. Seit Jahren schreibt Pigott für einschlägige Fachblätter und veröffentlich regelmäßig Bücher: Jetzt ist ein Neues erschienen: „Planet Wein. Traube um Traube.“
Enfant terrible, schräger Vogel, ein Don Quijote im Kampf gegen alle Windmaschinen des weltumspannenden Weinsnobismus: egal wie man Stuart Pigott bezeichnet, er wird seinem Ruf als exzentrischer Rebell gerecht. Durch dicke, künstliche Nebelschwaden kämpfend, betritt der unkonventionelle Weinkritiker, als Gespenst verkleidet, seine Lesebühne und hält zunächst ein Plädoyer für den eigenen Geschmack eines jeden Weintrinkers.

" Das Problem beim Wein ist, dass viele Leute Angst haben, dass sie meinen, ich muss zuhören, was mein Mann, mein Tischnachbar oder Chef, was immer er oder sie sagt. Das ist absoluter Quatsch! Wenn der Wein Freude bereitet, bereitet er Freude und das ist der Sinn des Weins. Also, wenn ich das erzähle, dann gucken mich die Leute immer mit solchen Augen an, als ob es die Offenbarung sei, aber es ist doch fürchterlich simpel, nee. "

Simpel oder nicht. Stuart Pigott selbst folgt seiner Philosophie immer. Einem heiligen Gral ähnlich. Auch in seinem neusten Buch: Planet Wein. Ein wunderschöner, farbgewaltiger Fotoband mit knallfrechen Texten, der einlädt zum Blättern, der mitreißt und schnell süchtig macht. Nach Weiterlesen: Auf 155 Seiten entführt der Autor in die verschiedenen Kulturlandschaften einer jeden Rebsorte; erzählt, warum sie je nach Standort unterschiedlich schmeckt. Dabei zeigt Pigott: Globalisierung schadet nicht! Vielmehr sieht er das Gegenteil von Einheitspanscherei durch die Gründung kleiner, feiner Weinbetriebe fernab jeglicher Industrialisierung. Betriebe, die köstlichste Tropfen produzieren:
„Der Kolbenhof Gewürztaminer (...) ist ein Sommernachtstraum aus Rosenduft, Alpenfrische und Mittelmeerwärme umarmen sich hier hemmungslos. "
Ein anderes Mal erschmeckt der Weinguru in seinem Glas nasse Erde, Schokolade und Seide. Er stößt auf Dressurpferde, Bestien und Vampire. In einem Cabernet Sauvignon fühlt er mehr Funk als in der Bassstimme von Bootsy Collins. Chardonnay erinnert ihn an die Vielseitigkeit von Madonna. Und ein Grenache hat den Beat und Schwung der frühen Hits von The Who. Kurz: Wein ist Musik, ist Kult. Sinnlich, abwechslungsreich und verführerisch vom Autor beschrieben. Heraus kommen so Sätze, die Lust auf mehr machen. Und dass, obwohl sie eigentlich nur Beiwerk sein sollen, wie Stuart Pigott selber sagt: Ganz im Mittelpunkt sollen die prächtigen 140 Farbfotos stehen.

„Die Bilder erzählen ihre eigene Geschichte. Der Text rennt hinterher. In dem normalen Bildband braucht man den Text, um zu wissen, was los ist, bei mir die Schlagzeile plus die Bilder sagen einem schon das wesentliche. "

Roter schäumender Saft rinnt durch die Ritzen einer alten Korbpresse. Vorbei an großen Schrauben nimmt er seinen Weg. Langsam so scheint es. Dicke, satte Tropfen bilden sich. Bleiben hängen, sammeln sich bevor sie abfallen. Ein sinnliches Foto, das Wildheit verheißt und Sexappeal hat und das sinnbildlich für Shiraz steht. Eine Rebesorte über die Pigott schreibt:

„Das ist Rotwein, der flüssigen Sex auf Planet Wein am nächsten kommt. "

Die Rechnung geht auf: Bild und Wort passen zueinander; sind eins. Vermitteln tatsächlich, wie ein Wein schmecken könnte. Das macht Spaß. Gleichzeitig zeigen die Fotos aber auch, was einen guten Wein ausmacht: nämlich Arbeit, Aufopferung und Optimismus. Denn der Autor stellt auch die Wein-Macher vor: Ehemalige Gabelstaplerfahrer, Buchhalter oder Radiologen, die sich ins Abenteuer Wein gestürzt haben und auf ehemals weiße Flecken Erde heute köstliche Tropfen erwinzern. Ein deutliches Plädoyer für die kleinen Betriebe kommt dabei heraus: für die ungewöhnlichen und mutigen Winzer. Abenteuer pur weht so von den Seiten des Buches ins Wohnzimmer herein. Lockt in die Welt hinaus oder in die nächste Weinhandlung hinein. Zum Kosten. Kurz: Planet Wein ist ein Muss für alle, die Wein lieben oder lieben lernen wollen.