Plakatkünstler

Von Eva Hepper · 02.03.2006
Berlin-Treptow gehörte bislang nicht zum Pflaster der Szene. Während in Mitte, in Prenzlauer Berg oder in Friedrichshain die Kunst immer neue Blüten trieb und weiter treibt, schienen in dem alten Berliner Arbeiterbezirk die Uhren stillzustehen. Das wird nun anders: Die holländische Plakatkünstler-Gruppe LOESJE hat ihr internationales Büro von Arnheim nach Treptow verlegt.
"Also zum Park Kreuzberg, Richtung Görlitzer meinetwegen und dann nach Kreuzberg, Richtung Mariannenplatz, da kann man viel kleben... Und da lang ist Neuköln, so Richtung Rathaus Neuköln, da kann man auch supergut..."

Je länger du auf die Zukunft wartest, desto kürzer wird sie.

"Gehen wir da lang? Ist das besser, wenn man erstmal da klebt? Ja." (Ächzen, Papiergeraschel, Kleisterpinsel-Geräusche)
"Da kann man am besten gleich zwei machen." (Kleisterpinsel-Geräusche, Papiergeraschel)

Du wirst geboren und begraben - willst du auch noch gelebt werden?

"Mein erstes Plakat! Toll! Ich bin dabei würde ich sagen. Macht Spaß. Wollen wir noch ein paar mehr machen, oder nicht?"

Andrea hat Feuer gefangen. Gemeinsam mit Goran aus Serbien-Montenegro und Mirto aus Griechenland ist sie dieses Wochenende in Berlin zum Plakatekleben unterwegs. Als Freundin von LOESJE. Hinter diesem holländischen Mädchennamen verbirgt sich eine große Gruppe von Menschen. Eine internationale Bewegung von vor allem jungen Leuten, die sich Gedanken machen und zu Wort melden. Mit Plakaten, DIN A2, geklebt im öffentlichen Raum.

Glaube an dich, aber hüte dich davor, zur Religion zu werden.

Gegründet wurde LOESJE 1983 in Arnheim - von einer Handvoll Leute aus der Hausbesetzerszene. Der üblichen Null-Bock-Haltung, der Nabelschau und vor allem dem Negativimage wollte man etwas entgegensetzen. Mit fröhlichen, witzigen und skurrilen Sprüchen sollte die Welt eine andere werden. Die Idee zündete. LOESJE wurde schnell bekannt und immer größer. Heute zählt sie über 2000 Mitglieder in über 30 Ländern.

"Vor allem in den letzten Jahren hat sich LOESJE sehr schnell entwickelt in Ländern wie Estland, Lettland, Litauen, auch Polen. Das kommt durch den internationalen Austausch von LOESJE. Die Menschen dort sind in gewisser Weise hungrig danach, sich kreativ zu betätigen. Sie sehnen sich nach kreativen Ideen."

Der 21-jährige Goran ist seit 2002 bei LOESJE aktiv. Zurzeit verbringt er sein freiwilliges Jahr in Berlin, finanziert von der EU. Im internationalen Büro von LOESJE, das im Sommer 2005 von Arnheim in die deutsche Hauptstadt gezogen ist. Seitdem finden dort an jedem zweiten Wochenende Workshops statt. Zum gemeinsamen Sprücheklopfen. Kommentiert wird:

"Alles, absolut alles. Das ist auch Teil unseres Selbstverständnisses, das wir
über alles Sprüche machen und auch vor keinem Thema zurückschrecken,
weil es zu politisch oder zu unpolitisch ist. Wenn wir eine politische Seite
haben, dann liegt sie da, dass wir eben genau die auch nicht politischen
Themen in den öffentlichen Raum tragen und sie halt öffentlich machen."

So Max aus Bremen, der beim Berliner Workshop neue Slogans kreiieren hilft. Gemeinsam mit neun weiteren Mitgliedern von LOESJE ringt er um die besten Sprüche. Denn funktionieren tut LOESJE nur als Gruppe, für Einzelkämpfer ist kein Platz.

"Das ist einer meiner Lieblingssprüche, den finde ich richtig gut,... Ideen sind nicht auswaschbar... Und warum? Was, warum? Was fragst Du mich, warum... Finde ich selbst sehr, ja, wie heißt das, cheesy?... Soft...Schmalzig?... Ich find's auch ein bisschen eso... Esoterisch...Ja." (mehrere Stimmen)

Während Mirto, Andrea, Max und Franz sich innerhalb der Gruppe zu einigen versuchen, herrscht außerhalb der eigenen Reihen bisweilen Ratlosigkeit. Nicht jeder Passant versteht LOESJES subtile Art der Einmischung.

"Der Haken dabei ist, ich hab keenen Plan, was die treiben. Ist ist ein bisschen abstrakt die janze Geschichte."

"Ist sofort aufgefallen. Ich find’s total klasse. Endlich mal ein bisschen Kunst mehr."

Meinungsunterschiede sind gewollt. LOESJE muss nicht verstanden werden, LOESJE will zum Denken anregen. Vielfalt ist wichtig, verschiedene Standpunkte gelten zu lassen. Und wenn es richtig gut läuft, Menschen zusammenzubringen, wie Mirto aus Griechenland erläutert:

"Ich habe im November hier an einem Projekt teilgenommen, da haben sich Leute getroffen aus acht europäischen Ländern. Da haben zum Beispiel Leute aus Serbien und Kroatien zusammengesessen und sie haben gesagt, das ist das allererste Mal, dass ich mit einem Kroaten rede. Oder das ist das erste Mal, dass ich mit einem Serben rede, und das fand ich total bewegend und so was unterstütze ich. Das fand ich wirklich gut!"