Pläne für Kampfdrohnen in der Kritik

Absolute Geheimhaltung

US-Militär testet die Kampfdrohne X47B.
Werden bald deutschen Kampfdrohnen in Israel stationiert? Das Foto zeigt Drohnen amerikanischen Typs. © picture alliance / dpa / US Air Force / AFFTC AERIAL PHOTOG
Andrej Hunko im Gespräch mit Dieter Kassel · 23.08.2016
Das Bundesverteidigungsministerium plant die Anschaffung von Hebron-Kampfdrohnen. Die neuen Drohnen sollen in Israel stationiert werden und auch mit israelischen Raketen bestückt werden. Linken-Politiker Andrej Hunko kritisiert das Verfahren als undurchsichtig und moralisch-völkerrechtlich schwierig.
Das Bundesverteidigungsministerium plant die Anschaffung von Hebron-Kampfdrohnen für die Bundeswehr. Unbewaffnete Drohnen des gleichen Herstellers betreibt dei Bundeswehr bereits. Die neuen Drohnen sollen in Israel stationiert werden und auch mit israelischen Raketen bestückt werden - es wird aber geheimgehalten, welche Waffen an Bord kommen.
Andrej Hunko, Bundestagsabgeordneter der Linken und europapolitischer Sprecher seiner Fraktion, kritisiert die Pläne des Bundesverteidigungsministeriums. Das Vergabeverfahren an eine israelische Firma, die die Drohne gemeinsam mit Airbus produzieren soll, sei undurchsichtig, ebenso wenig gebe es Informationen darüber, mit welcher Art von Waffen die Drohnen bestückt werden sollten, sagte Hunko im Deutschlandradio Kultur.

Unklares Verfahren

Alles Nachhaken der Linken hätten bislang zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt.
"Dann haben wir auch nachgefragt, werden das auch weiter tun, und erhalten eine Antwort der Bundesregierung, dass darüber, über die konkrete Bewaffnungsfähigkeit, also welche Waffen verwendet werden sollen, absolute Geheimhaltung ausnahmslos mit der israelischen Regierung vereinbart sei."
Als problematisch stuft Hunko auch das Vergabeverfahren ein: Eine US-amerikanische Herstellerfirma für Drohnen fühlt sich übergangen und kritisiert das Verfahren, für das es anscheinend keine offizielle Ausschreibung gegeben hat. Deshalb wolle die Firma General Atomics vor der Vergabekammer des Bundes klagen, sagte Hunko.

Die US-Firma ist billiger

"Es heißt allgemein, das amerikanische System sei auch billiger, und von daher müsste es eigentlich den Vorzug kriegen. Was jetzt die Hintergründe dafür sind, dass die Bundesregierung sich für das israelische System entscheiden will, ist mir nicht bekannt. Sie sagen, es sind gesamtplanerische Überlegungen, was immer das sein mag, aber was der Hintergrund ist, ist unklar."
Der Linken-Politiker kritisierte zudem, dass das Drohnenprojekt an den Bürgern vorbei, ohne die im Koalitionsvertrag von 2013 festgeschriebene gesellschaftliche Diskussion geplant worden sei. Eine Diskussion über die moralischen und völkerrechtlichen Implikationen von Drohnen-Einsätzen sei jedoch wichtig. "Man macht das jetzt in Israel und hofft vielleicht dadurch, dass es nicht so ein Gegenstand gesellschaftlicher Debatte in Deutschland wird, wie es werden müsste", sagte Hunko.

Das Interview im Wortlaut:

Dieter Kassel: Die Bundeswehr verfügt bereits über mehrere Drohnen des Typs Hebron, es handelt sich allerdings bisher nur um unbewaffnete Aufklärungsflugkörper. Jetzt sollen aber beim gleichen israelischen Hersteller Drohnen des Typs Hebron TP angeschafft werden, und die sind bewaffnungsfähig, wie es im Fachjargon heißt, und jetzt wird es kompliziert denn mit welchen Waffen diese neuen Drohnen ausgerüstet werden sollen, das ist geheim.
Klar ist bisher nur, dass es sich um ein Gemeinschaftsprojekt einer israelischen Firma mit dem Airbus-Konzern handelt und dass die Drohnen, auch wenn sie dann irgendwann der Bundeswehr gehören, in Israel stationiert werden und von dort aus zu eventuellen Einsatzgebieten fliegen. Mit Nachfragen hat die Partei Die Linke im Bundestag versucht, noch nähere Einzelheiten zu erfahren und sie versucht es auch weiter. Andrej Hunko ist Bundestagsabgeordneter der Linken und europapolitischer Sprecher seiner Fraktion. Schönen guten Morgen, Herr Hunko!
Andrej Hunko: Ja, schönen guten Morgen!
Kassel: Ist denn dieses Geschäft mit den neuen Drohnen eigentlich schon unter Dach und Fach oder noch nicht?
Hunko: Nein, das konkrete Angebot soll im Herbst kommen, und dann soll es in die parlamentarische Beratung gehen und etwa Anfang nächsten Jahres, Januar, Februar soll es dann unterzeichnet werden. Das ist so die Zeitplanung, und die Drohnen sollen dann in zwei Jahren auch bewaffnungsfähig zur Verfügung stehen.
Kassel: Aber was heißt denn bewaffnungsfähig zur Verfügung stehen? Werden die dann Waffen haben oder nicht?
Hunko: Bewaffnungsfähig heißt, dass die Drohnen Waffen tragen können, also entsprechende Vorrichtungen da sind, und das sind dann, was man so als Kampfdrohnen bezeichnet, also Drohnen wie man sie auch kennt vom US-Drohnenkrieg, die dann in ein Gebiet fliegen können und dort schießen können. Dass die Vorrichtungen dafür eben geschaffen sind, das heißt bewaffnungsfähig.
Kassel: Aber was für Waffen es sein werden oder könnten, weiß man nicht oder wissen Sie zumindest nicht.
Hunko: Genau. Dann haben wir auch nachgefragt, werden das auch weiter tun, und erhalten eine Antwort der Bundesregierung, dass darüber, über die konkrete Bewaffnungsfähigkeit, also welche Waffen verwendet werden sollen, absolute Geheimhaltung ausnahmslos mit der israelischen Regierung vereinbart sei. Also aktuell wissen wir dazu nichts.

US-Firma stellt ähnliche Drohnen her

Kassel: Nun gibt es auch noch ein amerikanisches Unternehmen, das ähnliche Drohnen herstellt. Das fühlt sich jetzt übergangen und lässt diese Entscheidung sogar vor der Vergabekammer des Bundes prüfen. Das, was jetzt angeschafft werden soll, ist ja ein Gemeinschaftsprodukt dieser israelischen Firma und von Airbus, aber ist das eigentlich für Sie normal, dass man da quasi gar keine richtige Ausschreibung macht und nicht guckt? Einige Experten behaupten ja, das amerikanische System sei sogar besser.
Hunko: Ja, es heißt allgemein, das amerikanische System sei auch billiger, und von daher müsste es eigentlich den Vorzug kriegen. Was jetzt die Hintergründe dafür sind, dass die Bundesregierung sich für das israelische System entscheiden will, ist mir nicht bekannt. Sie sagen, es sind gesamtplanerische Überlegungen, was immer das sein mag, aber was der Hintergrund ist, ist unklar. Wie gesagt, General Atomics – das ist der US-Hersteller, der die Predator produziert –, der klagt jetzt vor der Vergabekammer.
Kassel: Ist denn wenigstens klar – immerhin ist es klar, dass es so sein soll, aber das Warum ist ja die Frage –, ist denn klar, warum diese Drohnen, wenn sie denn angeschafft werden, bewaffnet oder nicht, warum die in Israel verbleiben sollen, auch wenn sie der Bundeswehr gehören?
Hunko: Also ich vermute hier, dass es auch mit Problemen im europäischen Luftverkehrssystem zusammenhängt. Das war ja auch für die Eurodrohnen, die hier geplant waren, ein großes Problem, und vermutlich will man die Drohnen näher an den zukünftigen Einsatzorten der Bundeswehr haben. Man vermutet, dass das in Israel dann näher ist und dass es unkomplizierter ist, die Drohnen dann zu den Einsatzorten zu fliegen. Ich gehe mal davon aus, dass das der Hauptgrund ist.
Kassel: Ist es eine zu dreiste Unterstellung vielleicht, auch zu vermuten, dass man damit auch die Diskussion in Deutschland über moralische Fragen des Einsatzes von bewaffneten Drohnen ein bisschen umgehen will?

Eine gesellschaftliche Diskussion findet nicht statt

Hunko: Diese Diskussion über den moralischen Einsatz, der bleibt ja bestehen. Es werden ja dann deutsche Kampfdrohnen sein, die eben in Israel stationiert werden, die dann von deutschen Soldaten von Israel aus bedient werden, und moralisch bleibt es ja sozusagen gleichwertig. Gut, die Drohnen sind dann weiter weg, und vielleicht hat man sie sozusagen hier nicht so direkt vor Augen. Vielleicht gibt es auch diese Überlegung, aber moralisch bleibt das ja das gleiche.
Ich möchte vielleicht noch mal sagen, dass die Bundesregierung ja auch im Koalitionsvertrag geschrieben hat 2013, dass sie erst mal eine gesellschaftliche Diskussion über die moralischen und völkerrechtlichen Implikationen vom Einsatz von Kampfdrohnen haben möchte, bevor sie solche Entscheidungen trifft, die Drohnen anzuschaffen. Die hat aus meiner Sicht nicht wirklich stattgefunden in Deutschland. Man macht das jetzt in Israel und hofft vielleicht dadurch, dass es nicht so ein Gegenstand dann gesellschaftlicher Debatte in Deutschland wird, wie es werden müsste.
Kassel: Ich glaube aber nicht, dass das so komplett gelingen wird. Danke Ihnen sehr!
Hunko: Das hoffe ich sehr, ja!
Kassel: Jetzt wissen es zu viele Leute. Sie haben es ja verraten! Andrej Hunko, er ist Bundestagsabgeordneter der Partei Die Linke, europapolitischer Sprecher seiner Fraktion. Mit ihm haben wir über die geplante Anschaffung von waffenfähigen Drohnen für die Bundeswehr und die vielen offenen Fragen in diesem Zusammenhang gesprochen. Danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag!
Hunko: Bitte sehr! Schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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