Plädoyer für Überflutungsflächen
Der Präsident des Landesumweltamtes Brandenburg Matthias Freude hält weitere Überflutungsgebiete für nötig, um den Hochwasserschutz effektiv und dauerhaft zu verbessern. "Sonst kann man die Deiche so hoch bauen, wie man will, es wird niemals langen", sagte er.
Joachim Scholl: Alle Jahre wieder ist es dasselbe Bild: Entlang der Elbe und ihren Nebenflüssen stehen Dörfer und Gemeinden unter Wasser, so auch in diesen Wochen. Und alljährlich wiederholt sich die Forderung, endlich für einen dauerhaften Hochwasserschutz zu sorgen. Ich bin jetzt verbunden mit Matthias Freude, er ist Präsident am Landesumweltamt in Brandenburg, guten Tag, Herr Freude!
Matthias Freude: Ich grüße Sie!
Scholl: Seit der großen Jahrhundertflut von 1997 wurden über sieben Milliarden Euro für Hochwasserschutz in Deutschland ausgegeben. Wie wurde das Geld eigentlich in Brandenburg verwendet?
Freude: Wir in Brandenburg haben 230 Millionen – armes, kleines Land – viel Geld für die Deiche, in die Deiche gesteckt, gut angelegtes Geld, wie sich seitdem gezeigt hat, denn wir hatten ja nicht bloß 97 die Jahrhundertflut an der Oder, es gab ja dann gleich 2003, 2006 an der Elbe zwei weitere. Und in diesem Jahr sind wir wieder mal das gebeuteltste Bundesland gewesen – im letzten Jahr, nicht in diesem Jahr, es ging noch weiter. Wir hatten ja fünf Fluten im letzten Jahr allein, und ob diese Flut jetzt an der Elbe, die sechste Flut aus dem letzten oder die erste aus diesem Jahr, mag man sich streiten. Also höhere Deiche oder bessere Deiche, man kommt daran nicht vorbei.
Scholl: Dennoch haben wir Jahr für Jahr dasselbe Bild der Überschwemmungen, Herr Freude, das heißt, man hat den Eindruck, dass die ganzen Investitionen nicht richtig gefruchtet haben, oder?
Freude: Zumindest können sie nicht alles sein, und das ist auch die Erkenntnis, die haben wir seit Langem. Und seit 97 an der Oder hat sich gezeigt – da hat sich der Fluss damals übrigens, zur Erinnerung, hat sich sämtliche Flächen, außer im Oderbruch, hat sich sämtliche Flächen, die er ursprünglich mal überflutet hatte, die letzten Jahrhunderte, hat er sich wiedergeholt.
Und daran hat sich gezeigt, wir müssen dem Fluss irgendwas zurückgeben, sonst kann man die Deiche so hoch bauen, wie man will, es wird niemals langen. Und genau diese Erkenntnis zeigt sich jetzt bei jedem dieser großen Hochwasser, die wir seitdem erlebt haben.
Scholl: Aber diese Erkenntnis ist ja jetzt schon über zehn Jahre alt, Herr Freude. Ich meine, vielerorts wurden die Deiche verstärkt, erhöht, das verlagert aber doch das Problem für jeden offensichtlich an den nächsten Ort, der Wasserdruck nimmt ja dadurch nicht ab. Warum wurde diese Methode dennoch angewandt?
Freude: Es gibt zwei Gründe und ich bin verantwortlich seit 20 Jahren dafür, und nehmen Sie mir ab, dass ich der absolute Fan von Deichrückverlegung und Schaffung von, Gänsefüßchen, Kauderwelschwort, "Retentionsflächen", was nichts anderes meint als ursprüngliche Überflutungsflächen eines Flusses, dem wieder zurückzugeben. Ich bin Fan davon, stoße aber ständig an Grenzen des Machbaren.
Einmal: Der Landnutzer oder, wer immer die Flächen bewirtschaftet, hat keine Lust, die wieder herzugeben. Das Land, was wir dem Fluss abgerungen haben, abgerungen haben, das geben wir ihm doch nicht einfach wieder zurück, nur weil ein paar Hochwasserschützer oder grüne Spinner kommen und sagen, wir sollten das tun.
Der zweite Grund, das ist vielleicht der noch wesentlichere: Wenn man ein Hochwasser erlebt hat und alle sagen, gebt den Flüssen ihren Raum, dann haben wir gesehen: Schlechte Deiche, die müssen erneuert werden. Jetzt stellen Sie sich vor, man sagt, wir nehmen diesen Deichabschnitt um einen Kilometer zurück – so haben wir es in Lenzen einmal gemacht, an der Elbe –, wir nehmen den zurück und bauen den, weil Planungsverfahren in Deutschland halt nun mal vorgeschrieben sind, bauen den euch in drei, vier Jahren. Geht nicht, kriegen Sie nicht hin! Die Bevölkerung will Schutz sofort!
Scholl: Handelt man denn da auch ein bisschen nach dem Prinzip bei den Kommunen, soll es lieber die anderen treffen?
Freude: Das war vielleicht noch vor zehn, 15 Jahren so. Da hat sich in ganz Deutschland, nicht bloß in Brandenburg, doch ein bisschen Umdenken breitgemacht, das sagt, irgendwann, irgendwo müssen wir es machen und irgendwo müssen wir anfangen. Und wir sind ja alle irgendwo Unterlieger, das gilt für Deutsch-Polen ganz genau so, damit hab ich jeden Tag zu tun: Wenn wir was für die Polen tun, in dem Falle für Slubice, sind wir gerade an einer ganz, ganz großen Geschichte dran, dann tun die Polen flussauf etwas für uns. Und es ist eine Generationenaufgabe. Es geht – das ist so traurig, wie es ist, aber es ist Fakt: Es geht schneller, Flüsse mit Deichen zuzupflastern ganz nah ans Wasser ran, als die gleichen Deiche wieder zurückzunehmen.
Scholl: Aber es entstehen ja auch irgendwie nahezu groteske Situationen, also die Deichbemessungsgrenze in Brandenburg ist um 70 Zentimeter erhöht worden, jetzt ist an manchen Stellen der Deich auf brandenburgischer Seite also 70 Zentimeter höher als auf der anderen Seite, die zu Sachsen-Anhalt gehört. Ich meine, das ist ja klar, wohin das Wasser dann strömt, oder?
Freude: Kann überhaupt keiner gut finden, das war auch eine Geschichte, die hat bloß drei, vier Monate Bestand gehabt, das haben wir, gemeinsam übrigens, gemeinsam sehr schnell wieder zurückgenommen, das wird auch nicht wieder vorkommen, so was.
Scholl: Noch mal zurück, Herr Freude, zu den Widerständen gegen diese Form von Deichverlegung und von Schaffung von Polderflächen, warum die Widerstände so groß sind? Also ich meine, jeder Anwohner, stellt man sich vor, muss doch eigentlich dafür brennen, dass nicht jedes Jahr sein Haus absäuft?
Freude: Jeder Anwohner hat nur ein Haus und einen kleinen Garten. Und wenn er sieht, wenn da der Deich ein bisschen höher gemacht wird, dann habe ich wenigstens meins trocken. Das ist nicht so leicht denen zu vermitteln, dass da ein eigener Garten – oder Garten ist es ja meistens gar nicht, das sind ja meistens Felder –, wenn mein Feld oder meine Wiese unter Wasser geht, dass dann die unter mir liegenden Häuser, Gehöfte, Gärten alle trocken bleiben. Nicht so leicht, das zu vermitteln!
Es gibt noch viele Wiesen an den Flüssen, die früher immer Überflutungswiesen waren und die heute durch Deiche sichergemacht worden sind. Wiesen wachsen aber auch unter Wasser. Warum schaffen wir es nicht, Bauern mit Geldern aus der EU zum Beispiel so auszustatten, dass die sagen, okay, nehmt den Deich zurück, dann unsere Flächen auch, tun da was Gutes, entlasten die nächste Stadt, das nächste Dorf und so weiter. Es muss doch darunter keiner leiden.
Wenn es uns gelingt, die Landwirte entsprechend auszustatten, finanziell auszustatten, dass sie auch die Überstauung ihrer Wiesen tolerieren können, wären wir einen Riesenschritt weiter. Nicht nur in Brandenburg, das gilt für ganz Europa.
Scholl: In Brandenburg hatte man ja auch große Pläne mit den Polderflächen, 6000 Hektar Überschwemmungsfläche sollten gewonnen werden. Wie weit ist man denn mit diesen Zielen?
Freude: Ich habe jetzt die Zahlen nicht ganz genau im Kopf, es sind weit über Tausend, die wir haben, und wir sind gerade an einer ganz großen Geschichte dran, Überflutungspolder in der Neuzeller Niederung, das ist an der Oder, wo die Oder von Polen her reinkommt. Das wäre eine ganz große Geschichte für das Oderbruch, das ist die am schlimmsten vom Hochwasser gefährdete Landschaft in ganz Deutschland.
Denn wenn dort was durchgeht, gehen die Orte dort sieben oder gar acht Meter unter Wasser, das gibt es sonst nirgends. Und auch eine gute Tat für Slubice wäre das, Slubice war früher mal die Dammvorstadt von Frankfurt/Oder, auch die liegt sehr, sehr tief. Also wenn wir es dort schaffen würden, die 2000 Hektar, die zur Verfügung stehen, dort als Flutungspolder zu nutzen, dann wäre das eine feine Sache.
Scholl: Wenn die Kritik an den Zurückverlegungen, Herr Freude, so groß ist, bringen denn diese Deichverlegungen wirklich genau den effektiven Hochwasserschutz?
Freude: Man hat es ja immer nicht geglaubt und ich bin sehr froh, dass wir dieses Jahr bei den fünf Hochwässern, die wir hatten, wirklich mal zeigen können, was es richtig bringt. Sie haben am Anfang erwähnt die Flutungspolder an der unteren Oder, ein Stückchen vom Nationalpark. Die haben in Schwedt – auch eine sehr hochwassergefährdete Stadt – 1,10 Meter weniger Wasser gebracht, als wir ohne die Flutungspolder gehabt hätten. Wir haben die Havelpolder vor vier Jahren geflutet, die haben 68 Zentimeter gebracht, die haben Niedersachsen, die haben der Prignitz unglaubliche Entlastung gebracht. Und wenn man weiß, wenn das Wasser in der oberen Sandsackreihe steht, dort, wo gerade noch mal fünf Zentimeter nach oben Luft sind, dann sind 68 Zentimeter unglaublich viel.
Wenn jetzt noch jemand Zweifel haben sollte, der sollte sich diese Zahlen angucken und sagen: Deichrückverlegung oder Flutungspolder schaffen, beides sind superwichtige und sinnvolle Varianten.
Scholl: Wie kann effektiver, dauerhafter Hochwasserschutz aussehen? – Das war Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes Brandenburg. Herr Freude, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Freude: Wiederhören!
Matthias Freude: Ich grüße Sie!
Scholl: Seit der großen Jahrhundertflut von 1997 wurden über sieben Milliarden Euro für Hochwasserschutz in Deutschland ausgegeben. Wie wurde das Geld eigentlich in Brandenburg verwendet?
Freude: Wir in Brandenburg haben 230 Millionen – armes, kleines Land – viel Geld für die Deiche, in die Deiche gesteckt, gut angelegtes Geld, wie sich seitdem gezeigt hat, denn wir hatten ja nicht bloß 97 die Jahrhundertflut an der Oder, es gab ja dann gleich 2003, 2006 an der Elbe zwei weitere. Und in diesem Jahr sind wir wieder mal das gebeuteltste Bundesland gewesen – im letzten Jahr, nicht in diesem Jahr, es ging noch weiter. Wir hatten ja fünf Fluten im letzten Jahr allein, und ob diese Flut jetzt an der Elbe, die sechste Flut aus dem letzten oder die erste aus diesem Jahr, mag man sich streiten. Also höhere Deiche oder bessere Deiche, man kommt daran nicht vorbei.
Scholl: Dennoch haben wir Jahr für Jahr dasselbe Bild der Überschwemmungen, Herr Freude, das heißt, man hat den Eindruck, dass die ganzen Investitionen nicht richtig gefruchtet haben, oder?
Freude: Zumindest können sie nicht alles sein, und das ist auch die Erkenntnis, die haben wir seit Langem. Und seit 97 an der Oder hat sich gezeigt – da hat sich der Fluss damals übrigens, zur Erinnerung, hat sich sämtliche Flächen, außer im Oderbruch, hat sich sämtliche Flächen, die er ursprünglich mal überflutet hatte, die letzten Jahrhunderte, hat er sich wiedergeholt.
Und daran hat sich gezeigt, wir müssen dem Fluss irgendwas zurückgeben, sonst kann man die Deiche so hoch bauen, wie man will, es wird niemals langen. Und genau diese Erkenntnis zeigt sich jetzt bei jedem dieser großen Hochwasser, die wir seitdem erlebt haben.
Scholl: Aber diese Erkenntnis ist ja jetzt schon über zehn Jahre alt, Herr Freude. Ich meine, vielerorts wurden die Deiche verstärkt, erhöht, das verlagert aber doch das Problem für jeden offensichtlich an den nächsten Ort, der Wasserdruck nimmt ja dadurch nicht ab. Warum wurde diese Methode dennoch angewandt?
Freude: Es gibt zwei Gründe und ich bin verantwortlich seit 20 Jahren dafür, und nehmen Sie mir ab, dass ich der absolute Fan von Deichrückverlegung und Schaffung von, Gänsefüßchen, Kauderwelschwort, "Retentionsflächen", was nichts anderes meint als ursprüngliche Überflutungsflächen eines Flusses, dem wieder zurückzugeben. Ich bin Fan davon, stoße aber ständig an Grenzen des Machbaren.
Einmal: Der Landnutzer oder, wer immer die Flächen bewirtschaftet, hat keine Lust, die wieder herzugeben. Das Land, was wir dem Fluss abgerungen haben, abgerungen haben, das geben wir ihm doch nicht einfach wieder zurück, nur weil ein paar Hochwasserschützer oder grüne Spinner kommen und sagen, wir sollten das tun.
Der zweite Grund, das ist vielleicht der noch wesentlichere: Wenn man ein Hochwasser erlebt hat und alle sagen, gebt den Flüssen ihren Raum, dann haben wir gesehen: Schlechte Deiche, die müssen erneuert werden. Jetzt stellen Sie sich vor, man sagt, wir nehmen diesen Deichabschnitt um einen Kilometer zurück – so haben wir es in Lenzen einmal gemacht, an der Elbe –, wir nehmen den zurück und bauen den, weil Planungsverfahren in Deutschland halt nun mal vorgeschrieben sind, bauen den euch in drei, vier Jahren. Geht nicht, kriegen Sie nicht hin! Die Bevölkerung will Schutz sofort!
Scholl: Handelt man denn da auch ein bisschen nach dem Prinzip bei den Kommunen, soll es lieber die anderen treffen?
Freude: Das war vielleicht noch vor zehn, 15 Jahren so. Da hat sich in ganz Deutschland, nicht bloß in Brandenburg, doch ein bisschen Umdenken breitgemacht, das sagt, irgendwann, irgendwo müssen wir es machen und irgendwo müssen wir anfangen. Und wir sind ja alle irgendwo Unterlieger, das gilt für Deutsch-Polen ganz genau so, damit hab ich jeden Tag zu tun: Wenn wir was für die Polen tun, in dem Falle für Slubice, sind wir gerade an einer ganz, ganz großen Geschichte dran, dann tun die Polen flussauf etwas für uns. Und es ist eine Generationenaufgabe. Es geht – das ist so traurig, wie es ist, aber es ist Fakt: Es geht schneller, Flüsse mit Deichen zuzupflastern ganz nah ans Wasser ran, als die gleichen Deiche wieder zurückzunehmen.
Scholl: Aber es entstehen ja auch irgendwie nahezu groteske Situationen, also die Deichbemessungsgrenze in Brandenburg ist um 70 Zentimeter erhöht worden, jetzt ist an manchen Stellen der Deich auf brandenburgischer Seite also 70 Zentimeter höher als auf der anderen Seite, die zu Sachsen-Anhalt gehört. Ich meine, das ist ja klar, wohin das Wasser dann strömt, oder?
Freude: Kann überhaupt keiner gut finden, das war auch eine Geschichte, die hat bloß drei, vier Monate Bestand gehabt, das haben wir, gemeinsam übrigens, gemeinsam sehr schnell wieder zurückgenommen, das wird auch nicht wieder vorkommen, so was.
Scholl: Noch mal zurück, Herr Freude, zu den Widerständen gegen diese Form von Deichverlegung und von Schaffung von Polderflächen, warum die Widerstände so groß sind? Also ich meine, jeder Anwohner, stellt man sich vor, muss doch eigentlich dafür brennen, dass nicht jedes Jahr sein Haus absäuft?
Freude: Jeder Anwohner hat nur ein Haus und einen kleinen Garten. Und wenn er sieht, wenn da der Deich ein bisschen höher gemacht wird, dann habe ich wenigstens meins trocken. Das ist nicht so leicht denen zu vermitteln, dass da ein eigener Garten – oder Garten ist es ja meistens gar nicht, das sind ja meistens Felder –, wenn mein Feld oder meine Wiese unter Wasser geht, dass dann die unter mir liegenden Häuser, Gehöfte, Gärten alle trocken bleiben. Nicht so leicht, das zu vermitteln!
Es gibt noch viele Wiesen an den Flüssen, die früher immer Überflutungswiesen waren und die heute durch Deiche sichergemacht worden sind. Wiesen wachsen aber auch unter Wasser. Warum schaffen wir es nicht, Bauern mit Geldern aus der EU zum Beispiel so auszustatten, dass die sagen, okay, nehmt den Deich zurück, dann unsere Flächen auch, tun da was Gutes, entlasten die nächste Stadt, das nächste Dorf und so weiter. Es muss doch darunter keiner leiden.
Wenn es uns gelingt, die Landwirte entsprechend auszustatten, finanziell auszustatten, dass sie auch die Überstauung ihrer Wiesen tolerieren können, wären wir einen Riesenschritt weiter. Nicht nur in Brandenburg, das gilt für ganz Europa.
Scholl: In Brandenburg hatte man ja auch große Pläne mit den Polderflächen, 6000 Hektar Überschwemmungsfläche sollten gewonnen werden. Wie weit ist man denn mit diesen Zielen?
Freude: Ich habe jetzt die Zahlen nicht ganz genau im Kopf, es sind weit über Tausend, die wir haben, und wir sind gerade an einer ganz großen Geschichte dran, Überflutungspolder in der Neuzeller Niederung, das ist an der Oder, wo die Oder von Polen her reinkommt. Das wäre eine ganz große Geschichte für das Oderbruch, das ist die am schlimmsten vom Hochwasser gefährdete Landschaft in ganz Deutschland.
Denn wenn dort was durchgeht, gehen die Orte dort sieben oder gar acht Meter unter Wasser, das gibt es sonst nirgends. Und auch eine gute Tat für Slubice wäre das, Slubice war früher mal die Dammvorstadt von Frankfurt/Oder, auch die liegt sehr, sehr tief. Also wenn wir es dort schaffen würden, die 2000 Hektar, die zur Verfügung stehen, dort als Flutungspolder zu nutzen, dann wäre das eine feine Sache.
Scholl: Wenn die Kritik an den Zurückverlegungen, Herr Freude, so groß ist, bringen denn diese Deichverlegungen wirklich genau den effektiven Hochwasserschutz?
Freude: Man hat es ja immer nicht geglaubt und ich bin sehr froh, dass wir dieses Jahr bei den fünf Hochwässern, die wir hatten, wirklich mal zeigen können, was es richtig bringt. Sie haben am Anfang erwähnt die Flutungspolder an der unteren Oder, ein Stückchen vom Nationalpark. Die haben in Schwedt – auch eine sehr hochwassergefährdete Stadt – 1,10 Meter weniger Wasser gebracht, als wir ohne die Flutungspolder gehabt hätten. Wir haben die Havelpolder vor vier Jahren geflutet, die haben 68 Zentimeter gebracht, die haben Niedersachsen, die haben der Prignitz unglaubliche Entlastung gebracht. Und wenn man weiß, wenn das Wasser in der oberen Sandsackreihe steht, dort, wo gerade noch mal fünf Zentimeter nach oben Luft sind, dann sind 68 Zentimeter unglaublich viel.
Wenn jetzt noch jemand Zweifel haben sollte, der sollte sich diese Zahlen angucken und sagen: Deichrückverlegung oder Flutungspolder schaffen, beides sind superwichtige und sinnvolle Varianten.
Scholl: Wie kann effektiver, dauerhafter Hochwasserschutz aussehen? – Das war Matthias Freude, Präsident des Landesumweltamtes Brandenburg. Herr Freude, ich danke Ihnen für das Gespräch.
Freude: Wiederhören!