Plädoyer für schärfere Kontrollen der Gentechnik

Dass gentechnische Modifizierungen längst nicht so einfach und vorhersehbar sind, wie uns die Wissenschaft glauben machen will, zeigen die beiden Biochemiker Árpád Pusztai und Susan Bardócz. Sie dekonstruieren fragwürdige Tatsachenbehauptungen über die Grüne Gentechnik und mahnen dringend weitere Grundlagenforschung an.
Ein Gen = ein Protein. So lehrte man in den achtziger Jahren, was es mit der DNA auf sich hat. Doch die Übersichtlichkeit des DNA-Codes war mehr Wunschdenken als Realität. In ihrem Buch "Sicherheitsrisiko Gentechnik" geben Árpád Pusztai und Susan Bardócz einen Einblick in die komplexen Veränderungsprozesse, denen genetische Informationen unterworfen sind.

Da gibt es die "Spliceosomen": Diese Moleküle verändern die Erstabschrift der Gene, sodass neue Eiweiße mit neuen Eigenschaften entstehen. Im Rahmen der "postsynthetischen Proteinmodifizierung" nehmen Eiweiße Kohlenhydrate, Fette, Phosphate oder Sulfate auf. Sie modifizieren ihre Struktur und damit ihre biologischen Effekte. Klingt kompliziert? So ist es, sagen die Autoren und warnen davor, leichtfertig und ohne scharfe Kontrollen in die kaum verstandenen biochemischen Prozesse der Vererbung eingreifen.

Ein Film, der dem spendenfinanzierten Buch auf DVD beigelegt ist, erzählt Biografisches: Der angesehene ungarisch-britische Wissenschaftler Árpád Pusztai publizierte 1998 als Mitarbeiter eines britischen Forschungsinstituts Daten, wonach gentechnisch veränderte Kartoffeln Ratten schädigen können. Auf politischen Druck hin wurde er suspendiert, auch seine Frau Susan Bardócz musste das Institut verlassen, bis eine Expertenkommission den Wissenschaftler schließlich rehabilitierte. In der Folge avancierte Árpád Pusztai zum Symbol einer Debatte um die Frage, inwieweit Genetiker heute noch unabhängig von wirtschaftlichen Interessen arbeiten können.

Auch wenn das Buch den Anschein von Neutralität gar nicht erst zu erwecken versucht, bewegen sich die Autoren kompetent und faktengetreu durch ihre Themen. Sie führen in die Grundlagen der gentechnischen Modifizierung ein, widmen ein Kapitel fragwürdigen Tatsachenbehauptungen über die Grüne Gentechnik, nehmen eine ernährungswissenschaftliche Bewertung von Genlabor-Pflanzen vor, untersuchen Ergebnisse der Risikoforschung und schließlich die Rolle von Banken und internationalen Nahrungsmittelkonzernen in diesem Forschungszweig.

Auch an einige unliebsame Überraschungen der Grünen Gentechnik erinnert das Buch: So wurde 1986 das Gen des menschlichen Wachstumshormons in Schweine übertragen. Doch statt der erhofften mageren Mastschweine wurden Tiere mit schwersten Missbildungen geboren. International hat die kostenintensive Gentechnik zu einem Strukturwandel in der Saatgutbranche geführt. Große Konzerne dominieren, auf den Äckern schwindet die Nutzpflanzen-Vielfalt, Patente entreißen der bäuerlichen Landwirtschaft die Kontrolle über das Saatgut.

Am Ende mahnt das Buch dringend weitere Grundlagenforschung an und bringt eine lange Wunschliste für schärfere Sicherheits-Checks. Auf kurze Sicht möge es verführerisch sein, die Wissenschaft in den Dienst wirtschaftlicher Interessen zu stellen, erklären die Autoren im Schlussplädoyer ihres engagierten Buches. Langfristig laufe die Preisgabe einer unabhängigen Forschung den Interessen der Menschheit zuwider.

Über die Autoren:
Professor Dr. Árpád Pusztai ist Biochemiker und international anerkannter Experte für Pflanzenlektine. Er war 35 Jahre am britischen Rowett Forschungsinstitut tätig und wurde fristlos entlassen, nachdem er die Sicherheit einer Gentechnikkartoffel für die Ernährung in Zweifel gezogen hatte. Für sein mutiges Auftreten erhielt er etliche Preise, darunter 2005 den "Whistleblower Preis", der von einem internationalem Zusammenschluss mehrerer Organisationen vergeben wird, darunter die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, und 2009 den Stuttgarter Friedenspreis.

Dr. Susan Bardócz, Biochemikerin, war ebenfalls als Leiterin der Forschungsabteilung am Rowett Institute tätig. Sie musste das Institut 1998 gemeinsam mit ihrem Mann Árpád Pusztai verlassen.

Herausgeber Jürgen Binder ist Imkermeister und Vorsitzender der Bewegung "Gentechnikfreies Europa".

Besprochen von Susanne Billig

Árpád Pusztai, Susan Bardócz: Sicherheitsrisiko Gentechnik
Herausgeben von Jürgen Binder, Übersetzung aus dem Ungarischen von Peter Schmidt
Verlag orange press, 180 Seiten
mit DVD "Árpád Pusztai, Whistleblower", 18 Euro