Plädoyer für eine geschlechtsspezifische Medizin
Frauen wurden lange als Stiefkinder der Medizin behandelt. Klinische Studien wurden vorwiegend mit männlichen Probanden durchgeführt, ohne den spezifischen Hormonhaushalt von Frauen zu berücksichtigen. In "Die Gesundheit der Frau" plädiert der "Hormonpapst" Johannes Huber daher für eine geschlechtsspezifische Medizin.
Mit der Pubertät setzt für jede junge Frau die Menstruation ein. Ab jetzt wird sie über mehrere Jahrzehnte hinweg einem komplizierten monatlichen Hormonzyklus unterworfen sein, vor allem Östrogen und Progesteron spielen dabei eine wichtige Rolle. An übergeordneter Stelle werden diese Vorgänge von Hormonen des Zwischenhirns, der Hirnanhangdrüse und der Eierstöcke gesteuert. Die zyklischen Hormonveränderungen wirken nicht allein auf die Menstruation, sondern beeinflussen sämtliche Organe im Körper. Darum liegt im Monatszyklus der Frau der gravierendste Unterschied zum Körper des Mannes - das betont Professor Johannes Huber, Wiener Hormonexperte und Autor mehrerer medizinischer Ratgeber, in seinem neuen Buch "Die Gesundheit der Frau. Warum Frauen länger leben".
Herz, Hirn und Haut, Bewegungsapparat, Immunsystem, Lunge und Stoffwechsel, Bindegewebe, Gelenke und Verdauungstrakt nimmt Johannes Huber unter die geschlechtsspezifische Lupe. Allein ein Blick auf die vielfältigen Wirkungen des Gelbkörperhormons ("Progesteron") zeigt, wie stark Hormone den gesamten Körper einer Frau beeinflussen: Progesteron gibt im Rahmen des weiblichen Zyklus das Signal zum Abbau der Gebärmutterschleimhaut und ist bei einer Schwangerschaft notwendig zum Erhalt und Überleben des Embryo. Das Gelbkörperhormon schützt aber auch vor Geschwulsten in der Brust bis hin zu Krebs, es unterstützt die Fettverwertung, erleichtert die Tätigkeit des Schilddrüsenhormons, normalisiert den Zucker-, Zink- und Kupferspiegel im Blut sowie dessen Gerinnung, verstärkt die Libido, sorgt für den richtigen Sauerstoffgehalt in Körperzellen, regt den Knochenaufbau an, hält die Gefäße elastisch und wendet Autoimmunerkrankungen ab. Darüber hinaus hat das Hormon einen stark beruhigenden Effekt auf das Gehirn, wo es auf dieselbe Weise wirkt wie derzeit gebräuchliche Antidepressiva und in den Stoffwechsel des wichtigen Botenstoffes Serotonin eingreift. Kein Wunder, wenn ein Mangel Progesteron Probleme verursacht. Nach der Pubertät, vor der Menstruation oder in der Menopause kann dies zu starken seelischen Turbulenzen führen, erläutert der Mediziner. Auch das Risiko, an Knochenschwund - Osteoporose - zu erkranken, ist erhöht.
Leicht verständlich doch medizinisch gründlich erläutert der Autor in jedem Kapitel die Wirkungszusammenhänge im weiblichen Körper, nennt mögliche Krankheiten, die sich daraus ergeben können, gibt Hinweise auf hilfreiche Therapien und viele Tipps rund um die Gesundheitsvorsorge im Alltag. Auf den letzten Seiten jedes Kapitels wagt Johannes Huber den prognostischen "Blick in die Zukunft": Eines Tages könnten körpereigene Eiweiße gewonnen werden, die gezielt beim Abbau überschüssigen Fettes helfen, so meint der Autor, und in einigen Jahren werden Mediziner den genauen Gen-Typ jeder Frau ermitteln können, um das Herzinfarkt-Risiko genauer einschätzen zu können. Hubers Prognosen und auch die meisten seiner Informationen stammen aus Labor und Schulmedizin: Hier ist der Autor Fachmann - zu Alternativverfahren meldet er sich wenig zu Wort. Manch schulmedizinische Begeisterung mutet sogar ein wenig naiv an, beispielsweise zu den Möglichkeiten einer auf den individuellen Gen-Typ maßgeschneiderten Genom-Medizin. So spannend die Forschung dazu sein mag: Medizin hat immer auch mit Märkten und Geldern zu tun und schon heute kämpfen Menschen mit seltenen genetischen Erkrankungen darum, von der pharmazeutischen Industrie überhaupt wahrgenommen zu werden. Stark individualisierte Bedürfnisse werden es in der kostensparenden Medizin der Zukunft eher schwerer als leichter haben.
Im letzten Drittel des Buches verlässt der Autor die Reise durch den weiblichen Körper und widmet sich unterschiedlichen Aspekten - der vorbeugenden Medizin, den Wechseljahren, der Genom-Medizin, der Heilkraft des grünen Tees und schließlich auch der Frage, warum Frauen eigentlich länger leben: der schonendere Lebensstil - weniger Alkohol, mehr Schlaf, regelmäßigere und gesündere Ernährung - ist verantwortlich dafür. Leider kommen die vielen spannenden Themen des Buches in einer reichlich langweiligen Verpackung daher: Fließtext ohne Kästen und ohne jede Abbildung; auch ein Schlagwortverzeichnis fehlt. Wer ein Thema genauer nachlesen möchte, muss schon das Inhaltsverzeichnis durchforsten und raten. Schade - ein Buch mit solchen Ratgeber-Qualitäten hätte eine ansprechendere Aufmachung mehr als verdient.
Rezensiert von Susanne Billig
Johannes Huber: Die Gesundheit der Frau. Warum Frauen länger leben
Carl Ueberreuter Verlag 2008
350 Seiten, 24,95 Euro
Herz, Hirn und Haut, Bewegungsapparat, Immunsystem, Lunge und Stoffwechsel, Bindegewebe, Gelenke und Verdauungstrakt nimmt Johannes Huber unter die geschlechtsspezifische Lupe. Allein ein Blick auf die vielfältigen Wirkungen des Gelbkörperhormons ("Progesteron") zeigt, wie stark Hormone den gesamten Körper einer Frau beeinflussen: Progesteron gibt im Rahmen des weiblichen Zyklus das Signal zum Abbau der Gebärmutterschleimhaut und ist bei einer Schwangerschaft notwendig zum Erhalt und Überleben des Embryo. Das Gelbkörperhormon schützt aber auch vor Geschwulsten in der Brust bis hin zu Krebs, es unterstützt die Fettverwertung, erleichtert die Tätigkeit des Schilddrüsenhormons, normalisiert den Zucker-, Zink- und Kupferspiegel im Blut sowie dessen Gerinnung, verstärkt die Libido, sorgt für den richtigen Sauerstoffgehalt in Körperzellen, regt den Knochenaufbau an, hält die Gefäße elastisch und wendet Autoimmunerkrankungen ab. Darüber hinaus hat das Hormon einen stark beruhigenden Effekt auf das Gehirn, wo es auf dieselbe Weise wirkt wie derzeit gebräuchliche Antidepressiva und in den Stoffwechsel des wichtigen Botenstoffes Serotonin eingreift. Kein Wunder, wenn ein Mangel Progesteron Probleme verursacht. Nach der Pubertät, vor der Menstruation oder in der Menopause kann dies zu starken seelischen Turbulenzen führen, erläutert der Mediziner. Auch das Risiko, an Knochenschwund - Osteoporose - zu erkranken, ist erhöht.
Leicht verständlich doch medizinisch gründlich erläutert der Autor in jedem Kapitel die Wirkungszusammenhänge im weiblichen Körper, nennt mögliche Krankheiten, die sich daraus ergeben können, gibt Hinweise auf hilfreiche Therapien und viele Tipps rund um die Gesundheitsvorsorge im Alltag. Auf den letzten Seiten jedes Kapitels wagt Johannes Huber den prognostischen "Blick in die Zukunft": Eines Tages könnten körpereigene Eiweiße gewonnen werden, die gezielt beim Abbau überschüssigen Fettes helfen, so meint der Autor, und in einigen Jahren werden Mediziner den genauen Gen-Typ jeder Frau ermitteln können, um das Herzinfarkt-Risiko genauer einschätzen zu können. Hubers Prognosen und auch die meisten seiner Informationen stammen aus Labor und Schulmedizin: Hier ist der Autor Fachmann - zu Alternativverfahren meldet er sich wenig zu Wort. Manch schulmedizinische Begeisterung mutet sogar ein wenig naiv an, beispielsweise zu den Möglichkeiten einer auf den individuellen Gen-Typ maßgeschneiderten Genom-Medizin. So spannend die Forschung dazu sein mag: Medizin hat immer auch mit Märkten und Geldern zu tun und schon heute kämpfen Menschen mit seltenen genetischen Erkrankungen darum, von der pharmazeutischen Industrie überhaupt wahrgenommen zu werden. Stark individualisierte Bedürfnisse werden es in der kostensparenden Medizin der Zukunft eher schwerer als leichter haben.
Im letzten Drittel des Buches verlässt der Autor die Reise durch den weiblichen Körper und widmet sich unterschiedlichen Aspekten - der vorbeugenden Medizin, den Wechseljahren, der Genom-Medizin, der Heilkraft des grünen Tees und schließlich auch der Frage, warum Frauen eigentlich länger leben: der schonendere Lebensstil - weniger Alkohol, mehr Schlaf, regelmäßigere und gesündere Ernährung - ist verantwortlich dafür. Leider kommen die vielen spannenden Themen des Buches in einer reichlich langweiligen Verpackung daher: Fließtext ohne Kästen und ohne jede Abbildung; auch ein Schlagwortverzeichnis fehlt. Wer ein Thema genauer nachlesen möchte, muss schon das Inhaltsverzeichnis durchforsten und raten. Schade - ein Buch mit solchen Ratgeber-Qualitäten hätte eine ansprechendere Aufmachung mehr als verdient.
Rezensiert von Susanne Billig
Johannes Huber: Die Gesundheit der Frau. Warum Frauen länger leben
Carl Ueberreuter Verlag 2008
350 Seiten, 24,95 Euro