Plädoyer für eine Entschleunigung der Zeit
Hektische Weihnachtseinkäufe, panische Feiertagsplanungen, Erledigungsstress vor Beginn der Feiertage – das erleben viele in diesen Tagen, von Besinnlichkeit ist da nichts zu spüren. Nach Ansicht von Kulturwissenschaftler Thomas Macho ist es daher notwendig, Strategien der Entschleunigung anzuwenden.
Frank Meyer: Der Kulturhistoriker Thomas Macho beschäftigt sich mit dem Wandel unseres Zeitempfindens, und er ist Mitglied im Verein zur Verzögerung der Zeit. Thomas Macho, wie gehen Sie denn um mit dieser Beschleunigung vor Weihnachten, hat die Sie auch im Griff oder haben Sie ein Gegenprogramm?
Thomas Macho: Ich habe kein wirkliches Gegenprogramm. Natürlich hat mich die auch im Griff, auf der anderen Seite versuche ich mir immer wieder klar zu machen, dass wir mit den Beschleunigungsstrategien auch immer Strategien der Entschleunigung gelernt haben, Möglichkeiten gefunden und eingeführt haben, uns auch ein bisschen zurückzuziehen vom Stress. Und das kann ich nur allen Zeitgenossen und Zeitgenossinnen empfehlen, dass wir das häufiger nutzen.
Meyer: Aber wie ist das grundsätzlich, leben wir eigentlich tatsächlich immer schneller, kann man das irgendwie messen oder bilden wir uns das alles nur ein?
Macho: Ich glaube nicht, dass wir uns das alles nur immer einbilden, aber ich glaube, dass die Prozesse komplexer sind. In dem Maße, in dem bestimmte Sachen schneller gehen, werden andere Sachen wieder langsamer. In dem Maße, in dem zum Beispiel Verkehr sich beschleunigt hat, sind auf der anderen Seite aber auch Phänomene wie Stau, Verzögerung, Verlangsamung entstanden. Das gilt sogar nicht nur für die Fahrpläne von Zügen und Flugpläne, sondern auch für die Medien. Das heißt, Beschleunigung steht immer auch in einem Verhältnis zu Prozessen der Verlangsamung und der Verzögerung, und die muss man nur bewusster wahrnehmen und auch nutzen.
Meyer: Weil Sie die Medien gerade ansprechen, viele sagen ja auch, die Medien sind schuld, die uns beballern mit immer mehr Angeboten, immer schnelleren Angeboten. Wir haben deshalb einen Medienpsychologen gefragt, Peter Vitouch von der Universität Wien, ob bei den Medien, den immer schneller werdenden, ein Ende dieser Beschleunigung in Sicht ist, ob es zunehmend Leute gibt, die sagen, mir ist das alles zu schnell, ich schalt mal drei Gänge zurück.
Peter Vitouch: Natürlich gibt es viele Mediennutzer, die sagen, ich schalte drei Gänge zurück, aber ich bin bei Weitem nicht der Meinung, dass der Mensch die Grenze seiner Leistungsfähigkeit in diesem Zusammenhang erreicht hat. Diese Statements hat es gegeben, als das Telefon eingeführt wurde, diese Statements hat es gegeben, als das Radio sich etabliert hat. Es ist immer wieder die Vermutung aufgekommen, dass neue technologische Entwicklungen dazu führen, dass der Mensch das nicht mehr schafft. Glücklicherweise haben wir im Grunde genommen ja alle Filter eingebaut, die uns in Bezug auf die Wahrnehmung davor schützen, dass wir zu viel an Informationen in unser Gehirn hineinbekommen.
Meyer: Also der Medienpsychologe Peter Vitouch sagt, das wird alles immer noch schneller werden, zumindest was die Medien angeht. Thomas Macho, erwarten Sie das auch, eine weitere Beschleunigung?
Macho: Na ja, eine weitere Beschleunigung erwarte ich in gewisser Hinsicht schon. Das ist ja schon absehbar, auch mit der Einführung der digitalen Medien, mit der Vermehrung der Sender, und man kann sich natürlich dann Zapper vorstellen, die zu Beginn des Abends beginnen mit einem Kanal und am Ende des Abends beim 150. angelangt sind und so, auf diese Art und Weise, ein Programmspektrum, ein regelrechtes Absolvieren von 150 und 180 oder noch viel mehr Sendeprogrammen und damit verbundenen Einstellungen und Ideologien und dergleichen mehr. Auf der anderen Seite wird es dann aber auch sicher die passenden Meditationskanäle geben, wo man dann die schöne Musik hört …
Meyer: Sehr stille Medien.
Macho: Genau, sehr stille Medien, wo man dann sozusagen durch Farbspiele beruhigt wird. Und es wird vielleicht Kanäle geben für Bio-Feedback-Systeme, bei denen sich der Herzschlag automatisch beruhigt, und vielleicht einen spezialen Kanal für Hobbyfakire, die dann versuchen können, mit dem Kopf zwischen den Knien endlich wieder zur inneren Ruhe zu kommen.
Meyer: Weil Sie so schön gelassen von den Entschleunigungen reden, es gibt einen Soziologen in Jena, Hartmut Rosa, der hat ein Buch über die Beschleunigung veröffentlicht, und er schreibt da, die Entschleunigung könnte die mächtigste Gegenideologie des 21. Jahrhunderts werden. Sehen Sie da so eine Ideologie der Entschleunigung heraufdämmern?
Macho: Ich glaube, dass die schon seit einigen Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten heraufgedämmert ist und immer mächtiger wird. Und tatsächlich bestätigt sich dadrin etwas, was Nietzsche in einer der hellsichtigsten Passagen von seinem Werk über den Zarathustra vorausgesagt hat. Da gibt es so ein Kapitel über die letzten Menschen, und da sagt er von den letzten Menschen, dass diese letzten Menschen eben, abgesehen davon, dass sie dauernd blinzeln, vor allem die Gesundheit ehren. Und was er da beschreibt, ist fast so was wie ein Profil unseres Wellness-Zeitalters, das man ja auch als eine Form von Entschleunigung beschreiben kann. Man fährt dann in das Hotel, wo alles darauf angelegt ist, von der Musik, die leise von den Wänden plätschert, bis zu den Springbrunnen im Restaurant, uns beruhigen, zu entspannen, zu relaxen und dergleichen mehr. Und das sind tatsächlich so was wie Hoffnungsinhalte, die uns im Moment sehr bewegen und faszinieren.
Meyer: Aber das sind die Auszeiten, die wir uns schaffen beim Wellness-Wochenende oder nach Feierabend vor dem Meditationskanal, aber im Kern unseres Lebens, in unserer Arbeitstätigkeit, die sich immer mehr beschleunigt, glauben Sie, dass es da Grenzen gibt, Grenzen der Beschleunigung, bei denen wir einfach als Mensch nicht mehr mithalten können?
Macho: Es gibt natürlich Grenzen der Beschleunigung, die nicht unbedingt mit dem menschlichen Fassungsvermögen allein, sondern einfach mit der Zeit in Zusammenhang stehen. Man kann einfach in begrenzte Zeit nicht unbegrenzt viele Inhalte hineinpacken, so wie man eben auch zwar Filme immer schneller schneiden kann, aber eine Endstufe hat, und dann werden die Bilder eben nicht mehr bewusst wahrgenommen. Man spricht von subliminalen Images, die man nicht mehr bewusst sieht. Angeblich nutzen die für die Werbung, aber das ist, glaube ich, nur ein Gerücht.
Meyer: Was für Chancen hat man überhaupt, da auszusteigen? Wir leben ja in Europa mit einer linearen Zeitvorstellung, alles geht immer auf irgendetwas zu, jetzt auf Weihnachten oder auf den 50. Geburtstag, auf die Rente, den Tod, das Jüngste Gericht, das ist ja tief verwurzelt in uns, dieses Grundkonzept von Zeit. Hat man trotzdem die Chance als Einzelner, da auszusteigen?
Macho: Ja, diese Chance hat man, und ich glaube, dass das auch die andere Seite bildet. Wenn Sie mal überlegen, was zum Beispiel die Medien machen: Die haben mit großer Sorgfalt einen Ersatz für das Kirchenjahr geschaffen, der darin besteht, dass wir jeden dritten, vierten Tag ein Jubiläum haben und feiern und gedenken, was gerade 200 Jahre her ist, 100 Jahre her ist, 150 Jahre her ist usw. Das heißt, wir haben durchaus so etwas Tückisches wieder eingebaut. Wir erinnern eben nicht mehr die Heiligen, sondern stattdessen die Prominenten, die Stars, aber dieser Zyklus, dieses Kirchenjahr, schafft ein Gegengewicht zum Linearen. Und die großen Feste spielen da natürlich auch eine Rolle. Weihnachten oder das Geheimnis von Weihnachten besteht natürlich auch darin, dass es das globale Fest schlechthin ist, von dem man eins verlässlich weiß: Es wird nächstes Jahr wiederkommen.
Meyer: Sie sind Mitglied im Verein zur Verzögerung der Zeit, den gibt es jetzt auch schon einige Jahre. Hat dieser Verein so etwas wie Grundkonzepte entwickelt, wie man jeder für sich selbst sich herausnehmen kann aus der Beschleunigung der Gegenwart?
Macho: Dieser Verein ist jedenfalls gegenüber einer Vielzahl von Vorstellungen offen, die von den Mitgliedern entwickelt werden. Es gibt, glaube ich, keine allgemein verbindliche Grundkonzeption, das widerspricht ein bisschen der Vereinsideologie, aber es gibt ganz viele Formen, die unter diesem allgemeinen Titel der Verzögerung und der Entschleunigung praktiziert und angeboten werden können.
Meyer: Es gab vor, ich glaube, ungefähr 30 Jahren diesen Roman von Sten Nadolny, „Die Entdeckung der Langsamkeit“, das wird manchmal so gefeiert oder so angesehen als ein Gründungsdokument für das moderne Entschleunigungsdenken. Ist das richtig, kamen die ersten Anstöße da aus der Literatur?
Macho: Die ersten Anstöße kamen aus der Literatur, und die Literatur hatte auch recht damit, weil sie musste ja das Prinzip der Langsamkeit noch mal nacherfinden und noch mal propagieren, denn um mit guter Literatur auch zu Weihnachten zurechtzukommen, braucht man vor allem eins, nämlich Zeit.
Meyer: Die rasende Weihnachtszeit, gibt es Grenzen der menschlichen Beschleunigungsfähigkeit? Darüber habe ich mit dem Kulturwissenschaftler Thomas Macho gesprochen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Macho: Herzlichen Dank!
Thomas Macho: Ich habe kein wirkliches Gegenprogramm. Natürlich hat mich die auch im Griff, auf der anderen Seite versuche ich mir immer wieder klar zu machen, dass wir mit den Beschleunigungsstrategien auch immer Strategien der Entschleunigung gelernt haben, Möglichkeiten gefunden und eingeführt haben, uns auch ein bisschen zurückzuziehen vom Stress. Und das kann ich nur allen Zeitgenossen und Zeitgenossinnen empfehlen, dass wir das häufiger nutzen.
Meyer: Aber wie ist das grundsätzlich, leben wir eigentlich tatsächlich immer schneller, kann man das irgendwie messen oder bilden wir uns das alles nur ein?
Macho: Ich glaube nicht, dass wir uns das alles nur immer einbilden, aber ich glaube, dass die Prozesse komplexer sind. In dem Maße, in dem bestimmte Sachen schneller gehen, werden andere Sachen wieder langsamer. In dem Maße, in dem zum Beispiel Verkehr sich beschleunigt hat, sind auf der anderen Seite aber auch Phänomene wie Stau, Verzögerung, Verlangsamung entstanden. Das gilt sogar nicht nur für die Fahrpläne von Zügen und Flugpläne, sondern auch für die Medien. Das heißt, Beschleunigung steht immer auch in einem Verhältnis zu Prozessen der Verlangsamung und der Verzögerung, und die muss man nur bewusster wahrnehmen und auch nutzen.
Meyer: Weil Sie die Medien gerade ansprechen, viele sagen ja auch, die Medien sind schuld, die uns beballern mit immer mehr Angeboten, immer schnelleren Angeboten. Wir haben deshalb einen Medienpsychologen gefragt, Peter Vitouch von der Universität Wien, ob bei den Medien, den immer schneller werdenden, ein Ende dieser Beschleunigung in Sicht ist, ob es zunehmend Leute gibt, die sagen, mir ist das alles zu schnell, ich schalt mal drei Gänge zurück.
Peter Vitouch: Natürlich gibt es viele Mediennutzer, die sagen, ich schalte drei Gänge zurück, aber ich bin bei Weitem nicht der Meinung, dass der Mensch die Grenze seiner Leistungsfähigkeit in diesem Zusammenhang erreicht hat. Diese Statements hat es gegeben, als das Telefon eingeführt wurde, diese Statements hat es gegeben, als das Radio sich etabliert hat. Es ist immer wieder die Vermutung aufgekommen, dass neue technologische Entwicklungen dazu führen, dass der Mensch das nicht mehr schafft. Glücklicherweise haben wir im Grunde genommen ja alle Filter eingebaut, die uns in Bezug auf die Wahrnehmung davor schützen, dass wir zu viel an Informationen in unser Gehirn hineinbekommen.
Meyer: Also der Medienpsychologe Peter Vitouch sagt, das wird alles immer noch schneller werden, zumindest was die Medien angeht. Thomas Macho, erwarten Sie das auch, eine weitere Beschleunigung?
Macho: Na ja, eine weitere Beschleunigung erwarte ich in gewisser Hinsicht schon. Das ist ja schon absehbar, auch mit der Einführung der digitalen Medien, mit der Vermehrung der Sender, und man kann sich natürlich dann Zapper vorstellen, die zu Beginn des Abends beginnen mit einem Kanal und am Ende des Abends beim 150. angelangt sind und so, auf diese Art und Weise, ein Programmspektrum, ein regelrechtes Absolvieren von 150 und 180 oder noch viel mehr Sendeprogrammen und damit verbundenen Einstellungen und Ideologien und dergleichen mehr. Auf der anderen Seite wird es dann aber auch sicher die passenden Meditationskanäle geben, wo man dann die schöne Musik hört …
Meyer: Sehr stille Medien.
Macho: Genau, sehr stille Medien, wo man dann sozusagen durch Farbspiele beruhigt wird. Und es wird vielleicht Kanäle geben für Bio-Feedback-Systeme, bei denen sich der Herzschlag automatisch beruhigt, und vielleicht einen spezialen Kanal für Hobbyfakire, die dann versuchen können, mit dem Kopf zwischen den Knien endlich wieder zur inneren Ruhe zu kommen.
Meyer: Weil Sie so schön gelassen von den Entschleunigungen reden, es gibt einen Soziologen in Jena, Hartmut Rosa, der hat ein Buch über die Beschleunigung veröffentlicht, und er schreibt da, die Entschleunigung könnte die mächtigste Gegenideologie des 21. Jahrhunderts werden. Sehen Sie da so eine Ideologie der Entschleunigung heraufdämmern?
Macho: Ich glaube, dass die schon seit einigen Jahren, um nicht zu sagen Jahrzehnten heraufgedämmert ist und immer mächtiger wird. Und tatsächlich bestätigt sich dadrin etwas, was Nietzsche in einer der hellsichtigsten Passagen von seinem Werk über den Zarathustra vorausgesagt hat. Da gibt es so ein Kapitel über die letzten Menschen, und da sagt er von den letzten Menschen, dass diese letzten Menschen eben, abgesehen davon, dass sie dauernd blinzeln, vor allem die Gesundheit ehren. Und was er da beschreibt, ist fast so was wie ein Profil unseres Wellness-Zeitalters, das man ja auch als eine Form von Entschleunigung beschreiben kann. Man fährt dann in das Hotel, wo alles darauf angelegt ist, von der Musik, die leise von den Wänden plätschert, bis zu den Springbrunnen im Restaurant, uns beruhigen, zu entspannen, zu relaxen und dergleichen mehr. Und das sind tatsächlich so was wie Hoffnungsinhalte, die uns im Moment sehr bewegen und faszinieren.
Meyer: Aber das sind die Auszeiten, die wir uns schaffen beim Wellness-Wochenende oder nach Feierabend vor dem Meditationskanal, aber im Kern unseres Lebens, in unserer Arbeitstätigkeit, die sich immer mehr beschleunigt, glauben Sie, dass es da Grenzen gibt, Grenzen der Beschleunigung, bei denen wir einfach als Mensch nicht mehr mithalten können?
Macho: Es gibt natürlich Grenzen der Beschleunigung, die nicht unbedingt mit dem menschlichen Fassungsvermögen allein, sondern einfach mit der Zeit in Zusammenhang stehen. Man kann einfach in begrenzte Zeit nicht unbegrenzt viele Inhalte hineinpacken, so wie man eben auch zwar Filme immer schneller schneiden kann, aber eine Endstufe hat, und dann werden die Bilder eben nicht mehr bewusst wahrgenommen. Man spricht von subliminalen Images, die man nicht mehr bewusst sieht. Angeblich nutzen die für die Werbung, aber das ist, glaube ich, nur ein Gerücht.
Meyer: Was für Chancen hat man überhaupt, da auszusteigen? Wir leben ja in Europa mit einer linearen Zeitvorstellung, alles geht immer auf irgendetwas zu, jetzt auf Weihnachten oder auf den 50. Geburtstag, auf die Rente, den Tod, das Jüngste Gericht, das ist ja tief verwurzelt in uns, dieses Grundkonzept von Zeit. Hat man trotzdem die Chance als Einzelner, da auszusteigen?
Macho: Ja, diese Chance hat man, und ich glaube, dass das auch die andere Seite bildet. Wenn Sie mal überlegen, was zum Beispiel die Medien machen: Die haben mit großer Sorgfalt einen Ersatz für das Kirchenjahr geschaffen, der darin besteht, dass wir jeden dritten, vierten Tag ein Jubiläum haben und feiern und gedenken, was gerade 200 Jahre her ist, 100 Jahre her ist, 150 Jahre her ist usw. Das heißt, wir haben durchaus so etwas Tückisches wieder eingebaut. Wir erinnern eben nicht mehr die Heiligen, sondern stattdessen die Prominenten, die Stars, aber dieser Zyklus, dieses Kirchenjahr, schafft ein Gegengewicht zum Linearen. Und die großen Feste spielen da natürlich auch eine Rolle. Weihnachten oder das Geheimnis von Weihnachten besteht natürlich auch darin, dass es das globale Fest schlechthin ist, von dem man eins verlässlich weiß: Es wird nächstes Jahr wiederkommen.
Meyer: Sie sind Mitglied im Verein zur Verzögerung der Zeit, den gibt es jetzt auch schon einige Jahre. Hat dieser Verein so etwas wie Grundkonzepte entwickelt, wie man jeder für sich selbst sich herausnehmen kann aus der Beschleunigung der Gegenwart?
Macho: Dieser Verein ist jedenfalls gegenüber einer Vielzahl von Vorstellungen offen, die von den Mitgliedern entwickelt werden. Es gibt, glaube ich, keine allgemein verbindliche Grundkonzeption, das widerspricht ein bisschen der Vereinsideologie, aber es gibt ganz viele Formen, die unter diesem allgemeinen Titel der Verzögerung und der Entschleunigung praktiziert und angeboten werden können.
Meyer: Es gab vor, ich glaube, ungefähr 30 Jahren diesen Roman von Sten Nadolny, „Die Entdeckung der Langsamkeit“, das wird manchmal so gefeiert oder so angesehen als ein Gründungsdokument für das moderne Entschleunigungsdenken. Ist das richtig, kamen die ersten Anstöße da aus der Literatur?
Macho: Die ersten Anstöße kamen aus der Literatur, und die Literatur hatte auch recht damit, weil sie musste ja das Prinzip der Langsamkeit noch mal nacherfinden und noch mal propagieren, denn um mit guter Literatur auch zu Weihnachten zurechtzukommen, braucht man vor allem eins, nämlich Zeit.
Meyer: Die rasende Weihnachtszeit, gibt es Grenzen der menschlichen Beschleunigungsfähigkeit? Darüber habe ich mit dem Kulturwissenschaftler Thomas Macho gesprochen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Macho: Herzlichen Dank!