Pioniergeist und moderne Technik

Von Stephanie Kowalewski · 03.04.2011
Zwei deutsche Extremsportler sind in 18 Tagen 4800 Kilometer mit einem Elektroauto quer durch Australien gefahren - komplett ohne Treibstoff und obendrein fast gänzlich emissionsfrei.
Bei der ganzen Diskussion um die Vor- und Nachteile des neuen Kraftstoffs E10 wirkt diese Meldung wie eine Vision aus ferner Zukunft und ist doch Realität: Zwei deutsche Extremsportler sind in 18 Tagen 4800 Kilometer quer durch Australien gefahren.

Komplett ohne Treibstoff und obendrein fast gänzlich emissionsfrei. Möglich gemacht hat das eine Kombination aus Pioniergeist und modernster Technik. Herausgekommen ist dabei ein windschnittiges Elektroauto samt Windrad als Energielieferant

Dirk Gion - einer der beiden Piloten - und sein Mitstreiter Christoph Fleischer teffen letzte Vorbereitungen für eine erste Testfahrt nach dem Rücktransport des kleinen weißen Flitzers aus Australien. Mit einer herkömmlichen Luftpumpe setzten sie die dünnen Fahrradreifen des Wind Explorers, so heißt das Elektroauto, ein bißchen mehr unter Druck.

"Gut, dann geht’s los. So, wir sind jetzt hier angefahren und da ist der Motor eben relativ schwach. Zwei PS, das ist wie so ein kleiner Mofamotor, die ziehen uns jetzt hier den Berg hoch."
Dieser 2PS-Motor hat den Essener Extremsportler Dirk Gion und seinen Co-Piloten Stefan Simmerer, der im Allgäu an neuen Produktionsverfahren für Windräder tüftelt, fast 5000 Kilomter quer durch Australien gebracht.

"Jetzt haben wir hier die Kuppe erreicht und jetzt merkst du schon, wie es schneller wird. So jetzt fahren wir hier bergab. Wir sind jetz schon bei 70 Kilometern pro Stunde. So, das war jetzt die Spitzengeschwindigkeit für unsere Fahrt."

Der Fahrtwind treibt uns die Tränen in die Augen, denn der Wagen hat kein Dach und noch nicht einmal eine Windschutzscheibe. Zu schwer. Alles an dem Wind Explorer musste leicht und aerodynamisch sein, denn er sollte so wenig Energie wie möglich verbrauchen. Das Ergebnis ist ein ziemlich flacher weißer Roadster mit pinkfarbenen Überrollbügeln und pinken Kunststoff-Schalensitzen. Ein echter Hingucker, erzählt Dirk Gion.

"Stell’ dir vor, du fährst durch den Feierabenverkehr von Sydney. Es sind tausende von Köpfen, die sich umdrehen. Alle haben dieses Fragezeichen im Kopf: Was ist denn das für ein Fahrzeug? Das ist ein Elektrokleinkraftrad. Es ist für 45 Stundenkilometer ausgelegt und ist vom Tüv abgenommen."

Das war mit Abstand das Schwierigste an der gesamten Mission, sagt Christoph Fleischer aber bei so mancher Poliezeikontrolle in Down Under schon hilfreich. Dagegen war die Konstruktion des Windautos samt Leichtbau-Karosserie fast ein Kinderspiel. Denn die Visionäre hatten tatkräftige Unterstützung aus Forschung und Industrie. Und statt das Rad neu zu erfinden, haben sie sowohl bei der Formel 1 als auch bei voll verkleideten Liegefahrrädern aus den Niederlanden abgeguckt und ihr Elektroauto in der Kohlefaser-Sandwich-Bauweise konstruiert.

"Es ist eine hauchdünne Kohlefaserschicht, dazwischen ist ein Schaumkern und dann kommt wieder eine Kohlefaserschicht. Und das führt zu dieser enorm stabilen Konstruktion bei einer enormen Leichtigkeit. Also wenn du hier die ganzen Fahrwerkkomponenten rausnimmst, die reine Karosserie hier (klopft drauf) wiegt 35 Kilo. Mehr nicht."

Inklusive Fahrwerk, vier Lithium-Ionen Akkus und mobiler Windturbine wiegt der Wind-Explorer rund 200 Kilogramm. Das liegt auch daran, dass unter der Motorhaube im Heck nahezu gähnende Leere herrscht. Statt Zylinderkopf, Kühler und Co reicht dem Elektroroadster ein etwa suppenteller großer Motor.

"In einem Fahrradreifen steckt der. Das ist ein so genannter Elektro-Narbenmotor der für Elektrofahrräder entwickelt wurde. Es reicht so gerade, um zwei Leute gut in der Ebene zu beschleunigen. Wenns bergig wird, wird’s schwierig. Dann muss man halt immer mit dem Schwung vom Bergab wieder Bergauf fahren."

Mit an Bord sind vier kleine silberne Metallkästen, jeder gut 20 Kilogramm schwer. Darin steckt das eigentliche Herz des Wind Explorers - die Lithium-Ionen Akkus. Sehr leistungsstarke Batterieren, sagt Chrostoph Fleischer, die ab dem kommenden Jahr erstmals auch im neuen Elektro-Smart serienmäßig zum Einsatz kommen sollen.

"Und letzlich verbrauchen diese Akkus für 200 Kilometer so viel, wie ich für einmal Wäsche waschen und trocknen."
Als Tankstelle dient dem Wind Explorer ein sechs Meter hoher Teleskopmast aus Bambus samt Rotoren, der während der Fahrt auseinandergenommen längs unter den Sitzen liegt.

"Und wenn die Akkus dann leer sind, dann wird das Windrad aufgestellt und braucht zehn bis zwölf Stunden, dann sind die Akkus wieder voll."

In Australien haben die Piloten das mobile Windrad mal auf einer Wiese am Straßenrand aufgebaut, mal am Sandstrand eingebuddelt und mit Haken gesichert und mal auf einem Aussichtsturm festgezurrt. Dank der mobilen Windturbine wollten Dirk Gion und sein Co-Pilot Stefan Simmerer Australien völlig emmissionsfrei durchqueren. Das hat allerdings nicht ganz geklappt. Der Wind hat sie ab und an im Stich gelassen, so dass sie an einer ordinären Steckdose tanken mussten.

Als nächstes ist nun eine Fahrt quer durch Deutschland geplant. Dann wollen die Entwickler das Auto noch leichter machen und zusätzlich mit Sonnenkollektoren ausstatten.

"Wir würden jetzt gerne das ultimative Fahrzeug bauen und die erste CO2-freie Weltumrundung machen."