Pionier der Astrophysik

Von Kay Müllges |
Das erste Drittel des vergangenen Jahrhunderts war eine turbulente Zeit in der Astrophysik. Erstmals bemühten sich Physiker, die Rätsel der Sternentstehung zu klären und den inneren Aufbau beispielsweise unserer Sonne zu ergründen. Ein wichtiger Protagonist dieser Aufbruchphase war Arthur Stanley Eddington.
„Wir können erwarten, dass etwas geschieht. Die Sterne geschehen.“

Ein seltenes Tondokument des britischen Astrophysikers Arthur Stanley Eddington. Anfang der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts sprach er an der Berliner Universität über eines seiner Spezialgebiete: die Prozesse bei der Entstehung von Sternen. Schon als Kind hat ihn dieses Thema fasziniert. Mit zehn Jahren lieh er sich ein kleines Teleskop und hielt dem verständnislosen Hausdiener Vorträge über astronomische Themen.

Geboren wurde Eddington am 28. Dezember 1882 in Kendal, Nordengland, als Sohn einer Quäkerfamilie. Und es zeigte sich schnell, dass er das war, was man heute ein hochbegabtes Kind nennen würde. Schon mit 16 begann er ein Physikstudium in Manchester, mit 19 erreichte er seinen ersten akademischen Abschluss und wechselte danach auf das berühmte Trinity College in Cambridge. Nach seinem Masterabschluss fand er eine Stelle als Chefassistent des königlichen Astronomen an der Sternwarte Greenwich. Dort entwickelte er eine neue Methode, die Bewegung von Sternen zu messen. Das brachte ihm den Lehrstuhl für Astronomie in Cambridge ein. Wenig später, 1914, wurde er zum Leiter des dortigen Observatoriums berufen. Die Universität Cambridge konnte den überzeugten Pazifisten lange Zeit vor einer Einberufung zum Kriegsdienst bewahren, doch im Juni 1918 musste er sich vor einem Ausschuss des Kriegsministeriums verantworten. Dort stand Eddington für seine Überzeugung ein und erklärte:

„Meine Ablehnung des Krieges basiert auf religiösen Überzeugungen. Selbst wenn es die Kriegsdienstverweigerer wären, die den Unterschied zwischen Sieg und Niederlage machen, können wir der Nation nicht wirklich dienen, indem wir den göttlichen Willen missachten.“

Der Physikprofessor wäre für seine Überzeugung ins Gefängnis gegangen, doch man einigte sich auf einen historischen Kompromiss: Eddingtons Einberufung sollte ein weiteres Jahr zurückgestellt werden, um ihm die Möglichkeit zu geben, an einer Expedition teilzunehmen, die eine totale Sonnenfinsternis im Jahr 1919 beobachten wollte. Nun, er Krieg ging schneller zu Ende als man damals erwartet hatte, und Eddington konnte während der totalen Sonnenfinsternis am 29. Mai 1919 vor der westafrikanischen Küste sorglos seine Experimente durchführen. In seinem Tagebuch notierte er:

„Der Regen stoppte gegen Mittag, und gegen halb zwei kam langsam die Sonne heraus. Wir mussten darauf vertrauen, dass unsere Fotos etwas werden würden. Ich bekam von der Finsternis nichts mit, weil ich zu beschäftigt war, Platten zu wechseln. Nur ganz zu Beginn blickte ich kurz auf, um sicher zu gehen, dass die Verfinsterung begonnen hatte, und mittendrin ein kurzer Blick, um zu sehen, wie viele Wolken uns im Wege waren. Wir machten sechzehn Photographien. Sie alle zeigten die Sonne gut, aber die Wolken beeinträchtigten die Bilder der Sterne. Die letzten paar Photographien zeigen ein paar Bilder, von denen ich hoffe, dass sie uns geben, was wir brauchen.“

Was die Wissenschaftler brauchten, war die Bestätigung einer Vermutung von Albert Einstein. Der hatte in seiner allgemeinen Relativitätstheorie behauptet, dass eine Masse von der Größe der Sonne in der Lage sein müsse, den sie umgebenden Raum zu krümmen. Seiner Theorie zufolge müssten sonnennahe Sterne ein wenig verschoben erscheinen, weil ihr Licht durch das Gravitationsfeld der Sonne gekrümmt würde. Um diesen Effekt zu sehen, braucht man allerdings eine totale Sonnenfinsternis, denn normalerweise ist das Sonnenlicht zu hell. Deshalb war Eddington in Afrika, und seine Bemühungen waren von Erfolg gekrönt, denn die gemachten Fotos belegten Einsteins Voraussage und schlugen ein wie eine Bombe.

„Die Sterne sind nicht da, wo wir sie vermuten.“

Solche und ähnliche Schlagzeilen erschienen auf den Titelseiten der Zeitungen und machten Einstein und Eddington auf einen Schlag weltberühmt. Der Brite hatte Einsteins Arbeiten über die allgemeine Relativitätstheorie durch die Vermittlung eines holländischen Kollegen schon während des Krieges kennengelernt und war einer ihrer ersten Verfechter. Auf die Behauptung eines englischen Reporters, dass es angeblich nur drei Menschen auf der Welt gäbe, die die Theorie verstünden, soll Eddington geantwortet haben:

„Oh. Und wer ist der Dritte?“

1930 wurde Eddington in den Adelsstand erhoben. In seinen letzten Lebensjahren versuchte er vergeblich Quantenphysik und Relativitätstheorie zu einer fundamentalen Theorie zu vereinheitlichen. Sir Arthur Stanley Eddington starb am 22. November 1944.