Pinocchio als Wegweiser durchs Leben
Der achtjährige Noah läuft vor seiner sterbenden Mutter davon und landet in einem märchenhaften Spielzeugladen. Dort trifft er auf den gealterten Pinocchio, der ihm Schritt für Schritt zeigt, wie er mit dem kommenden Tod seine Mutter umgehen kann.
Märchen erzählen von den wesentlichen Themen des menschlichen Lebens auf scheinbar einfache Weise. Doch sie sind hintergründig, und hinter dem Schlichten verbergen sich oft ungeahnte Abgründe. So auch in John Boynes modernem Märchen "Der Junge mit dem Herz aus Holz". Der deutsche Titel spielt auf Pinocchio an, der Originaltitel "Noah Barleywater runs away" läßt mehr Spielraum für die Phantasie.
Der achtjährige Noah läuft von zu Hause weg. Erst im Lauf der Zeit wird durch Andeutungen klar, dass seine Mutter im Sterben liegt. Er läuft weg vor ihrem Tod. Noahs Wanderung führt ihn nach vielen märchenhaften Abenteuern in einen seltsamen Spielzeugladen voller Marionetten und Holzspielzeug. Auch hier passieren magische Dinge: eine Tür läuft, eine Uhr spricht, die Zeit steht still oder rennt davon. Der alte Spielzeugmacher hütet eine Schatztruhe voller Marionetten und erzählt Noah sein Leben. Wie er als Junge um die Welt rannte, Abenteuer erlebte und sein Versprechen, wieder nach Hause zu kommen, brach. So dass sein geliebter Vater alleine sterben musste. Da begreift Noah, was er tun muss.
John Boynes Märchen führt Noahs Geschichte und die des Spielzeugmachers parallel. Doch die traurigen Motive werden aufgefangen! Die Ausgangssituation, das Sterben der Mutter, ist zwar ernst. Noahs übrige Erinnerungen an Zuhause dagegen sind hell und freundlich. Außerdem betritt er eine Märchenwelt mit sprechenden Tieren, einem Zauberbaum und magischen Zahlen, die ein wenig übertrieben wirkt, verdreht und auch verrückt - wie eine verschmitzte Parodie. Und schließlich schält sich peu à peu heraus, dass der alte Holzschnitzer der alt gewordene Pinocchio selbst ist. Alle Bezüge zu Carlo Collodis Text zu entschlüsseln kann zum unterhaltsamen Spaß werden.
Nun wird auch klar, warum dieses Buch mit einem achtjährigen Helden erst für Zehnjährige empfohlen ist. So einfach Noahs Geschichte auf den ersten Blick wirkt, so vielschichtig und auch tiefsinnig ist sie. Jeder Leser wird darin entdecken, was er oder sie verkraften kann. Vom lustigen Märchen bis zur Geschichte vom Sterben der Mutter beziehungsweise des Vaters. Vom komischen Spielzeug-Sammelsurium bis zur ausdrücklichen Botschaft, mit dem eigenen Schicksal zufrieden zu sein. Die verschiedenen Erzählebenen sind auch optisch voneinander getrennt, die Kapitel vom Leben des alten Mannes sind in blauer Schrift gedruckt, Noahs Erlebnisse schwarz. Alle Motive zusammen erst machen dieses Buch zu einem spielerisch komponierten kleinen Kunst-Werk.
John Boynes Sprache kommt märchenhaft daher, leicht gedrechselt, bewusst altmodisch, aber immer mit einem Augenzwinkern. Sie changiert zwischen Ernst und Schmunzeln, verfällt auch in emotionalen Szenen nie in einen dramatischen oder pathetischen Ton. Boynes Erzählen schafft jene Geborgenheit, die Kinder brauchen, um auch anrührende Geschichten ohne Angst vor einem schwierigen Schluss allein zu Ende lesen zu können.
Besprochen von Sylvia Schwab
John Boyne: "Der Junge mit dem Herz aus Holz"
Aus dem Englischen von Adelheid Zöfel
Fischer Verlag, Frankfurt 2012
234 Seiten, 13,99 Euro, ab 10
Der achtjährige Noah läuft von zu Hause weg. Erst im Lauf der Zeit wird durch Andeutungen klar, dass seine Mutter im Sterben liegt. Er läuft weg vor ihrem Tod. Noahs Wanderung führt ihn nach vielen märchenhaften Abenteuern in einen seltsamen Spielzeugladen voller Marionetten und Holzspielzeug. Auch hier passieren magische Dinge: eine Tür läuft, eine Uhr spricht, die Zeit steht still oder rennt davon. Der alte Spielzeugmacher hütet eine Schatztruhe voller Marionetten und erzählt Noah sein Leben. Wie er als Junge um die Welt rannte, Abenteuer erlebte und sein Versprechen, wieder nach Hause zu kommen, brach. So dass sein geliebter Vater alleine sterben musste. Da begreift Noah, was er tun muss.
John Boynes Märchen führt Noahs Geschichte und die des Spielzeugmachers parallel. Doch die traurigen Motive werden aufgefangen! Die Ausgangssituation, das Sterben der Mutter, ist zwar ernst. Noahs übrige Erinnerungen an Zuhause dagegen sind hell und freundlich. Außerdem betritt er eine Märchenwelt mit sprechenden Tieren, einem Zauberbaum und magischen Zahlen, die ein wenig übertrieben wirkt, verdreht und auch verrückt - wie eine verschmitzte Parodie. Und schließlich schält sich peu à peu heraus, dass der alte Holzschnitzer der alt gewordene Pinocchio selbst ist. Alle Bezüge zu Carlo Collodis Text zu entschlüsseln kann zum unterhaltsamen Spaß werden.
Nun wird auch klar, warum dieses Buch mit einem achtjährigen Helden erst für Zehnjährige empfohlen ist. So einfach Noahs Geschichte auf den ersten Blick wirkt, so vielschichtig und auch tiefsinnig ist sie. Jeder Leser wird darin entdecken, was er oder sie verkraften kann. Vom lustigen Märchen bis zur Geschichte vom Sterben der Mutter beziehungsweise des Vaters. Vom komischen Spielzeug-Sammelsurium bis zur ausdrücklichen Botschaft, mit dem eigenen Schicksal zufrieden zu sein. Die verschiedenen Erzählebenen sind auch optisch voneinander getrennt, die Kapitel vom Leben des alten Mannes sind in blauer Schrift gedruckt, Noahs Erlebnisse schwarz. Alle Motive zusammen erst machen dieses Buch zu einem spielerisch komponierten kleinen Kunst-Werk.
John Boynes Sprache kommt märchenhaft daher, leicht gedrechselt, bewusst altmodisch, aber immer mit einem Augenzwinkern. Sie changiert zwischen Ernst und Schmunzeln, verfällt auch in emotionalen Szenen nie in einen dramatischen oder pathetischen Ton. Boynes Erzählen schafft jene Geborgenheit, die Kinder brauchen, um auch anrührende Geschichten ohne Angst vor einem schwierigen Schluss allein zu Ende lesen zu können.
Besprochen von Sylvia Schwab
John Boyne: "Der Junge mit dem Herz aus Holz"
Aus dem Englischen von Adelheid Zöfel
Fischer Verlag, Frankfurt 2012
234 Seiten, 13,99 Euro, ab 10