Picassos Frisör und seine Sammlung

Von Gregor Ziolkowski |
1948 lernte Pablo Picasso den Frisör Eugenio Arias kennen. Beide verband das Schicksal der Emigration. Ließ sich Picasso von Arias anfangs nur die Haare schneiden, entwickelte sich bald eine tiefe Freundschaft. Picasso schenkte "seinem" Frisör oft kleine Kunstwerke, die dieser sammelte und 1982 seiner Heimatstadt Buitrago schenkte. Dort ist das kleinste Picasso-Museum der Welt untergebracht.
Als der Putschgeneral Francisco Franco 1939 den Spanischen Bürgerkrieg zu seinen Gunsten entschieden hatte, bedeutete dies für eine halbe Million Spanier, die die Republik verteidigt hatten, die Flucht ins Exil, zunächst nach Frankreich. Unter ihnen: der 30-jährige Friseur Eugenio Arias aus Buitrago del Lozoya, Mitglied der Kommunistischen Partei.

Internierungs- und Arbeitslager, danach der Kampf in der Résistance gegen die deutschen Besatzer waren die Lebensumstände des Exilanten, der sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im südfranzösischen Vallauris niederließ. Er lebt dort bis heute, 96 Jahre alt, kann und mag keine Interviews mehr geben, aber eine noch unveröffentlichte spanische Video-Dokumentation mit dem Titel "Picasso – mein Freund im Exil" hat die Erinnerungen dieses Zeitzeugen festgehalten.

Eugenio Arias: "Ich lernte Picasso hier in Vallauris kennen, das war 1948. Wir waren einander zwar schon vorher kurz begegnet, aber unser erstes richtiges Zusammentreffen fand hier statt. Als ich am 20. Februar 1950 heiratete, war mein Trauzeuge Picasso."

Ein Gefallen ganz gewiss, den der weltberühmte Künstler nicht jedem erwies. Picasso war nach Vallauris gekommen, um sich vor allem Keramik-Arbeiten zuzuwenden und die dazugehörigen Techniken zu erlernen. Vallauris hatte eine zwar fast vergangene, aber durchaus ruhmreiche Tradition als Ort renommierter Keramik-Werkstätten.

Als Picasso erfuhr, dass es hier einen Friseur gab, der – wie er – Emigrant, Spanier und Kommunist war, überwand der Künstler seine schon legendäre Abneigung, sich von Fremden die Haare schneiden zu lassen.

Eugenio Arias: "Picasso kam oft und sagte: Arias, erzähl mir eine Geschichte, einen Witz oder so etwas, denn ein Tag ohne ein Lachen ist ein verlorener Tag. "

Es dürfte diese entspannte Menschlichkeit gewesen sein, die Picasso bei seinen Friseurbesuchen im Salon von Eugenio Arias zu schätzen wusste. Aus der gelegentlichen Notwendigkeit, sich die ohnehin spärlichen Haare schneiden zu lassen, wurde eine sehr private Beziehung, eine Freundschaft, die den Anlass des Haareschneidens kaum mehr brauchte.

Kam der Künstler anfangs in den Salon seines Friseurs, lud er ihn später zu sich nach Hause ein. Picasso mochte diesen einfachen, lebenslustigen und interessierten, dabei dem Kunstbetrieb mit seinen Eitelkeiten und Intrigen fern stehenden Landsmann und schenkte ihm gelegentlich ein kleines Werk aus seiner Produktion. So entstand eine private, geradezu intime Sammlung von mehr als 60 Stücken.

Eugenio Arias: "Zu den Sachen, die er mir geschenkt hatte, habe ich Picasso einmal gesagt: Das alles wird einmal in meinem Geburtsort landen. Er hat mich daraufhin umarmt und gesagt: Ich werde Dir dabei helfen. Und so ist das Picasso-Museum von Buitrago entstanden."

1982 – Franco war seit sieben Jahren tot, ein Putschversuch des Militärs war ein Jahr zuvor gescheitert – schenkte Arias seine Sammlung der Kleinstadt. Seit 1985 wird sie im Untergeschoß des Rathauses ausgestellt. Julián Alonso verwaltet diesen kleinen Fundus in Buitrago del Lozoya.

Julián Alonso: "Dieses Stück ist vielleicht das kurioseste in der Sammlung: eine Holzbrandgravur. Im Picasso-Werkkatalog von Christian Zervos taucht nur eine einzige Holzbrandgravur – nämlich diese – auf. Es ist ein Holzetui, das Picassos Kinder früher für ihre Stifte in der Schule benutzt hatten. Arias verwendete dieses Etui und transportierte darin seine Arbeitsgeräte, wenn er zu Picasso zum Haareschneiden fuhr. Eines Tages behielt Picasso das Etui und gab es ihm kurz darauf zurück – geschmückt mit diesen ins Holz gravierten Stierkampfmotiven und – wie auf praktisch allen Stücken der Sammlung – der Widmung: Für meinen Freund Arias. "

Der Stierkampf war eine gemeinsame Passion der beiden, häufig suchten sie gemeinsam die Arenen von Arles, Nimes oder Vallauris selbst auf, wenn dort eine corrida stattfand. Stierkampf-Motive finden sich auf vielen der Grafiken, Keramiken und Objekte, die Picasso seinem Freund überließ. Aber auch das politische Engagement, das die beiden verband, reflektiert sich in den Arbeiten.

Julián Alonso: "Diese ziemlich bekannte Grafik heißt "Gefangener mit Friedenstaube". Das Copyright gehört der Organisation amnesty international, die das Motiv auch oft verwendet hat. Das gleiche Motiv sehen wir auf dem Entwurf Picassos für ein Plakat zu einem Kongress in Paris 1959, auf dem die Freilassung der politischen Gefangenen des Franco-Regimes eingefordert wurde. Und als 1963 die Minenarbeiter in Asturien streikten, druckte Picasso diese Serie – wir sehen eine Hand, die eine Grubenlampe ergreift –, um mit dem Erlös aus dem Verkauf die Streikenden zu unterstützen. "

Auf einer der Widmungen Picassos steht: Für Eugenio Arias von seinem zweiten Vater. Nirgends sonst trifft man auf Picassos, die von soviel menschlicher Nähe durchdrungen sind.