Picasso bei Picasso
Seine weltweit erste Museumsausstellung hatte Pablo Picasso 1932 im Kunsthaus Zürich. Die Werke dafür hatte er persönlich ausgewählt. Nun kehren 70 der damals gezeigten Gemälde aus den berühmtesten internationalen Sammlungen zu einer sensationellen Schau nach Zürich zurück.
Er kam mit Chauffeur in einer Limousine, stieg mit Frau und Sohn in einem Luxushotel ab und ließ sich feiern und bewirten. Doch der Rummel lag ihm nicht, und als am Sonntagmorgen, dem 11. September 1932, seine Ausstellung im Kunsthaus Zürich eröffnet wurde, war Pablo Picasso schon wieder weg, buchstäblich über alle Berge, sagt der Kurator Tobia Bezzola:
„Er war aber zwei, drei Tage in Zürich, hat die Ausstellung angesehen, hat sie abgenommen, ein paar Sachen korrigiert noch, und ist dann weitergefahren noch in die Berge, dann auf der Rückfahrt noch durchs Elsass und dann wieder in Paris.“
Picasso war schon 51 Jahre alt und weltberühmt, und dass er sein Werk bis dahin noch nie in einem Museum ausgestellt hatte, war nicht so seltsam, wie es heute scheint. Denn Museen für moderne Kunst gab es damals kaum, nicht einmal in Paris.
„1932: Es gab nicht viele andere Möglichkeiten. Es hätte die großen deutschen Museen gegeben, aber 1932 war das politisch schon nicht mehr möglich.“
Zudem, es herrschte allenthalben Wirtschaftskrise, und dass Zürich schließlich den Zuschlag erhielt, hatte noch einen ganz banalen Grund:
„Weil das Kunsthaus als Kunstverein natürlich verkaufen konnte, weil das war auch eine Verkaufsausstellung.“
An Zeichnungen und Grafik wurde einiges verkauft, und das Kunsthaus selbst erwarb ein kubistisches Stillleben mit „Gitarre auf einem Tischchen“ von 1915, nachdem es den Preis fast auf die Hälfte heruntergehandelt hatte: 125.000 Franc. In einer Vitrine mit originalen Briefen und Telegrammen an und von Picasso kann man das Geschacher nachverfolgen.
„Die Rechnung ist nicht aufgegangen von Picasso und seinen Händlern, dass man da in Zürich noch wirklich hätte bedeutende Verkäufe tätigen können. Ge-mälde war das das einzige.“
34.000 Besucher kamen in neun Wochen, das war Rekord. Fotos von damals belegen, dass die 225 Gemälde in einem kuriosen Mix gehängt waren.
„Wir würden das heute nicht mehr so machen. Es war ziemlich wild.“
Das Publikum war denn auch ordentlich verwirrt, denn es rechnete auch bei Picasso mit einer nachvollziehbaren Stilfolge.
„Das ist ja so ab den 20er-Jahren bei Picasso nicht mehr der Fall, sondern da macht er durchaus morgens ein klassizistisches Bild und nachmittags dann ein surrealistisches.“
Und noch etwas war völlig ungewöhnlich an der Schau:
„Dass der Künstler selbst eigentlich die Feder geführt hat. Das ist Picasso bei Picasso. Es gab kein Bild in der Ausstellung, wo er nicht zugestimmt hätte, dass das ge-zeigt war. Die Konzeption, die kuratorische, der Ausstellung trägt die Handschrift von Picasso.“
Natürlich hat man für die jetzige Schau nicht alles bekommen, was damals an den Wänden hing. Aber wir sehen eingangs das schlichte Originalplakat und den Katalog von damals, dazu vergilbte Leihlisten, Fotos und Korrespondenz, und dann – ja, eine wirklich hinreißende Folge von Picasso-Werken, wie man sie lange nicht erlebt hat.
Die Schau zerfällt in zwei Teile, streng chronologisch gehängt; der erste Teil vor olivgrünen Wänden. Zunächst eine Handvoll früher Bilder, beginnend mit einem „Springbrunnen“ aus Barcelona von 1899. Dann Beispiele aus Picassos blauer und rosa Periode, darunter die traumhaft schöne blaue „Frau im Hemd“ von 1905 aus der Londoner Tate Gallery, und schließlich in geradezu atemberaubender Dichte der Kubismus, fast schulbuchmäßig vorgeführt, dazu etliche Beispiele aus Picassos klassischer Periode.
Dann öffnet sich der Raum ins Licht, vor weißen Wänden präsentiert man Picassos damals aktuelle Produktion: surrealistische Fantasiefiguren, abstrakte Stillleben und Porträts – Picasso auf dem Zenit seines Schaffens.
„Man kann durchaus sagen, dass eigentlich fast nichts fehlt, was man von Picasso sehen möchte.“
Heute flößen uns alleine schon die horrenden Kunstmarktpreise den nötigen Respekt vor diesen Bildern ein. 1932 war das anders. Einfach „scheußlich“ fand der Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung Picassos Kunst und schaltete sich in die heftige Debatte um die Züricher Schau mit einer denkwürdigen Diagnose ein.
„Jung hat in der Neuen Zürcher Zeitung einen längeren Beitrag veröffentlicht, wo er von der Warte des Seelenarztes nachzuweisen versucht, dass die Bilder von Picasso eigentlich Ausdruck eines zutiefst kranken, schizophrenen Geistes seien, was natürlich vor dem Hintergrund der Zeit ein bisschen heikel ist.“
Es sind gerade solche Aspekte, die diese nachgestellte Schau in Zürich so spannend machen. Sie lässt Kunstgeschichte lebendig werden und wirft ein Schlaglicht auf die Rezeptionsgeschichte dieses Künstlers, die sich von Jungs Diagnose niemals ganz erholt hat: Bis heute ist Picasso populär als Synonym für kranke Kunst. Und dafür ist dann eine Schau wie diese wohl die beste Medizin.
Die Ausstellung ist bis zum 30. Januar 2011 im Kunsthaus Zürich zu sehen.
„Er war aber zwei, drei Tage in Zürich, hat die Ausstellung angesehen, hat sie abgenommen, ein paar Sachen korrigiert noch, und ist dann weitergefahren noch in die Berge, dann auf der Rückfahrt noch durchs Elsass und dann wieder in Paris.“
Picasso war schon 51 Jahre alt und weltberühmt, und dass er sein Werk bis dahin noch nie in einem Museum ausgestellt hatte, war nicht so seltsam, wie es heute scheint. Denn Museen für moderne Kunst gab es damals kaum, nicht einmal in Paris.
„1932: Es gab nicht viele andere Möglichkeiten. Es hätte die großen deutschen Museen gegeben, aber 1932 war das politisch schon nicht mehr möglich.“
Zudem, es herrschte allenthalben Wirtschaftskrise, und dass Zürich schließlich den Zuschlag erhielt, hatte noch einen ganz banalen Grund:
„Weil das Kunsthaus als Kunstverein natürlich verkaufen konnte, weil das war auch eine Verkaufsausstellung.“
An Zeichnungen und Grafik wurde einiges verkauft, und das Kunsthaus selbst erwarb ein kubistisches Stillleben mit „Gitarre auf einem Tischchen“ von 1915, nachdem es den Preis fast auf die Hälfte heruntergehandelt hatte: 125.000 Franc. In einer Vitrine mit originalen Briefen und Telegrammen an und von Picasso kann man das Geschacher nachverfolgen.
„Die Rechnung ist nicht aufgegangen von Picasso und seinen Händlern, dass man da in Zürich noch wirklich hätte bedeutende Verkäufe tätigen können. Ge-mälde war das das einzige.“
34.000 Besucher kamen in neun Wochen, das war Rekord. Fotos von damals belegen, dass die 225 Gemälde in einem kuriosen Mix gehängt waren.
„Wir würden das heute nicht mehr so machen. Es war ziemlich wild.“
Das Publikum war denn auch ordentlich verwirrt, denn es rechnete auch bei Picasso mit einer nachvollziehbaren Stilfolge.
„Das ist ja so ab den 20er-Jahren bei Picasso nicht mehr der Fall, sondern da macht er durchaus morgens ein klassizistisches Bild und nachmittags dann ein surrealistisches.“
Und noch etwas war völlig ungewöhnlich an der Schau:
„Dass der Künstler selbst eigentlich die Feder geführt hat. Das ist Picasso bei Picasso. Es gab kein Bild in der Ausstellung, wo er nicht zugestimmt hätte, dass das ge-zeigt war. Die Konzeption, die kuratorische, der Ausstellung trägt die Handschrift von Picasso.“
Natürlich hat man für die jetzige Schau nicht alles bekommen, was damals an den Wänden hing. Aber wir sehen eingangs das schlichte Originalplakat und den Katalog von damals, dazu vergilbte Leihlisten, Fotos und Korrespondenz, und dann – ja, eine wirklich hinreißende Folge von Picasso-Werken, wie man sie lange nicht erlebt hat.
Die Schau zerfällt in zwei Teile, streng chronologisch gehängt; der erste Teil vor olivgrünen Wänden. Zunächst eine Handvoll früher Bilder, beginnend mit einem „Springbrunnen“ aus Barcelona von 1899. Dann Beispiele aus Picassos blauer und rosa Periode, darunter die traumhaft schöne blaue „Frau im Hemd“ von 1905 aus der Londoner Tate Gallery, und schließlich in geradezu atemberaubender Dichte der Kubismus, fast schulbuchmäßig vorgeführt, dazu etliche Beispiele aus Picassos klassischer Periode.
Dann öffnet sich der Raum ins Licht, vor weißen Wänden präsentiert man Picassos damals aktuelle Produktion: surrealistische Fantasiefiguren, abstrakte Stillleben und Porträts – Picasso auf dem Zenit seines Schaffens.
„Man kann durchaus sagen, dass eigentlich fast nichts fehlt, was man von Picasso sehen möchte.“
Heute flößen uns alleine schon die horrenden Kunstmarktpreise den nötigen Respekt vor diesen Bildern ein. 1932 war das anders. Einfach „scheußlich“ fand der Schweizer Psychiater Carl Gustav Jung Picassos Kunst und schaltete sich in die heftige Debatte um die Züricher Schau mit einer denkwürdigen Diagnose ein.
„Jung hat in der Neuen Zürcher Zeitung einen längeren Beitrag veröffentlicht, wo er von der Warte des Seelenarztes nachzuweisen versucht, dass die Bilder von Picasso eigentlich Ausdruck eines zutiefst kranken, schizophrenen Geistes seien, was natürlich vor dem Hintergrund der Zeit ein bisschen heikel ist.“
Es sind gerade solche Aspekte, die diese nachgestellte Schau in Zürich so spannend machen. Sie lässt Kunstgeschichte lebendig werden und wirft ein Schlaglicht auf die Rezeptionsgeschichte dieses Künstlers, die sich von Jungs Diagnose niemals ganz erholt hat: Bis heute ist Picasso populär als Synonym für kranke Kunst. Und dafür ist dann eine Schau wie diese wohl die beste Medizin.
Die Ausstellung ist bis zum 30. Januar 2011 im Kunsthaus Zürich zu sehen.