Philosophischer Wochenkommentar

Der Politikerinnen neue Kleider

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Annegret Kramp-Karrenbauer, Saarlands Ministerpräsidentin (l, CDU) stehen auf einer Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus zusammen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Annegret Kramp-Karrenbauer (links) während der Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus. © Kay Nietfeld / dpa
Von Beate Rössler · 25.02.2018
Im rosa-weißen Kleid hat sich Annegret Kramp-Karrenbauer als designierte CDU-Generalsekretärin präsentiert. Das zeigt: Es ist beinahe selbstverständlich, wenn Frauen politische Macht übernehmen. Sie brauchen sich nicht mehr männlicher als die Männer zu kleiden.
Als Angela Merkel diese Woche ihre neue Generalsekretärin vorstellte, wurde in den Blicken, die die beiden wechselten, nicht nur die gemeinsame Freude über den gelungenen Coup deutlich, sondern auch viel gegenseitiger Respekt und Anerkennung. Frau Merkel in knalligem Grün und Frau Kramp-Karrenbauer in rosa-weißem Streifen-Kleid, so präsentierten sie den neuen Frauenton in der CDU.
Ich muss zugeben, dass ich mich gefreut habe – nicht nur über den eigenwilligen Vorschlag zur Generalsekretärin, auch gerichtet gegen die konservativen Kritiker der Kanzlerin, sondern auch über die Umgangsform und über die neue Kleiderordnung.

Mehr Frauen bedeutet nicht automatisch bessere Politik

Noch vor zehn, 15 Jahren wäre das so nicht möglich gewesen – no nonsense war Pflicht, mindestens in der CDU: also dunkler Hosenanzug, helle Bluse oder, im Von-der-Leyen-Stil: verhaltenes Kostüm mit einer Mischung aus elegant und streng.
Warum ist das wichtig? Weil es zeigt, dass es mittlerweile beinahe selbstverständlich ist, wenn Frauen politische Macht übernehmen. Sie brauchen nicht mehr männlicher als die Männer zu sein und sie brauchen das auch nicht mehr in ihren Auftritten zu demonstrieren.
Ich will nicht übertreiben, aber einen gewissen verhaltenen Optimismus kann man sich hier leisten: Die Quotendiskussionen haben also doch geholfen. Langsam kommen Risse in die gläserne Decke.
Mehr Frauen in der Politik, das sollte klar sein, bedeutet nicht automatisch eine bessere Politik: Das kann aber auch nicht der Punkt sein. Denn die Sache, um die es geht, ist gleiche Freiheit.
Wenn also mehr Frauen gefordert werden – in der Politik, im Filmgeschäft, an den Universitäten -, dann wird nicht eine bessere Politik, bessere Filme, bessere Forschung gefordert. Obwohl man nicht ausschließen sollte, dass genau dies eine Konsequenz ist.
Es geht vielmehr um die Verteilung von Macht, um die Ermöglichung von gleichen Freiheiten und damit um Gerechtigkeit.

Weniger peinliche Witze, weniger Anmache

Das bedeutet natürlich auch zumindest den Anfang einer besseren Kultur - denn mehr Merkels oder Kramp-Karrenbauers heißt: weniger Machtmissbrauch gegenüber Frauen, weniger peinliche Witze, weniger Anmache, weniger Hahnenkämpfe – und eben auch eine neue Kleiderordnung.
Die Selbstverständlichkeit, mit der uns hier vorgeführt wurde, dass Frauen ihre politische Rolle auf ihre eigene Art spielen können, sich gegenseitig stützen, respektieren, fördern, allein schon in dieser Selbstverständlichkeit liegt ein emanzipatorischer Fortschritt.
Ja, ich weiß, das sollte man nicht übertreiben – Frau Kramp-Karrenbauer bildet sicher nicht die Speerspitze feministischer Politik.
Natürlich kann man einwenden, dass mit Frau Kramp-Karrenbauer nur wieder die traditionelle Hetero-Frau eine Chance bekommen hat und dass dies die Diskriminierung von sexuellen Minderheiten nur verstärkt, nicht verhindert. Doch das stimmt nicht: Denn gerade Diskussionen wie die Genderdebatte haben zu dieser neuen Selbstverständlichkeit beigetragen, weil mittlerweile alle Frauenthemen zwanglos auf der öffentlichen Agenda stehen und alle Frauen gleiche Freiheiten fordern.
Deshalb kann man sich über Merkels Coup freuen: Denn die Sichtbarkeit und Selbstverständlichkeit der CDU-Frauen hat, so kann man hoffen, Auswirkungen auf alle anderen gesellschaftlichen Bereiche.
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