Philosophischer Kommentar zu Söders "Bavaria One"

Make Space Great Again!

03:42 Minuten
Eine Montage in der das Gesicht von Markus Söder in ein Bild aus dem Comic "Unser Mann im All" montiert ist.
Unser Mann im All? Markus Söder - ein Kandidat hebt ab. © picture alliance / dpa / Sven Simon / Montage: DLF Kultur
Von David Lauer · 07.10.2018
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Kurz vor der Landtagswahl stellt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder die Weltraummission „Bavaria One“ vor – mit eigenem Konterfei. Das ist nicht nur skurril, sondern auch ein bisschen traurig, kommentiert David Lauer.
Der Weltraum – unendliche Weiten. Aber mit der Ruhe in ihnen ist es vorbei. Wir schreiben das Jahr 2018. Die Internet-Milliardäre Jeff Bezos und Elon Musk liefern sich mit ihren jeweiligen Firmen einen beinharten Kampf um Marktanteile an einer zukünftigen kommerziellen Raumfahrt. Der amerikanische Präsident Donald Trump fabuliert von der Gründung einer militärischen "Space Force", um den Weltraum zur gewaltsamen Durchsetzung von Interessen nutzen zu können, die er für die amerikanischen ausgibt.
Und als wäre all das nicht schon schlimm genug, springt der ebenfalls um seine Wiederwahl kämpfende bayerische Ministerpräsident Markus Söder auch noch auf die Rakete und kündigt zwei Wochen vor der Bayern-Wahl ein bayerisches Raumfahrtprogamm an – unter anderem mit dem Ziel, einen bayerischen Satelliten ins All zu schießen. Der Name des Programms: "Bavaria One". (Man darf vermuten, dass "Bayern Eins" einfach bereits vergeben war.) Dazu lässt sich der Ministerpräsident vor einem Logo fotografieren, das sein eigenes Konterfei im Stil des späten Captain Future zeigt.

Der Weltraum als Bühne für peinliche Aufschneider

Man darf also zusammenfassend wohl sagen: Der Weltraum ist auch nicht mehr, was er einmal war, seit er zum "battleground" politischer und wirtschaftlicher Alphatiere und ihrer mehr oder weniger persönlichen strategischen Interessen geworden ist. Er wirkt wie ein heruntergekommenes Grand Hotel in einem ehemals noblen Kurort, wo einst der Adel vornehm dinierte, während sich heute nur noch geschmacklose Neureiche, peinliche Aufschneider und zwielichtige Glücksritter an der Bar herumdrücken. Ach, es blutet einem als Philosoph das Herz!
Juri Gagarin, der erste Mensch im All
Juri Gagarin, der erste Mensch im All © Roscosmos
Denn als die Eroberung des Weltraums vor fast sechzig Jahren begann, offenbarte sie ein ganz anders gelagertes Potential. 1961 hatte der sowjetische Kosmonaut Jurij Gagarin als erster Mensch die Erde in einem Raumschiff umkreist. Ein Jahr später pries der große jüdische Moralphilosoph Emanuel Levinas in seinem Essay "Heidegger, Gagarin und wir" diesen Moment als einzigartige Chance: Zum ersten Mal war es durch die Raumfahrttechnik möglich geworden, die Welt aus dem All von außen zu betrachten, in einem globalen Blick, der jeden lokalen irdischen Kontext sprengte. Für Levinas eröffnete dies die Möglichkeit, die unbedingte moralische Unantastbarkeit jedes Menschen als Individuum gleichsam sinnlich zu erfahren.

Die Weite des Alls und das Wesen der Moral

Mit dieser Verknüpfung des Blicks aus dem Weltraum mit dem moralischen Universalismus nahm er ein Motiv Immanuel Kants auf, drehte jedoch dessen Blickrichtung um. Kant hatte ebenfalls die Universalität der Moral und die Unendlichkeit des Weltraums miteinander in Beziehung gesetzt, jedoch – zeitbedingt – von der Erde aus in den Himmel schauend: "Zwei Dinge", so Kant im tausendfach zitierten Schlusswort seiner "Kritik der praktischen Vernunft", "erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht […]: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir."
Man möchte ein Programm ausrufen, diese Verknüpfung wieder im Bewusstsein der Möchtegern-Raumfahrer unserer Tage zu verankern. Ich wüsste schon einen Namen: Make space great again.
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