Philosophisch, ironisch, erhellend
Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass der amerikanische Künstler John Baldessari im Juni mit dem Goldenen Löwen der Kunstbiennale Venedig für sein Lebenswerk geehrt wird. Das dürfte der Ausstellung des Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museums im "Haus Lange" besondere Aufmerksamkeit sichern. Denn Baldessari verwandelte das ganze Gebäude – von außen und von innen – in ein minimalistisches Gesamtkunstwerk.
Da stimmt doch was nicht. Schon im Vorbeifahren nimmt man aus dem Augenwinkel wahr, dass etwas passiert ist mit dem Ensemble aus ineinander verschachtelten Kuben, aus denen Mies van der Rohe das "Haus Lange" konstruiert hat – eine Ikone der Bauhausarchitektur und schon seit mehr als 50 Jahren eine Dependance des Krefelder Kaiser-Wilhelm-Museums. Das Haus hat keine Fenster mehr, die Mauern aus rotem Backstein sind zu geschlossenen Flächen geworden, die auflockernde Gliederung der weißen Fensterrahmen fehlt und die geometrische Strenge der Baumassen bekommt etwas Archaisch-Wuchtiges. So fern jedem alltäglichen Zweck, so jenseitig-sakral wie die Pyramiden.
Nur direkt über dem Eingang ist ein Fenster offen geblieben: Dahinter blinkt wie bei einer Schaufensterdekoration Licht auf, und darüber wölbt sich eine riesige Augenbraue, der Pop-Art entlehnt. Wenn man darunter ins Innere des Hauses eintritt, normalerweise weiß und lichtdurchflutet, ist die Verblüffung womöglich noch größer als draußen. Baldessari hat alle Wände mit der Fototapete der Ziegelmauern bekleben lassen, die auch verwendet wurde, um die Fensteröffnungen von außen zu verkleiden. Es ist dunkel, labyrinthisch, klaustrophobisch, und völlig surreal leuchten aus den geschlossenen Fensternischen Fotos einer tropischen Landschaft, mit blauem Meer, Palmen, sonnenverbrannten Feldern. Und dazwischen riesige weiße Skulpturen von Baldessari: ein Sofa in Form eines Ohrs, Kopf stehende Nasen, in deren Löchern Blumenzweige stecken. Die schroffe Konfrontation minimalistischer Strenge mit der Ästhetik der Pop-Art, ja der Reklame, ist typisch für den inzwischen 78-Jährigen, der als Mitbegründer der Konzeptkunst gilt.
"An artist needs something to react to or work against and I like Mies van der Rohe's architecture a lot, but I like to work on the contrary to his idea, he is the quintessential modernist architect, so you could say I am taking a post-modernist stand to that."
Dem bewunderten Mies van der Rohe etwas entgegensetzen, aus der Reibung Funken schlagen und dem Säulenheiligen des Modernismus als Vertreter der Postmoderne begegnen – so beschreibt Baldessari seine Idee für das Gesamtkunstwerk im Haus Lange. Es ist ein irritierendes Spiel mit Gegensätzen: Bei der Architektur betont Baldessari durch seine Eingriffe die monumentale Strenge, zugleich setzt er mit seinen weichen, verspielten, fast ein wenig verkitschten Objekten einen Kontrapunkt. Museumsdirektor Dr. Martin Hentschel sieht Baldessari als souveränen Grenzgänger zwischen Satire und tieferer Bedeutung.
"Es ist ironisch, humorvoll und bissig, in der Auseinandersetzung mit dem Haus, mit Mies, es ist ne direkte Attacke fast gegen Mies, die aber zugleich witzig gemeint ist, ne Attacke mit Augenzwinkern, man wird ja schon mit einem Augenzwinkern empfangen, das ist eine Metapher, wie man das Haus als Ganzes sehen muss."
Wie in einem Spiegelkabinett bewegt man sich durch immer neue Aspekte, die Baldessari Mies van der Rohe und der Architektur abgewinnt: intelligent, fundiert, witzig. Das Spannungsverhältnis zwischen Innen- und Außenraum zum Beispiel, ein grundlegendes Thema der Bauhaus-Bauten. Durch die großen Fenster, die wie gerahmte Bilder die Natur ins Haus holen, wollte der Architekt eine Brücke schlagen zwischen innen und außen. Der Konzeptkünstler Baldessari folgt ihm so radikal, dass die Idee dabei unversehens Kopf steht. Er holt mit seiner Ziegeltapete das Äußere des Hauses im wahrsten Sinnen des Wortes nach innen, und die bunten Fotos, die Aussichten zu eröffnen scheinen, machen dem Betrachter sein Eingesperrtsein nur um so deutlicher bewusst. Philosophisch, ironisch, erhellend, anregend ist diese Installation von einem Groß- und Altmeister der Konzeptkunst, und auch dem Blick auf Mies van der Rohe eröffnet sie neue Perspektiven.
Baldessari
1. März – 1. Juni 09
Museum Haus Lange
di-so 11-17
02151 / 975 580
www.kunstmuseenkrefeld.de
Nur direkt über dem Eingang ist ein Fenster offen geblieben: Dahinter blinkt wie bei einer Schaufensterdekoration Licht auf, und darüber wölbt sich eine riesige Augenbraue, der Pop-Art entlehnt. Wenn man darunter ins Innere des Hauses eintritt, normalerweise weiß und lichtdurchflutet, ist die Verblüffung womöglich noch größer als draußen. Baldessari hat alle Wände mit der Fototapete der Ziegelmauern bekleben lassen, die auch verwendet wurde, um die Fensteröffnungen von außen zu verkleiden. Es ist dunkel, labyrinthisch, klaustrophobisch, und völlig surreal leuchten aus den geschlossenen Fensternischen Fotos einer tropischen Landschaft, mit blauem Meer, Palmen, sonnenverbrannten Feldern. Und dazwischen riesige weiße Skulpturen von Baldessari: ein Sofa in Form eines Ohrs, Kopf stehende Nasen, in deren Löchern Blumenzweige stecken. Die schroffe Konfrontation minimalistischer Strenge mit der Ästhetik der Pop-Art, ja der Reklame, ist typisch für den inzwischen 78-Jährigen, der als Mitbegründer der Konzeptkunst gilt.
"An artist needs something to react to or work against and I like Mies van der Rohe's architecture a lot, but I like to work on the contrary to his idea, he is the quintessential modernist architect, so you could say I am taking a post-modernist stand to that."
Dem bewunderten Mies van der Rohe etwas entgegensetzen, aus der Reibung Funken schlagen und dem Säulenheiligen des Modernismus als Vertreter der Postmoderne begegnen – so beschreibt Baldessari seine Idee für das Gesamtkunstwerk im Haus Lange. Es ist ein irritierendes Spiel mit Gegensätzen: Bei der Architektur betont Baldessari durch seine Eingriffe die monumentale Strenge, zugleich setzt er mit seinen weichen, verspielten, fast ein wenig verkitschten Objekten einen Kontrapunkt. Museumsdirektor Dr. Martin Hentschel sieht Baldessari als souveränen Grenzgänger zwischen Satire und tieferer Bedeutung.
"Es ist ironisch, humorvoll und bissig, in der Auseinandersetzung mit dem Haus, mit Mies, es ist ne direkte Attacke fast gegen Mies, die aber zugleich witzig gemeint ist, ne Attacke mit Augenzwinkern, man wird ja schon mit einem Augenzwinkern empfangen, das ist eine Metapher, wie man das Haus als Ganzes sehen muss."
Wie in einem Spiegelkabinett bewegt man sich durch immer neue Aspekte, die Baldessari Mies van der Rohe und der Architektur abgewinnt: intelligent, fundiert, witzig. Das Spannungsverhältnis zwischen Innen- und Außenraum zum Beispiel, ein grundlegendes Thema der Bauhaus-Bauten. Durch die großen Fenster, die wie gerahmte Bilder die Natur ins Haus holen, wollte der Architekt eine Brücke schlagen zwischen innen und außen. Der Konzeptkünstler Baldessari folgt ihm so radikal, dass die Idee dabei unversehens Kopf steht. Er holt mit seiner Ziegeltapete das Äußere des Hauses im wahrsten Sinnen des Wortes nach innen, und die bunten Fotos, die Aussichten zu eröffnen scheinen, machen dem Betrachter sein Eingesperrtsein nur um so deutlicher bewusst. Philosophisch, ironisch, erhellend, anregend ist diese Installation von einem Groß- und Altmeister der Konzeptkunst, und auch dem Blick auf Mies van der Rohe eröffnet sie neue Perspektiven.
Baldessari
1. März – 1. Juni 09
Museum Haus Lange
di-so 11-17
02151 / 975 580
www.kunstmuseenkrefeld.de