Philosophin Janina Loh über Roboter-Ethik

Echte Gefühle für künstliche Helfer

38:38 Minuten
Die Philosophin Janina Loh sitzt am Tisch und blickt auf einen kleinen weissen Roboter ihr gegenüber.
Maschine, wie frei bist du? Die Philosophin Janina Loh entwickelt Kriterien für die Autonomie von Apparaten. © Andrea Vollmer
Moderation: Christian Möller |
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Können Roboter moralisch handeln? Nicht aus freien Stücken, sagt die Philosophin Janina Loh. Aber in das Design und die Programmierung fließen viele ethische Entscheidungen ein – besonders für den Einsatz beim Militär und in der Pflege.
Roboter sind längst keine Science-Fiction mehr. In Fabriken arbeiten sie mit Menschen Seite an Seite. In anderen Bereichen rücken sie uns noch näher. Wo sie etwa als Helfer in der Pflege eingesetzt werden, braucht es ethische Regeln für den Maschinenpark. Das beginnt schon beim Design der Roboter.

Roboter als Pflegekräfte und Gefährten

"Gerade bei Pflegerobotern ist es enorm wichtig, dass sie eine Gestalt haben, die für Menschen vertrauenerweckend ist, " sagt Janina Loh, Philosophin an der Universität Wien und Verfasserin einer Einführung in die Roboterethik. "Weil diese Roboter dazu gemacht sind, im direkten, auch häufig intimen Nahbereich der Menschen zum Einsatz zu kommen, könnten sie ihre Aufgaben nicht erfüllen, wenn die Menschen sich von ihnen abgeschreckt fühlen würden."
Wenn Pflegeroboter Menschen aus dem Bett oder auf die Toilette heben sollen, ist Vertrauen in die Maschine essenziell. Andere Roboter werden in der Pflege eingesetzt, um Menschen mit Demenz Gesellschaft zu leisten. Sie haben zum Beispiel die Gestalt eines flauschigen Robbenbabys und rufen bei Patientinnen und Patienten durchaus positive emotionale Reaktionen hervor. Aber handelt es sich dabei nicht um eine bewusste Täuschung? Wird alten und oft einsamen Menschen damit nicht der Kontakt zu einem lebendigen Wesen vorgegaukelt und zugleich vorenthalten?
Portrait der Philosophin Janina Loh.
Regeln für den Maschinenpark: Die Technikphilosophin Janina Loh forscht an der Universität Wien zu Verantwortung und Ethik in den Wissenschaften.© Andrea Vollmer
Janina Loh kann hier keine Täuschung erkennen. Sie betrachte es als eine sehr positive Fähigkeit, dass Menschen sich emotional "auf ein Gegenüber einstellen können, ob menschlich, tierisch oder eben auch maschinell." Dasselbe Potenzial erlaube es uns schließlich auch, in der Kunst mit erfundenen Charakteren mitzufühlen:
"Da können wir ganz problemlos mit Romanfiguren mitfiebern und uns im Theater mit den Gestalten auf der Bühne identifizieren und da auch große Emotionen verspüren. Und wir haben nicht das Gefühl, dass wir da getäuscht werden, sondern es ist einfach eine Möglichkeit, die wir in unserem menschlichen Wesen haben, die wir da ausschöpfen."

Ethische Ansprüche auch für Staubsaugerroboter

Roboter in Romanen, Theaterstücken, Fernseh- oder Kinofilmen sind uns Menschen oft zum Verwechseln ähnlich. Daher werfen sie besondere moralische Fragen auf, die ihr Bewusstsein, ihre Anerkennung als eigenständige Persönlichkeit oder ihre Fähigkeit betreffen, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen.
In der Realität haben die meisten Roboter mit Menschen wenig gemein. Trotzdem sind sie mit einer ganzen Reihe von ethischen Ansprüchen konfrontiert, die klare Regeln erfordern. Muss einem Staubsaugerroboter einprogrammiert werden, dass er nicht über den Schwanz der Katze fahren darf? Sollte es ihm verboten sein, Marienkäfer einzusaugen, wie es der Technikphilosoph und Informatiker Oliver Bendel für seinen Haushaltsroboter "Ladybird" vorsieht? Und wie steht es mit anderen Kleintieren im Haus? Zum Beispiel Spinnen, die viele Menschen nützlich finden, andere Leute aber für eklig oder gruselig halten und auf keinen Fall in der Wohnung haben möchten?

Krieg der Maschinen: Wer entscheidet über Freund und Feind?

Janina Loh nennt vier ethische Fragenkomplexe, die bei der Konstruktion jedes Roboters mit bedacht werden sollten. Sie betreffen seine Autonomie, sein Design, Probleme der Datensicherheit und den Kontext der Anwendung. So stelle sich gerade im Bereich der Pflege die Frage, welche Risiken und Chancen der Einsatz von Robotern für Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger mit sich bringe.
Ein Einsatzbereich, in dem die Autonomie der Apparate besonders sorgfältig abgewogen werden sollte, sei das Militär – neben der Industrie das Feld, in das das meiste Geld für die Entwicklung von Robotern fließe, so Loh. Schon wenn es darum gehe, mit Hilfe von Robotern "bestimmte Ziele als feindliche Objekte einzustufen oder eben auch nicht", laste auf den Entwicklern, Programmierern und Trainern der Maschinen eine enorme Verantwortung. Ob technische Systemen darüber hinaus auch in die Lage versetzt werden sollten, solche Ziele selbstständig anzugreifen, erscheine ihr "sehr fraglich".

Auch Roboter verdienen eine faire Behandlung

Und wie steht es mit unserem Verhalten gegenüber Robotern? Gelten auch dafür ethische Kriterien? In der Roboterethik werde diese Frage mit der Überlegung verknüpft, inwiefern jede Handlung auf die Handelnden selbst zurückwirke, erklärt Janina Loh. So warne etwa die Juristin und Roboter-Ethikerin Kate Darling davor, dass wir selbst moralisch verrohen könnten, wenn wir Maschinen schlecht behandeln. Darling, die am Media Lab des MIT in Cambridge erforscht, welche Art von Beziehungen Menschen zu Robotern aufbauen, nehme dabei ein Argument des Philosophen Immanuel Kant wieder auf:
"Kant hat schon gesagt, dass das moralisch verwerfliche Verhalten gegenüber Tieren auf uns Menschen zurückspielt und dass, wenn wir ein Pferd beispielsweise schlecht behandeln, wir dadurch moralisch degenerieren. Und genau dasselbe, so Kate Darling, gilt eben auch für den Umgang mit Robotern."
Ob Roboter je in der Lage sein werden, Intelligenz und ein eigenes Bewusstsein zu entwickeln, sei daher gar nicht so entscheidend, sagt Janina Loh. Diese Frage sei bis auf weiteres nicht empirisch zu beantworten. Aus ihrer Sicht komme es deshalb eher darauf an, dass wir versuchen, "mit jeder Form von menschlichem und nichtmenschlichem Gegenüber ein angemessenes und gutes moralisches Verhalten herauszufinden".
(fka)

Janina Loh: Roboterethik. Eine Einführung
Suhrkamp, Berlin 2019
241 Seiten, 18 Euro

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