Philosoph und Komiker

04.06.2007
Vor 125 Jahren wurde Karl Valentin in München geboren. Aus diesem Anlass hat der Piper Verlag die erstmals 1971 erschienene Valentin-Biographie "Du bleibst da und zwar sofort! Mein Vater Karl Valentin" neu herausgebracht. Mit viel Humor beschreibt Bertl Valentin darin die private Seite ihres Vaters.
Ein Kritiker fasste es so zusammen: "Amerika hat Charlie Chaplin, Deutschland hat Karl Valentin." Vor 125 Jahren wurde der Komiker in München geboren, Anlass genug für die Deutsche Bundespost am 14. Juni sogar eine 45-Cent-Sonderbriefmarke mit Karl Valentin herauszubringen, und auch Anlass genug für den Piper-Verlag, noch einmal die erstmals 1971 erschienene Valentin-Biographie, geschrieben von dessen Tochter Bertl (gestorben 1985), neu herauszubringen, - mit dem Titel: "Du bleibst da und zwar sofort ! Mein Vater Karl Valentin."

Das Buch hält, was es verspricht, denn auch privat war Valentin genauso eigensinnig wie als Künstler. Einmal kaufte Valentin zehn chinesische Tanzmäuse, damit sich die Hauskatze Mulli nicht langweilte. Als seine Tochter Bertl einen "blauen Brief" von der Schule bekam, sagte Valentin nur: "Macht nix, besser ein dummes Kind als ein krankes Kind", und lud sie zum Kuchenessen in die Konditorei ein.

Bertl Valentin hat die Biographie chronologisch angelegt. Stark subjektiv aus der Familiensicht und gleichzeitig als lückenlose, objektive Übersicht der Stationen und der Wirkungsgeschichte von Valentins Karriere, von ihm selbst gesehen und von seinen Zeitgenossen. Zitate nehmen dabei einen großen Raum ein. Das Buch hat 174 Seiten, die sich auf prall gefüllte 48 Kapitel aufteilen, die dann zum Beispiel Überschriften tragen wie: "Mäuse und Katzen", oder "Ein Feldpostbrief". Und letzteres zeigt schon, dass diese Biographie auch ein politisches Zeitgemälde ist. Geschrieben ist sie mit einem wunderbar verschmitzten, eckigen, valentinschen Humor, - der Vater wäre stolz auf seine Tochter gewesen.

Manches wird den Leser überraschen; das fängt schon damit an, dass man sich Karl Valentin natürlich als den Urbayern, den Urmünchner schlechthin vorstellt. Dem war nicht ganz so: sein Vater war ein Hesse aus Darmstadt und seine Mutter eine Sächsin aus Zittau; lange mundartliche Passagen demonstrieren das Kauderwelsch der Familie Valentin. Generell erfährt der Leser, dass Valentin - sicherlich wie viele Komödiantenkollegen auch - eigentlich ein sehr ängstlicher und ernster Mensch war: In seiner Jackentasche trug er ständig einen Aufsatz von Immanuel Kant mit sich herum: "Von der Macht des Gemüts."

Ein Kritiker nannte Valentin den "ersten deutschen Popkünstler". Im Prinzip war er ein Vorläufer von Joseph Beuys. Valentin hat den deutschen Expressionismus und den Dadaismus mit entwickelt, und insbesondere ging es ihm darum, die Paradoxien und die Manipulationen in unserer Alltagssprache aufzudecken. Ein sehr gutes Beispiel dafür ist der Titel der Biographie selbst: "Du bleibst da und zwar sofort." Valentin war ein Philosoph und ein großer Sprachwissenschaftler des Absurden, des von Menschen selbst geschaffenen Absurden, - manche sagen, er habe das absurde Theater eines Samuel Beckett vorweg genommen.

Rezensiert von Lutz Bunk

Bertl Valentin: Du bleibst da und zwar sofort! Mein Vater Karl Valentin
Piper Verlag, 2007
174 Seiten, 9,90 Euro
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