Philosoph Richard David Precht

"Philosophie ist so wenig zielführend wie Alkohol"

Der Autor Richard David Precht - aufgenommen vor der Auftaktveranstaltung des Philosophie-Festivals Phil.Cologne am 17.05.2016 im WDR-Funkhaus in Köln.
Der Autor und Philosoph Richard David Precht im Mai 2016. © dpa / picture alliance / Thilo Schmülgen
Moderation: Susanne Führer · 13.10.2017
Richard David Precht gehört zu Deutschlands beliebtesten Welt-Erklärern. Der Philosoph hat eine eigene Fernsehsendung, schreibt über Bildung, Tierrechte, die Liebe und die Digitalisierung. Auf der Frankfurter Buchmesse treffen wir ihn zum Gespräch.
Richard David Prechts Einführung in die großen Fragen der Philosophie – "Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?" – stand mehrere Jahre auf den Bestseller-Listen.
Ein erster Erfolg war Precht zuvor mit dem autobiographischen Buch "Lenin kam nur bis Lüdenscheid" geglückt. Es handelte von seiner Kindheit als Sohn marxistischer Eltern in der westdeutschen Provinz. Precht erzählt gerne aus dieser Zeit. Etwa, dass seine feministische Mutter ihre Söhne auch mal mit Mädchenkleidern in die Schule geschickt habe:
"Meine Mutter sah das als Botschaft. Meine Mutter hat zwei Kinder aus Vietnam adoptiert , das ist eine große humanitäre Geschichte, aber es war auch ein Zeichen nach außen. Wir müssen gegen den Vietnamkrieg sein. So, und in dem gleichen Maße, wenn ich als Botschafter des Feminismus mit Mädchenklamotten in die Schule geschickt wurde, fand meine Mutter das gut, ob ich daran psychischen Schaden nehme, hat sie nicht so interessiert."

Hören Sie hier auch das Gespräch, das wir mit Precht auf dem "Blauen Sofa" geführt haben:
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Tatsächlich habe er aber nicht nachhaltig unter diesen autoritären Anwandlungen seiner Mutter gelitten:
"Ich glaube der Humor ist die beste Bewältigung solcher Dinge."

"Altbausanierung im Bereich des Geistes"

Dabei habe ihn sein Elternhaus früh für politische und philosophische Fragen sensibilisiert.
"Erkenne dich selbst" heißt der zweite Band seiner Geschichte der Philosophie, die nun erscheint. Es sei unter anderem ein Versuch, der Philosophie jenseits der Hochschulen eine breitere Öffentlichkeit zu verschaffen.
"Das Problem besteht darin, dass die Hochschul-Philosophie heute hochgradig spezialisiert ist. Das heißt, wir haben hochspezialisierte Leute und das führt dazu, dass sich Leute ein Leben lang mit der Adverbialphrase beschäftigen. Und die anderen, die an den Universitäten arbeiten, sind zum größten Teil Historiker, also Leute, die sich exzellent mit Platon auskennen, aber sich keine Gedanken über die Gegenwart machen, also Altbausanierung im Bereich des Geistes betreiben.
Das führt dazu, dass Hochschulphilosophie kaum noch wahrgenommen wird. Und ich würde mich freuen, wenn sich Philosophen wieder mehr in der Öffentlichkeit einmischen, zumal wir ja in einer großen gesellschaftlichen Umbruchszeit leben."
Richard David Precht wendet sich gegen den Versuch, Philosophie als Wissenschaft zu betreiben:
"Das große Selbstmissverständnis der sogenannten analytischen Philosophie ist, Philosophie so zu betreiben, als sei es eine Wissenschaft. Dann sind alle wichtigen Fragen, die sie beschäftigen, alle religiösen Fragen, alle ethischen Fragen, die sind alle raus, weil sie die nicht wissenschaftlich ergründen können."
Das Schöne an der Philosophie sei, dass man immer weiter "grübeln" könne.

Alkohol? - Nicht zielführend, aber ein Weg durch schöne Landschaften.

"Auf diese Weise kann man lernen, intelligenter über sich und die Welt nachzudenken, ohne zu einer einfachen Lösung zu kommen, weil einfache Lösungen sind immer langweilig."
Und er habe nichts dagegen, dem Denken auch mal mit Alkohol auf die Sprünge zu helfen.
"Die Welt wird leichter, wenn man spürt wie sie sich dreht. Es ist richtig, Alkohol ist nicht zielführend, aber der Weg führt oft durch schöne Landschaften."
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