Philologenverband fordert Quotierungen in Schulklassen

Moderation: Hanns Ostermann |
Der Vorsitzende des Philologenverbandes, Hans-Peter Meidinger, hat eine Quotierung von Migrantenkindern in Schulklassen gefordert. Es könne nicht sein, dass es Klassen gebe ohne einen einzigen Schüler ohne Migrantenhintergrund, sagte Meidinger. Die PISA-Studie habe gezeigt, dass ein hoher Migrantenanteil zu schlechteren Leistungen führe.
Hanns Ostermann: Die Schüler müssen mehr wissen, darin sind sich wohl alle einig, doch welcher Weg dafür der beste ist, darüber streiten die Gelehrten. In Bayern sind jetzt die Würfel gefallen, vorausgesetzt der Landtag stimmt zu. Wer 2009 in die Oberstufe kommt, der muss sich umstellen. Das Kurssystem mit seiner Wahlfreiheit wird abgeschafft. Stattdessen ist die Prüfung in fünf Fächern vorgesehen. Mathematik, Deutsch und eine Fremdsprache sind Pflicht. Seit rund 15 Jahren wurde über diese Reform diskutiert, über die ich jetzt mit dem Vorsitzenden des Deutschen Philologenverbandes sprechen möchte, mit Hans-Peter Meidinger. Guten Morgen, Herr Meidinger!

Hans-Peter Meidinger: Guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Da kommt auf die bayerischen Schülerinnen und Schüler eine Menge Arbeit zu, sicher auch auf die Lehrer. Wo liegen die Vor- und Nachteile dieser Reform?

Meidinger: Ja gut, Sie haben ja gesagt, seit 15 Jahren wird über eine Reform der Oberstufe diskutiert. Seit 15 Jahren hat auch der Philologenverband dazu Vorschläge vorgelegt. Wir haben halt mit der Kollegstufe das Problem gehabt, dass hier der Versuch unternommen wurde, ein Spezialisierungsmodell, ähnlich dem englischen College-Modell, zu verbinden mit dem weiterhin gültigen Anspruch einer breiten Allgemeinbildung. Und das ist, glaube ich, so kann man sagen, gescheitert. Zu viel Wahlfreiheit hat eben dazu geführt, dass die Vergleichbarkeit nicht mehr da war. Hat man aber auf die Vergleichbarkeit Wert gelegt, wurde die Wahlfreiheit eingeschränkt. Man hat sich jetzt für das zweite Modell entschieden, die Wahlfreiheit einzuschränken, nicht aufzugeben, aber dafür eben eine verpflichtende Prüfung in zentralen Fächern vorzuschreiben.

Ostermann: Statt Spezialisten mehr Generalisten, vielleicht könnte man so das Modell überschreiben. Trotzdem meine ich, vom Philologenverband in Bayern auch Kritik gehört zu haben, während die Eltern diesem neuen Modell zustimmten.

Meidinger: Ja natürlich. Also wir haben uns in Details die Sache anders vorgestellt. Wir haben übrigens auch gedacht, so etwas sollte in einem neunjährigen Gymnasium verwirklicht werden, dann hätte man manche größere Freiheit gehabt, das ein oder andere unterzubringen. Wir bedauern auch, dass die Leistungskurse nicht aufgefangen worden sind durch echte Seminare, so wie wir gefordert haben, sondern es ist ein bisschen ein Sparmodell geworden. Aber insgesamt glaube ich, kann man das Modell begrüßen.

Ostermann: Finden eigentlich künstlerische Fächer, Musik, Kunst oder auch der Sport ausreichend Berücksichtigung?

Meidinger: Ja, also wir werden weiterhin natürlich Kunst, Sport und Musik haben. Was wegfällt ist Musik, Sport und Kunst als Leistungskursfach.

Ostermann: Macht denn so etwas Sinn? Ich denke daran, wir hatten vor einiger Zeit einmal im Programm sogar die Möglichkeit in Düsseldorf, dass jemand, der sich für das Ballett interessiert, sogar an einer Schule in diesem Fach das Abitur ablegen kann, weil einfach besondere Fähigkeiten vorhanden sind. Macht das wirklich Sinn, mit den Talenten von Schülern so umzugehen?

Meidinger: Ja, die Frage ist natürlich, muss jedes Fach, das an der Schule unterrichtet wird, auch Abiturfach sein, Abiturleistungsfach sein. Da kann man natürlich darüber streiten. Man muss Möglichkeiten finden, auch in dem neuen Modell, die musischen Fächer ausreichend zu fördern. Wir hoffen, dass im Rahmen dieser Seminare, die jetzt möglich sind, auch diese Fächer weiterhin zu ihrem Recht kommen.

Ostermann: Herr Meidinger, in der Schulpolitik sorgt nicht nur die Qualität des Abiturs für Diskussion. Die Frage ist ja auch, wie gehen wir mit Migrantenkindern um. Jetzt will Berlins Schulsenator Böger die Hauptschule mittelfristig abschaffen und stattdessen eine kombinierte Haupt- und Realschule einführen. Ist das ein richtiger oder eher ein Holzweg?

Meidinger: Ich glaube, dass es nicht der richtige Weg ist. Weil, wir müssen uns ja eines klar machen: die Schüler, die jetzt an die Hauptschule gehen mit ihren ganzen Problemen, die bleiben ja. Und ich bin ja der Auffassung, die Probleme sind vielleicht in kleineren Schuleinheiten auch besser zu lösen als in größeren Schuleinheiten. Man verlagert also die Probleme, die man jetzt an den Hauptschulen hat – wie wir übrigens in Frankreich sehen, da haben wir die selben Probleme, da haben die ein Gesamtschulsystem, allerdings noch in viel größeren Einheiten – an andere Schularten, das ist nicht die Lösung.

Ostermann: Nein, aber wo ist die Lösung? Sie haben einmal, für das Gymnasium jedenfalls, eine Quotierung vorgeschlagen. Ist das ein möglicher Weg?

Meidinger: Das muss man machen. Es kann nicht sein, dass es an Hauptschulen, mittlerweile übrigens auch an einzelnen Gymnasien, Klassen gibt, in denen kein einziger Schüler mehr sitzt, der keinen Migrationshintergrund hat. Das heißt, eine Quotierung ist notwendig. Übrigens auch vor dem Hintergrund von PISA, das gezeigt hat, dass bei einem Migrationsanteil von über 20 Prozent in einer Klasse, die Leistung signifikant nach unten geht. Wir brauchen aber darüber hinaus natürlich auch Sozialarbeiter. Wir brauchen, ich glaube, wir brauchen einen Umbau der Hauptschule zu einer echten Berufsförderungsschule. Daran fehlt es bislang.

Ostermann: Ja und es fehlt auch ganz entscheidend am Geld, denn Sie fordern Sozialarbeiter, aber die öffentlichen Haushalte sind leer.

Meidinger: Ja, ich meine, das sage ich ganz bewusst auch als Gymnasiallehrer, die Rahmenbedingungen, Arbeitsbedingungen an der Hauptschule müssen entscheidend verbessert werden. Das geben wir unumwunden zu. Dazu muss auch Geld in die Hand genommen werden.

Ostermann: Wie bewerten Sie derzeit generell die Schul- und Bildungsdebatte? Ist sie nachhaltig oder reagiert man im Augenblick eigentlich nur auf die aktuellen Ereignisse?

Meidinger: Ja, also ich habe schon die Hoffnung, dass – insbesondere nach PISA, durch die doch alle gemeinsam verabredeten Reformen in der KMK, das war ja früher, also in der Kultusministerkonferenz, das war ja früher nicht so – wir auf einem guten Weg sind. Ich hoffe nur, dass wir nicht wieder abgleiten in eine Schulstrukturdebatte, wie vor 25, 30 Jahren. Weil, das hat uns damals gelähmt und das würde uns auch heute lähmen.

Ostermann: Hans-Peter Meidinger war das, der Vorsitzende des Deutschen Philologenverbandes. Ich danke Ihnen für das Gespräch im Deutschlandradio Kultur.