Philippe Jaroussky über "À sa guitare"

"Die Gitarre gab mir Freiheit"

08:20 Minuten
Der französische Countertenor Philippe Jaroussky lehnt sich an ein Treppengeländer
Erstmals nur von einer Gitarre begleitet: Der französische Countertenor Philippe Jaroussky. © picture alliance / dpa / Daniel Fouray
Philippe Jaroussky im Gespräch mit Mascha Drost · 12.11.2021
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"À sa guitare" heißt das neue Album des französischen Countertenors Philippe Jaroussky. Es umfasst 400 Jahre Musik von Komponisten und Songwritern aus Europa sowie Nord- und Südamerika. Auf der Gitarre begleitet ihn dabei Thibaut Garcia.
Im Scherz sagte er einmal, "À sa guitare" wäre sein erstes akustisches Album. Es ist entspannender, ein leises, intimes Instrument wie die Gitarre neben sich zu haben als ein volles Orchester.
Philippe Jaroussky: Und darüber hinaus befindet man sich auch viel mehr in einem Dialog, wenn man nur zu zweit ist. Ich habe Thibaut Garcia vor ein paar Jahren auf einer Preisverleihung in Frankreich kennengelernt und ihn eingeladen, zwei Arien mit mir aufzunehmen. Weil die Zusammenarbeit so angenehm war, dachten wir uns: Lass uns gleich ein ganzes Album machen.
Mascha Drost: Hatte diese neue Besetzung auch Auswirkungen auf das Singen – haben Sie anders mit Ihrer Stimme gearbeitet?
Jaroussky: Ja, vorher hatte ich schon zwei Aufnahmen allein mit Klavierbegleitung gemacht. Aber ich muss schon sagen, dass es ziemlich anders ist, von einer Gitarre begleitet zu werden. Mit der Gitarrenliteratur der Klassik war ich auch gar nicht so vertraut; ich kannte da vor allem die Barockepoche. Ich war dann ziemlich beeindruckt, wie breit gefächert die Gitarrenliteratur ist – was sich jetzt auch auf dem Album niederschlägt.

Harte Arbeit

Für Thibaut war das Album harte Arbeit: Bei den Kompositionen von John Dowland musste er seine Gitarre mehr wie eine Laute klingen lassen. Bei den brasilianischen Stücken musste er im Grunde eine ganze Brassband ersetzen. Das war für ihn wahrscheinlich die größte Herausforderung.
Auch Thibaut hat mir Vorschläge gemacht. Zum Beispiel kam die Idee für "Alfonsina y el mar" von ihm. Darauf hatte ich zuerst keine Lust, weil ich so viel Respekt vor diesem Lied habe. Ich finde, es ist eines der schönsten überhaupt, vor allem in der Version von Mercedes Sosa. Aber Thibaut hat mir Mut gemacht und gesagt: Lass uns das machen!
Drost: Der Winter ist für einen Sänger eine enorme Herausforderung. Jetzt kommt auch noch Corona hinzu. Sind Sie um Ihre Stimme eigentlich besorgter als ohnehin schon?
Jaroussky: Was die bevorstehende Tour angeht: Ja. Der Winter ist nie die beste Zeit, um Konzerte zu geben. Die Konditionen, unter denen wir jetzt auftreten, sind wirklich verrückt. Wenn wir einen ganzen Tag reisen, müssen wir auch den ganzen Tag über eine Maske tragen. Wir müssen überall Nachweise erbringen und Tests machen.

Momente auf der Bühne auskosten

Aber wir lassen uns gerne auf das Spiel ein, solange die Konzerthallen noch offen sind. Wir versuchen, optimistisch auf die kommenden Monate zu blicken. Nur einfach ist es nicht. Wir kosten die Momente, die wir auf der Bühne zu bringen, im Moment so gut es geht aus. Denn wir wissen nicht, ob das in zwei Monaten noch möglich sein wird.
Drost: Wie haben Sie diese Zeit künstlerisch erlebt? Auch als eine Möglichkeit, endlich mal Abstand zu einem stressigen Konzertleben zu bekommen, noch mal durchzuatmen, neues Repertoire kennenzulernen? Oder war das einfach eine Zeit der Einschränkungen?
Jaroussky: Ich hatte große Angst, keine Konzerte mehr geben zu können, die zwei Stunden oder länger dauern. Ich dachte, dass ich das vielleicht verlernen würde. Jetzt ist das wieder möglich und ich kriege es hin.
Ich singe viel besser, wenn ich ein Publikum vor mir habe, als wenn ich zu Hause für mich singe. Wir Musiker brauchen die Energie des Publikums. Allein zu Hause zu singen, ist wirklich deprimierend.
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