Pflegekräfte aus dem Ausland

Gekommen, um zu helfen

10:12 Minuten
Vier weibliche Auszubildende aus El Salvador stehen Maske tragend nebeneinander und sprechen mit Thüringens Gesundheitsministerin.
Nayeli, Evelyn, Rocio und Lidia (von links) sind im Rahmen eines Zuwanderungsprojekts aus El Salvador nach Thüringen gekommen, um eine Pflegeausbildung zu machen. © picture alliance / dpa / Martin Schutt
Von Henry Bernhard · 03.11.2022
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Ihre Heimat El Salvador ist sehr weit weg. Dennoch nehmen junge Frauen Heimweh und deutsches Wetter in Kauf, um hier in einem Pflegeheim eine Ausbildung zu machen und anschließend dort zu arbeiten. Sie werden mit offenen Armen empfangen.
Die vier neuen Auszubildenden im Pflegeheim „Schillerhöhe“ in Weimar-Schöndorf servieren Kaffee und Kuchen im Speiseraum. Sie heißen Lidia Marisela Somoza Orellana, Nayeli Guadelupe Rodriguez Aparicio, Evelyn Abigail Garcia Miranda und Rocio Esmeralda Carrera Gonzales.
Ein gutes Dutzend der Bewohner sitzt an drei Tischen verteilt. Die Pflegerinnen helfen denen, die nicht mehr selbst essen können, Gabel für Gabel, diskutieren, wer heute noch nicht getrunken hat.

In Deutschland ist so vieles anders

Die vier jungen Frauen haben vor sechs Wochen in Weimar ihre Lehre begonnen – ein großer Unterschied zu ihrer Heimat El Salvador, ein kleines Land in Mittelamerika. In Deutschland ist so vieles anders, so vieles neu, erzählt Lidia. Bus und Bahn zum Beispiel, und ihr Azubi-Ticket.
"Die Verkehrsmittel finde ich so toll. Ich kann sie so einfach benutzen. Und ich kann mit meiner Kollegin einige Orte von Weimar besichtigen. Wir haben zum Beispiel den Goetheplatz gesehen. Auf diesem Platz haben alte Menschen getanzt. Und wir: 'Wow, Salsa tanzen, wow.'"
Die vier aus El Salvador kamen bereits mit einem Fachabitur mit Gesundheitsschwerpunkt in Deutschland an, haben erste Deutschkenntnisse aus einem verpflichtenden Kurs in ihrer Heimat. Den Kurs, das Bewerbungsverfahren, den Flug organisiert und bezahlt die Bundesagentur für Arbeit. Dabei liege es im beiderseitigen Interesse von El Salvador und Deutschland, jungen Leuten fern von zu Hause eine Ausbildung zu ermöglichen, sagt Florencia Vilanova, die Botschafterin El Salvadors in Deutschland.

Das ist etwas, was mich motiviert, zu sehen, was für eine Zukunft alle diese Jugendlichen haben. Und nicht nur sie, sondern auch, dass ihre Familien in El Salvador davon profitieren, weil – ob Sie es glauben oder nicht – alle Azubis mit dem geringen Azubi-Gehalt immer noch Geld nach Hause schicken und ihre Familien und Eltern unterstützen.

Florencia Vilanova, Botschafterin von El Salvador in Deutschland

Das Pilotprojekt der Bundesagentur für Arbeit und dem Land El Salvador läuft seit vier Jahren. Von den inzwischen 60 Auszubildenden in Berlin, Wittenberg und nun auch in Thüringen sei bislang kein einziger abgesprungen. Der erste Jahrgang macht bald seine letzten Prüfungen. Aber die sind für Lidia noch weit entfernt.
"Unsere ersten Tage an der Schule waren ein bisschen schwer – zum Beispiel mit der Sprache, alles zu hören und zu verstehen. Aber unsere Lehrer sind sehr nett und haben viel Geduld. Und in unserer Arbeit ist es auch ein bisschen schwer mit der Sprache, aber die Tätigkeiten sind nicht so schwer, zum Beispiel, immer mit den Bewohnern sprechen und sagen, was wir machen."

Nayeli pflegte schon ihre Großeltern

Mit den Bewohnern hätten sie gar keine Probleme, sagen alle vier. Auch Nayeli, die im Umgang mit alten Menschen schon von zu Hause geübt ist: "Ich habe schon in El Salvador immer meiner Oma und meinem Opa geholfen. Und die Bewohner hier sind sehr nett und sehr süß."
Lidia kann das bestätigen und ergänzt: "Mit den Bewohnern ist es eine schöne Erfahrung. Sie interessieren sich für uns. Und fragen immer: 'Woher kommst du?'"
"Also, wenn sie was nicht verstehen, versuche ich es ihnen zu erklären - entweder mit Händen und Füßen oder durch Handzeichen", schaltet sich Heimbewohner Hans-Jürgen Haupt ein, der eben mit seinem Rollstuhl in den Speiseraum gerollt kommt.

Sie bringen Lebensfreude ins Heim

Die jungen Frauen loben nicht nur das Interesse und die Freundlichkeit der Heimbewohner, sondern auch die Geduld der Kolleginnen und Kollegen. Man hört die vier El Salvadorianerinnen viel lachen. Nicht aus Unsicherheit, eher aus Lebensfreude. Hans-Jürgen Haupt kann sich überhaupt nicht beklagen über die Neuen. Auch er lobt überschwänglich, wie viel Mühe die jungen Damen sich gäben.
Stellvertretende Pflegedienstleiterin und Ansprechpartnerin für die Auszubildenden und auch für die jungen Frauen aus El Salvador ist Tina Rahm.
Sie sagt über die erste Zeit mit den jungen Auszubildenden: "Es war sehr interessant und aufregend, aber auch ein bisschen mit einem mulmigen Gefühl, weil wir auch hier Vietnamesen haben im Haus. Und mit denen war es am Anfang auch mit der Sprachbarriere halt wirklich sehr schwer. Aber wir haben es auf uns zukommen lassen, und wir schauen einfach mal, wo uns der Weg hinführt."

Das Hauptproblem: die Sprache

Natürlich, Auszubildende aus fernen Ländern hätten Heimweh, die Kultur sei anders, das Wetter, die Jahreszeiten, das Essen. Aber wenn jemand scheitere, dann fast immer an der Sprache. Und Deutsch sei nun mal eine schwierige Sprache, egal, ob man nun aus Vietnam oder aus Südamerika komme.

Viele sagten einfach immer "Ja", auch wenn sie es nicht wirklich verstanden hätten. Weshalb sie und ihre Kolleginnen und Kollegen bei den jungen Frauen aus El Salvador ausdrücklich nachfragen, ob sie es auch wirklich verstanden haben.
Die meisten Bewohner hätten keine Berührungsängste mit jungen Pflegerinnen aus Vietnam, aus El Salvador. Aber es gebe auch Vorbehalte, sagt Rahm.

Arbeiten im Demenzbereich

"Auf dem Demenzbereich finde ich es zum Beispiel sehr schwierig, weil, ein demenzerkrankter Bewohner vieles ganz anders aufnimmt. Und da hatten wir auch schon echt Probleme, wo die Bewohner dann schreien: 'Geh weg! Geh weg!' Das akzeptieren wir dann." Eine der jungen El Salvadorianerinnen, Evelyn, arbeitet auf der Demenzstation mit. Sie kommt dort gut an.
Für den Leiter der „Schillerhöhe“ in Weimar, Dieter Kluwe, ist die Anwerbung ausländischer Pflegeazubis längst Normalität geworden.

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"Wir haben früh angefangen, vietnamesische Kräfte zu gewinnen, und haben dort jetzt aktuell 200 Auszubildende über alle Lehrjahre im Unternehmen beschäftigt. Das würden wir uns natürlich auch mit El Salvador wünschen. Alleine mit Auszubildenden aus unserem eigenen Lande ist es alleine nicht tragbar und nicht schaffbar." 

Agentur für Arbeit unterstützt das Projekt

Die Unterstützung durch die Bundesagentur laufe sehr gut. Was er nicht von jeder Behörde sagen kann.
"Wenn die Auszubildenden ihre Prüfung abgelegt haben, ist es für uns teilweise schwierig, weil es lange dauert, bis wir dann die Erweiterung bekommen. Das heißt: Wir müssen eine Fiktionsbescheinigung haben, dass die Mitarbeiter dann entsprechend arbeiten dürfen. Es ist schon das eine oder andere Mal vorgekommen, dass tatsächlich Auszubildende fertig sind und wir sie nicht beschäftigen dürfen. Das heißt: Die sitzen zu Hause, bis sie wieder arbeiten können."
Aus dem ersten Jahrgang von Pflege-Azubis aus El-Salvador von 2019 ist Johanna von Berlin nach Weimar gekommen, um den Neulingen Mut zu machen. Bei ihr steht nur noch eine letzte Prüfung aus.

"Eine gute Entscheidung, hierher zu kommen"

"Die erste Woche war ziemlich gut", erinnert sie sich. "Ich war froh. Ich war richtig glücklich und dachte auch: 'Ich bin in einem neuen Land, hier ist es sicher, das wird gut!' Aber mit der Zeit vermisst man die Familie. Man vermisst alles, das Essen, das Wetter… Trotzdem: Nach ein paar Jahren schätzt man auch hier die Jahreszeiten zum Beispiel. Wir haben zu Hause nur zwei Jahreszeiten: Sommer. Und: Sommer und Regen."
Ihre Kolleginnen und Kollegen seien sehr lieb – wie eine Familie. Und mit der Zeit habe sie eine Beziehung zu ihnen und den Heimbewohnern aufgebaut. "Und ich glaube: Das war eine gute Entscheidung, hierher zu kommen."
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