Pflanzenschutz

Herbizide im Biofenchel - ganz natürlich

Biobauer Stefan Palme in seinem Körnerfenchel-Feld.
Biobauer Stefan Palme in seinem Körnerfenchel-Feld. © Deutschlandradio / Ernst-Ludwig von Aster
Von Ernst-Ludwig von Aster · 24.09.2015
Schock für Biobauer Stefan Palme: In seinem Fenchel im größten zusammenhängenden Bio-Anbaugebiet Deutschlands, in der Branderburger Schorfheide, wurden massiv Herbizide nachgewiesen. Er wollte sich gegen die vermeintlichen Saboteure wehren - und stieß auf ein viel größeres Problem.
Stefan Palme lässt die alte Feldsteinscheune rechts liegen. Stapft weiter über den Sandweg. Zu seinem Sorgenfeld: "Den Fenchel sehen wir jetzt dahinten diese gelbgrüne Fläche dort."
Warmgelb leuchtet der Fenchel in der sanfthügeligen Landschaft. Seit 1996 bewirtschaftet Palme hier mit seiner Frau das alte Gut Wilmersdorf.
"Wir befinden uns hier im Biosphärenreservat Schorfheide Chorin, mit einem sehr hohen Anteil von ökologisch wirtschaftenden Betrieben. Wir haben hier so ein Band von insgesamt 12 Betrieben, die in der Nachbarschaft zusammenliegen."
Mit 10.000 Hektar die größte biologische Landbaufläche Europas. Getreide, Erbsen, und Lupinen baut Stefan Palme auf seinem Bio-Hof an. Und Fenchel. Der Landwirt stapft über den Ackerstreifen. Ins grüngelb leuchtende Feld. Die Fenchel-Pflanzen reichen ihm bis zur Schulter.
"Das ist also eine Dolde, etwa 1m, 1,50 bis zwei Meter hoch, treibt immer wieder aus dem Wurzelstock aus."
In Palmes Nachbarschaft nutzt keiner Herbizide
Palme greift eine Blüte, pult einige Körner heraus, zerreibt sie zwischen den Fingern. Ein süßlicher Geruch dringt in die Nase. Mit ökologischem Körnerfenchel lässt sich gut Geld verdienen. Bio- und Kindertee-Hersteller sind dankbare Abnehmer. Der Fenchel darf natürlich nicht belastet sein. Das war Palmes Geschäftsfeld, bis eine Lieferung zurückkam.
"Der Kunde hat 'ne Rückstandsanalyse gemacht und er hat eben Rückstände festgestellt, Pendimethalin und Prosulfocarb, das sind zwei Herbizide."
Pflanzenschutzmittel im Biofenchel. Ein Schock für Palme. Und ein Rätsel. Rund um seine Felder arbeiten nur Biobauern. Da gibt es keine Herbizide.
"Der zuständige Mitarbeiter bei der Landeskontrollbehörde vom Pflanzenschutzdienst meinte, das kann nur Sabotage sein, dann wurden die Läger untersucht, man konnte also da nichts finden dergleichen ..."
Palme muss seinen Fenchel als konventionelle Ware vermarkten. Und macht Verluste. Ratlos wendet er sich an die Behörden. So landet der Fall bei Rudolf Vögel, vom Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbrauchschutz
"Ich war im Grunde genommen ebenso geschockt bis unangenehm berührt."
Rudolf Vögel schüttelt das graue Haupt. Der ökologische Landbau ist für ihn ein Herzensthema. Getrocknete Getreide-Ähren schmücken sein Büro, privat engagiert er sich für den Erhalt alter Pflanzensorten. Plötzlich muss er sich mit dem Herbizid Pendimethalin beschäftigen:
"Pendimethalin ist ein lange bekanntes, relativ altes Herbizid aus den 80er Jahren, ich kenne das aus meiner Studienzeit."
Pflanzenschutzmittel wird kilometerweit durch die Luft transportiert
Das Mittel wird vor allem im Herbst und Spätherbst eingesetzt. Ein Sicherheitsabstand von 50 Metern soll reichen, um es von benachbarten Feldern fernzuhalten. Doch von Palmes Fenchelfeld ist der nächste konventionelle Bauer mehr als einen Kilometer entfernt. Vögel und seine Kollegen beginnen zu recherchieren:
"Es hat mich auch etwas überrascht, wie ich im Rahmen dieser Arbeitsrecherchen darüber informiert wurde, das man sicherlich aus Kostengründen einfach auf ein Monitoring solcher Stoffe generell verzichtet hatte."
Vögel staunt: Seit 2003 wird die Luft in Deutschland nicht mehr auf den Stoff überprüft. Im Grünkohl lässt sich das Herbizid schon länger nachweisen. Nur, dass sich bisher kaum jemand für die Belastung interessierte. Vögels Amt startet nun eine eigene Untersuchung. Und lässt weiträumig die Herbizid-Verbreitung untersuchen. In der Luft, in Baumrinden. Und in Fenchel- und Grünkohlproben. Ergebnis:
"Es war eine allgemeine regionale Belastung. Wir müssen davon ausgehen, dass das gesamte Gebiet der Bundesrepublik dabei wirkstoffrelevant ist. Sie werden das überall nachweisen können."
Vor einer "wesentlichen und weiträumigen Belastung" warnen dann auch die Studien-Autoren. Das Herbizid wird kilometerweit durch die Luft transportiert. Ein 50-Meter Sicherheitsabstand bietet demnach keinen ausreichenden Schutz. Rudolf Vögel schüttelt den Kopf. Das Mittel ist ordnungsgemäß zugelassen, den Landesbehörden sind die Hände gebunden. Eine Hiobsbotschaft für alle Ökobauern, die im Herbst ihre Produkte ernten.
Stefan Palme blickt nachdenklich über sein Fenchelfeld. Bevor die konventionellen Kollegen beginnen das Herbizid zu versprühen, wird er versuchen seinen Fenchel zu ernten. Auch wenn dieser eigentlich noch einige Wochen stehen müsste.
"Insofern muss man einfach sagen, hier bestimmt der konventionelle Anbau wie gut und wie schlecht es dem Bioanbau geht."
Der Landwirt schüttelt den Kopf. Er weiß nicht, ob der Fenchelanbau in Zukunft überhaupt noch lohnen wird. Wenn der Wind Herbizide kilometerweit übers Land weht:
"Das Zeug ist ja überall. Wir haben es nur publik gemacht. Aber viele scheuen sich davor an die Öffentlichkeit zu gehen, weil sie gegenüber den Kunden oder der Öffentlichkeit nicht de Eindruck erwecken wollen, wir haben hier ein Rückstandsproblem. Auch wenn wir selber gar nicht dran schuld sind. Aber man will dann so tun, als ob nichts wäre."
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