Pflanzen statt Beton

Wie Hamburg mit Gründächern gegen den Klimawandel kämpft

07:25 Minuten
Grüne und rote Pflanzen wachsen auf einem Dach.
Wird ganz Hamburg bald so aussehen? © imago images / Panthermedia
Von Axel Schröder · 16.10.2019
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Summende Bienen zwischen Blumen und Kräutern: So soll es in Zukunft auf den Dächern Hamburgs aussehen. Die Pflanzen nehmen den Regen auf und bieten Nistplätze für geschützte Vogelarten. Auf die Dächer könnten bald begrünte Fassaden folgen.
Noch im Sommer summten auf dem Dach der Hamburger Umweltbehörde die Bienen, denn dort stehen die bunten Boxen mit den Bienenstöcken. Zwischen Schnittlauch, Thymian, Wiesenmargeriten und vielen anderen Gräser-Arten. Darüber kreisen die Möwen.
"Die leben auch auf dem Gründach der Behörde. Rund acht bis neun Paare Sturmmöwen, die hier jedes Jahr nisten. Das ist eine geschützte Art. Gründächer sind auch Lebensraum nicht nur für Möwen, sondern auch für Bienen, für Hummeln, für andere Arten von Insekten, für andere Arten von Vögeln, die hier brüten und insofern sind Gründächer ein wichtiger Beitrag zur Artenvielfalt in der Stadt."
Sagt Jan Dube, der Sprecher der Hamburger Umweltbehörde. Nicht nur auf dem behördeneigenen Dach, sondern auf möglichst vielen anderen Hausdächern sollen Grünflächen entstehen. Ziel: Lebensraum für Tiere schaffen. Und Hamburg will so auch den Folgen des Klimawandels begegnen.

Schutz vor Überschwemmungen

"Ein großer Vorteil in einer Stadt wie Hamburg, einer verdichteten, einer dicht bebauten Metropole ist auch die Regenwasserrückhaltung, also die Versickerungsverzögerung bei Starkregen. Wenn wir beispielsweise einen Gewitterregenguss haben und große Mengen Wasser herunterkommen und in unseren Sielen große Mengen Wasser schnell abtransportiert werden, dann haben Gründächer den Vorteil, dass sie das Wasser so zurückhalten, dass es langsam in die Siele läuft und dadurch Überschwemmungen in den Städten und in Hamburg hier vermieden werden können."
Bunte Boxen, die als Bienenstöcke dienen, stehen zwischen Prflanzen auf dem Dach der Hamburger Umweltbehörde.
Die Hamburger Umweltbehörde geht mit gutem Beispiel voran und hält Bienenstöcke auf ihrem Dach.© Axel Schröder / Deutschlandradio
Und deshalb, so Behördensprecher Dube, soll die seit 2014 bestehende Gründachförderung auch in den kommenden Jahren fortgeführt werden. Nach Berechnungen der Behörde können zu den bestehenden 141 Hektar dann noch einmal 100 Hektar dazukommen. Welche Bedeutung Gründächer bei der sogenannten Klimafolgenanpassung haben können, hat Wolfgang Dickhaut, Professor an der der Hamburger Hafencity-Uni schon vor zwei Jahren erforscht. Ganz in der Nähe seines Büros, auf dem Dach der Uni.
"Wenn man die Jahreswasserbilanz anguckt, dann hält dieses Gründach in der Größenordnung von 50 Prozent des kompletten Regens, der hier drauf fällt, zurück. Dann verdunstet es, das heißt, es kommt gar nicht zum Abfluss. Und bei Starkregenereignissen haben wir eine Reduktion dieses Starkregens in den 20 Minuten, die das anhält, von bis zu 30, 40 Prozent!"
Wolfgang Dickhaut hat das KliQ-Projekt an der Hafencity-Uni geleitet. KliQ steht für "Klimafolgenanpassung innerstädtischer hochverdichteter Quartiere". Das Besondere am Projekt ist, dass es sich nicht auf theoretische Modelle, sondern auf realexistierende Stadtviertel bezogen hat, auf den Mühlenkamp und das Bahnhofsviertel in Hamburg. Hier wurden Straßenquerschnitte, Freiflächen und die Baumdichte vermessen oder die Temperaturen in den Straßenschluchten an Hochsommertagen aufgezeichnet.

Gründächer kühlen im Sommer

Mehr Grün auf Dächern und Hausfassaden, sagt Wolfgang Dickhaut, würden aber nicht nur bei Starkregen helfen, sondern auch für eine Abkühlung des Straßenraums bei großer Sommerhitze sorgen. Immerhin liegt die Oberflächentemperatur in Hamburg-St.-Georg an besonders heißen Tagen bei knapp 60 Grad.
Zufrieden mit dem Hamburger Engagement für mehr Gründächer ist auch der Naturschutzbund Deutschland. Wenn Katharina Schmidt vom Nabu Hamburg aus ihrem Bürofenster schaut, fällt auch ihr Blick auf ein kleines Gründach.
"Am besten funktioniert ein Gründach mit einer möglichst hohen Substratauflage, weil eben nur dann auch Bodenfunktionen erfüllt werden, die auch die Habitate auf dem Boden erfüllen. Und wichtig ist auch, dass man das möglichst naturnah gestaltet. Also möglichst mit heimischen Arten bepflanzen, die auch den heimischen Tieren nutzen können."
Allerdings: So lobenswert die Gründachstrategie des Hamburger Senats auch sei, so wenig helfe sie in einer wachsenden Stadt mit jährlich etwa 10.000 Wohnungsneubauten gegen die nachteiligen Effekte der Flächenversiegelung, kritisiert Katharina Schmidt.
"Das erfüllt nicht die ökologischen Funktionen, die eine unversiegelte Fläche am Boden hat. Aber trotzdem ist es natürlich immer zu begrüßen, wenn Dächer begrünt werden anstatt sie einfach kahl zu lassen. Es kann schon einen wesentlichen Beitrag leisten. Aber nichtsdestotrotz wünschen wir uns eher, dass flächensparend gebaut wird. Das ist einfach wichtiger als alle Dächer zu begrünen."

Nach den Dächern kommen die Fassaden

Sinnvoll wäre es auch, eine Art Gründachkataster zu erstellen, um einen Überblick über die schon vorhandenen Flächen zu bekommen, sagt die Naturschützerin. Ein zusätzliches Monitoring-Programm könnte Erkenntnisse darüber liefern, welche Gründacharten einen besonders hohen ökologischen Nutzen haben. – Im Hamburger Senat wird derweil schon über den nächsten Schritt nachgedacht. Demnächst soll die Bürgerschaft über ein Programm zur Begrünung von Gebäudefassaden abstimmen. Die Pflanzen können nicht nur Schatten spenden und die Umgebungstemperatur senken, sondern speichern auch in der Vertikalen Kohlendioxid und produzieren Sauerstoff.
Damit Hamburgs Dächer ergrünen, bietet die Stadt Bauherren und privaten Hausbesitzern eine so genannte Gründachförderung an. Grundsätzlich gilt: Je dicker die Bodenschicht und je größer die Rückhaltewirkung bei Starkregen ist, desto höher fallen die Zuschüsse aus.
"Und die kann man wieder kombinieren mit verschiedenen Förderarten wie für Solarzellen oder Solarthermie. Und dann kann ich auf der gleichen Fläche gleich mehrere Fördermöglichkeiten kombinieren und dadurch vielleicht auch mit einem attraktiven Preis mein Dach für Energiewende und Gebäudedämmung und Klimaanpassung ganz anders nutzen als das klassische Pappdach."
In den letzten fünf Jahren gab es für den grünen Dächer Hamburgs drei Millionen Euro Fördermittel. Die Fördersätze sind gestaffelt, je nach Aufwand der Baumaßnahme und ihrem ökologischem Nutzen. Wer wissen will, wie hoch die Fördersummen im Einzelfall ausfallen, kann dafür den so genannten Fördermittelrechner der Hamburger Umweltbehörde im Internet nutzen.
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