Pfarrer zur Reaktion auf Kirchenaustritte

"Zeigen, was wir inhaltlich zu bieten haben"

05:20 Minuten
Durch das Geäst eines Baumes ist ein leuchtendes Kreuz zu erkennen.
Ein neuer Höchststand: Immer mehr Menschen in Deutschland treten aus den Kirchen aus. © dpa / Julian Stratenschulte
Nico Ballmann im Gespräch mit Julius Stucke · 04.07.2020
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In der Coronakrise sind die Kirchen überraschend stumm. Für den evangelischen Pfarrer Nico Ballmann ist dies ein vergebene Chance. Trotz der zahlreichen Austritte suchten viele Menschen nach Antworten. Mit seinen Angebote erreiche er bislang Fernstehende.
Immer mehr Menschen kehren in Deutschland den beiden großen Kirchen den Rücken. Jüngst wurde vermeldet, dass es einen Höchststand an Kirchenaustritt gibt.
Auch der evangelische Pfarrer Nico Ballmann aus Köln kennt diese Entwicklung. In seiner Gemeinde muss er jede Woche rund 20 Austrittsanträge unterschreiben. Und das trotz der Coronakrise, wo viele Menschen sich nach Sicherheit und Zuversicht sehen.

Den Menschen zuhören

Doch Ballmann hat noch Hoffnung. Doch die Kirche müsse den Weckruf nutzen, um sich "neu zu denken". Dazu sei es nötig, "wieder die Sprache der Menschen zu finden", so der Pfarrer. Denn auch diese habe sich in den vergangenen Jahren verändert.
Gleichzeitig seien aber die Fragen, die die Menschen beschäftigten, die gleichen geblieben. Diese seien – vor allem jetzt verstärkt durch Corona – die Frage der menschlichen Existenz und der Wert des Lebens. Nun gelte es, den Menschen zuzuhören, was diese zu sagen haben.
Der Pfarrer Nico Ballmann
Der Pfarrer Nico Ballmann© Nico Ballmann
Die Kirchen habe sich in den vergangenen Monaten zu stark darauf konzentriert, dass Gottesdienste wieder stattfinden. Dies sei auch sehr wichtig gewesen, vor allem für das Gemeindeleben.
Doch damit wurde die Chance vertan, "einmal zu zeigen, was wir auch inhaltlich zu bieten haben", ist Ballmann überzeugt. Denn gerade in dieser Zeit wäre es möglich gewesen, über andere Themen wie Krankheit, Globalisierung oder das Sterben zu sprechen.

Gemeindearbeit im Internet

Er selbst habe gute Erfahrung mit seiner Arbeit im digitalen Bereich gesammelt. Dort spreche er Menschen zwischen 20 und 40 Jahren an, eine Gruppe, die sonst nicht von den Kirchen erreicht werde.
"Da merke ich, was durchaus möglich ist, wenn man sich überlegt, was die Themen dieser Menschen sind und dort ansetzt." Dann komme man ins Gespräch – "und das sogar sehr gut", so der Geistliche.
(rzr)
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