Petra Ahne: "Wölfe"

Edler Wilder oder wüstes Raubtier?

Ein Wolf läuft durch ein Gehege in einem Wildpark in Niedersachsen.
Petra Ahnes geht in "Wölfe" gut lesbar und klug geschrieben vielen Spuren des Tieres nach. © picture alliance / Lino Mirgeler
Von Susanne Billig · 14.12.2016
Der Wolf - perfide Heimtücke oder hochsoziale Intelligenz? In ihrem Buch "Wölfe" geht Petra Ahne vielen Spuren nach. Von Körperbau, Nahrungsspektrum und erstaunlich unterschiedlichen Wolfsarten berichtet die Autorin ebenso wie von der Geschichte des menschlichen Blicks auf den Ahnherrn des Hundes.
Drastisch hat sich die Symbolik des Tieres in den vergangenen Jahrzehnten verschoben. Vom Waldungeheuer, das es um jeden Preis zu vernichten gilt, avancierte der Wolf zum Inbegriff der Sehnsucht nach Freiheit. Wenn Petra Ahne all die Wolfsbilder Revue passieren lässt, geht einem vor allem ihre Schilderung der unerbittlichen Vernichtungsfeldzüge, die Wölfe in Jahrhunderten erleiden mussten, nah und man fragt sich: Warum so viel Hass?
Die Zeitungsredakteurin liefert - gut lesbar und klug geschrieben - eine vielschichtige Interpretation, die den Wolf als schlichten Nahrungskonkurrenten ebenso untersucht wie kulturpsychologische Aspekte: Je mehr der Mensch im christlichen Kulturraum sich von sündigen Gefühlen bedroht fühlte, umso mehr machte er den Wolf zu einer Kreatur, die die Grenze zwischen Anstand und Wildnis verwischte. Brach das Tier denn nicht aus dem dunklen Wald in die Siedlungen der Menschen ein, um dessen Sphäre mit seinem wilden Blut zu besudeln? Durchaus mit sexuellem Unterton beschwor man den bösen Wolf, wie sich am Märchen von Rotkäppchen noch heute unschwer erkennen lässt - und das, obwohl die Gebrüder Grimm es arg geglättet haben. Denn in der ursprünglichen Version, so die Autorin, zieht sich Rotkäppchen nackt aus, legt sich zum Wolf ins Bett und lässt sich verschlingen. Ende der Geschichte.

Bilder des Menschen über den Wolf stimmen nicht immer

Für die Recherche hat die Autorin keine Mühe gescheut und Zoologische Gärten besucht, mit Wolfsforschern und Wolfsliebhabern gesprochen. Ihr Buch ist überdies mit herrlichen alten Stichen und Gemälden geschmückt, auf denen der Wolf in all den Kleidern zu sehen ist, die der Mensch ihm im Laufe der Zeit überwarf. Und es ist selbst - wie alle Bücher, die in der Reihe "Naturkunden" erschienen - wunderschön gebunden; passend zum Thema hier graublau.
Nun also der Wolf als edler Wilder, gar eine Art Vertrauter und Seelenverwandter des Menschen? Am Ende arbeitet die Autorin heraus, wie wenig das Tier als Projektionsfläche solcher Sehnsüchte taugt. Denn tatsächlich geraten Wölfe bisweilen in eine Art Blutrausch, fallen in Herden ein und richten regelrechte Massaker an. Auch ist es keineswegs so, dass der Mensch nie etwas zu befürchten hätte; auch er fällt den scharfen Fangzähnen vereinzelt zum Opfer. Selbst die Liebe des Wolfes zur freien Wildnis hat die moderne Forschung längst relativiert. Ein öder Truppenübungsplatz reicht als Lebensraum völlig aus. Augenzwinkernd erzählt Petra Ahne dann auch von einer jungen Wölfin, die aus einer Aufzuchtstation ausbrach: Seelenruhig saß das Tier bei einem Fußballplatz, schaute dem Spiel zu und ließ sich widerstandslos ins Gehege zurückführen.

Petra Ahne: Wölfe - Ein Portrait
Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2016
144 Seiten, 18 Euro

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