25. Wave Gotik Treffen Leipzig

Gruftis und ihre Kinder

Besucher des Wave Gotik Treffens (WGT) gehen mit einem kleinen Mädchen an der Hand über das Veranstaltungsgelände agra in Leipzig.
Besucher des Wave Gotik Treffens Leipzig © pi
Von Juliane Neubauer  · 08.03.2016
1992 fand in Leipzig das erste Wave Gotik Treffen statt. Nicht nur die Veranstaltung, sondern auch die Besucher sind seitdem älter geworden: Manche gehen aufs Rentenalter zu, andere bringen ihre Kinder mit. Zum Jubiläum widmet Leipzig der Szene eine Ausstellung.
Eine Postkarte zeigt Leipziger Sehenswürdigkeiten, getaucht in ein romantisches rosarotes Licht. Prominent platziert ist eine junge Frau in aufwendigem barockem schwarzem Kleid, blass geschminkt. Diese Postkarte ist ein Phänomen, denn dass die Stadt Leipzig einmal extra Postkarten für das Wave-Gotik-Treffen (WGT) anbietet, hätte bei der Gründung 1992 wohl keiner geahnt. Johanna Sänger hat die Ausstellung "Leipzig in Schwarz" kuratiert und sich zur Vorbereitung ein Jahr lang mit Szeneanhängern und den Veranstaltern des Wave-Gotik-Festivals getroffen. Was machte Leipzig Anfang der 1990er-Jahre so ideal zur Gründung eines solchen Festivals?
"Es ist so ein ungeheurer Enthusiasmus gewesen von Musikliebhabern, die selber ihre Lieblingsbands in ihre Heimat holen wollten und das in dieser Umbruch-Situation der frühen 90er auch geschafft haben, als die DDR-Strukturen zusammen gebrochen waren, es noch keine festen neuen Strukturen gab und noch vieles möglich war; Orte auch da waren, Clubleiter die gesagt haben, ja wenn ihr das wollt, dann macht das doch."
Kurz nach der Wende mussten sich die west- und ostdeutsche Szene erst einmal aneinander gewöhnen, hörte Johanna Sänger von den Anhängern der Szene:
"Ist ja toll, dass gleich aus dem Westen dann Grufties mit dazu kamen, aber die waren schon so aufgebrezelt, die hatten tolle Klamotten und Schmuck, so was wir alle noch nicht hatten. Das kam uns so überzogen vor, nicht so authentisch, wir waren so zu sagen die, die mehr zu kämpfen hatten, wir waren die echten Nachdenklichen und Tiefschürfenden und für die anderen war es vielleicht mehr Show."

Das Chaos-WGT war nicht das Ende

Beim ersten Wave-Gothic-Treffen 1992 kamen 2000 Besucher nach Leipzig. Acht Bands spielten – unter anderen Goethes Erben, die die so genannte "Neue Deutsche Todeskunst" prägten. Sänger Oswald Henke erinnert sich an sein Konzert:
"Wir hatten damals sehr viele Kerzen auf der Bühne, circa 200, und wir haben da eine relative Sauerei auf der Bühne hinterlassen."
Fünf Mal haben Goethes Erben mittlerweile auf dem Wave-Gotik-Treffen gespielt, das immer größer wurde. 1996 waren es schon 10.000 Anhänger der Schwarzen Szene, die das Festival in Leipzig besuchten. Im Jahr 2000 dann der Eklat. Unfassbare 350 Bands sollten in Leipzig auftreten. Oswald Henke:
"Das gipfelte ja auch damals in diesem Chaos-WGT, wo denn alles den Bach runter gegangen ist, weil eben im Endeffekt Herr Brunner immer sehr gute Ideen hatte; aber in der Realisierung dann manchmal leider überfordert war und dadurch eben manchmal sein Budget dann so weit überschritt, dass er am Schluss eigentlich nur noch vor einem Scherbenhaufen stand."
Dem Erfolg des Szene-Treffens sollte das Chaos-WGT, wie es heute genannt wird, kein Ende setzen. Im Jahr darauf übernahm ein neues Team die Organisation und das Festival verlief nach Plan. Mittlerweile sind das Festival, seine Besucher und die Leipziger ein eingespieltes Team, bestätigt diese Festivalbesucherin:
"Sehr gastfreundlich, also wesentlich offener als bei uns im Süden, ich weiß nicht, die Leute, die sind wahrscheinlich damit aufgewachsen, die gehen damit einfach offener um. Und da wird dann nett gefragt und da kommen nicht zwingend irgendwelche blöden Sprüche, sage ich mal, sondern da kommt Interesse, warum und weshalb, und es ist alles recht höflich und liebevoll."
Jennifer Hoffert-Karas zählt sich auch zur Szene und hat eine Erklärung für die Leipziger Offenheit:
"Vielleicht liegt das daran, dass Leipzig immer eine Messestadt war. Die Leute haben eine sehr lange Geschichte mit fremden Menschen, die die Stadt besuchen und etwas anderes mitbringen."

Bis heute keine Bands aus den Charts

Johanna Sänger hat bei ihrer Recherche nicht nur erkannt, dass die Kulturbewegung um die Schwarze Szene mit dem Festival enorm gewachsen ist. Sie hat auch festgestellt, dass mit den Jahren auch die Besucher älter geworden sind:
"Viele Besucher sind ja seit den 90ern dabei, kommen inzwischen mit Kindern oder sind sichtbar zum Beispiel über 50, gehen auf die 60 zu. Da ist dann eben die Frage, kann man auch den jüngeren Besuchern dieses Gefühl noch vermitteln und die ansprechen und kann man den Musikgeschmack der Jüngeren und Älteren gleichzeitig treffen?"
Goethes-Erben-Sänger Oswald Henke bemerkt, dass die Szene in den letzten Jahren wieder etwas kleiner geworden ist. Das hänge auch damit zusammen, dass man sich wieder mehr von der Popmusikwelle abgrenzen wolle. Bands aus den Charts werden zum Wave Gotik Treffen bis heute nicht eingeladen:
"Dort wäre eine Gruppe wie The Cure oder Depeche Mode oder Rammstein vollkommen deplatziert. Die großen Bands sind eben im Endeffekt Bands, die zwar innerhalb dieser Szene sehr bekannt sind, aber die außerhalb jetzt nicht unbedingt Stadien oder große Hallen füllen würde,n und aus diesem Grund lasse ich diese Verkommerzialisierung des WGTs nicht gelten."

Die Ausstellung "Leipzig in Schwarz - 25 Jahre Wave-Gotik-Treffen" im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig ist vom 9. März bis 29. Mai 2016 zu sehen. Mehr Informationen auf der Webseite des Museums.

Das Wave Gotik Treffen in Leipzig findet in diesem Jahr vom 13. bis 16. Mai statt. Mehr Informationen auf der Webseite des Festivals.

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