Peter-René Becker: "Wie Tiere hämmern, bohren, streichen"

Unterwegs im Baumarkt der Natur

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Cover: Peter-René Becker "Wie Tiere hämmern, bohren, streichen: Werkzeuggebrauch und Bandbreite der Kulur bei tier und Menschen
Peter-René Becker, trägt zusammen, wie sich Tiere zu helfen wissen, wenn sie mit ihrem Maul oder ihren Klauen nicht zum Ziel kommen. © Hirzel / Deutschlandradio
Von Frank Kaspar · 12.02.2021
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Amseln, die Schnee räumen, hämmernde Wespen und Ameisen, die aus Schwämmen trinken: Werkzeuggebrauch ist in der Natur viel stärker verbreitet als gedacht. Der Biologe und Ethnologe Peter-René Becker berichtet von Tieren, die sich zu helfen wissen.
Was den Menschen vom Tier unterscheidet, diese Frage wird seit Jahrhunderten lebhaft diskutiert. Sie stellt sich auch deswegen immer wieder neu, weil viele Merkmale, die lange Zeit als exklusiv menschlich galten, inzwischen durch Naturbeobachtungen oder Experimente auch bei Tieren nachgewiesen wurden. Das gilt auch für den Gebrauch von Werkzeugen.

Eindrucksvollen Materialfülle

Dass manche Affen oder Vögel zum Beispiel Steine als Hammer und Amboss, Zweige und Dornen als Bohrer oder ein Stückchen Rinde als Pinsel verwenden, ist seit langem bekannt. Wie weit verbreitet derartiges Verhalten jedoch im gesamten Tierreich ist, das führt Peter-René Becker in seinem Buch anhand einer eindrucksvollen Materialfülle vor Augen.
Da gibt es auf der einen Seite Tiere, deren Verhalten den Eindruck erweckt, dass sie vorausschauend und planvoll handeln – etwa wenn Elefanten einen langen Ast benutzen, um schwer erreichbares Futter zu sich heran zu ziehen, oder einen kurzen Stock zu Hilfe nehmen, um sich an Stellen zu kratzen, die sie allein mit dem Rüssel nicht erreichen könnten.

Auch Insekten nutzen Hilfsmittel

Besonders verblüffend sind jedoch Berichte über tierische Lebewesen, denen auf den ersten Blick kaum jemand zutrauen würde, dass sie "körperfremde Gegenstände zur Erlangung eines kurzfristigen Ziels" einsetzen, wie der Biologe den Werkzeuggebrauch im Tierreich definiert.
Eine bestimmte Wespenart verschließt das Nest ihrer Brut samt Proviant, indem sie den Sand darüber mit einem Stein festklopft. Ameisen verwenden Blatt- und Holzstückchen als Schwämme, um damit Pflanzensäfte aufzusaugen und zu speichern. Raubwanzen, die Termiten fressen, benutzen den Panzer einer leer gesaugten Termite als Köder, um damit Artgenossen ihrer Beute anzulocken.

Nach Werkzeugen sortiert

Beckers Buch ist aufgebaut wie ein Baumarkt: Von Hammer und Amboss über Bohrer und Pinsel, Schwamm oder Besen reicht die Auswahl der Werkzeuge, für die er kapitelweise Pendants aus der Natur vorstellt. Fast 3000 Publikationen hat der Autor dafür ausgewertet, von wissenschaftlichen Studien bis zu Einzelbeobachtungen wie die einer Amsel in der englischen Grafschaft Devon, die mit einem Zweig den Boden vom Schnee befreite, um darunter nach Nahrung zu suchen.

Kultur im Tierreich?

Als Biologe und Ethnologe ist der Autor besonders daran interessiert, inwiefern Werkzeuggebrauch Hinweise auf Ansätze von Kultur im Tierreich gibt.
Davon könne nach heutigem Kenntnisstand aber nur in sehr seltenen Fällen die Rede sein: etwa bei Schimpansen oder Kapuzineraffen, die an ihre Nachkommen weitergeben, wie sie mit Hilfe von Steinen Nüsse knacken, was sich von Region zu Region unterscheiden kann.
Das sicherste Kriterium zur Abgrenzung von Mensch und Tier halte deshalb Loriot bereit, so Becker: "der Mensch sei das einzige Wesen, das im Fliegen eine warme Mahlzeit zu sich nehmen könne."

Peter-René Becker: "Wie Tiere hämmern, bohren, streichen. Werkzeuggebrauch und Bandbreite der Kultur bei Tier und Mensch"
Hirzel/ Stuttgart 2020
232 Seiten, 24 Euro

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