Perthes: El Kaida hat Lieblingsgegner verloren
Der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, sieht Erfolgschancen für die Bemühungen von US-Präsident Obama um ein besseres Verhältnis von USA und islamischer Welt. Barack Obamas Versuche, die islamische Öffentlichkeit für sich zu gewinnen, seien zumindest insoweit erfolgreich, dass die Propaganda von El Kaida heute nicht mehr so gut ankomme wie vor zwei oder drei Jahren.
Birgit Kolkmann: Barack Obama landete in Saudi-Arabien und im Fernsehen war zeitgleich Osama bin Laden zu hören, der El-Kaida-Chef, und zwar in einer Tonbandaufnahme, die der Fernsehsender Al Dschasira sendete. Obama habe den Hass auf die USA geschürt und verfolge die gleiche Politik wie sein Amtsvorgänger, hieß es da.
Doch der US-Präsident hat seine deutliche Abkehr von der Nahost-Politik unter Bush bereits mehrfach unterstrichen. Und als er gestern seine Nahost-Reise in Riad begann, wurde dies auch live im arabischen Fernsehen übertragen. Heute reist er nach Ägypten, wo er eine mit Spannung erwartete Rede an die islamische Welt halten wird - ein Thema, das Obama am Herzen liegt.
Beitrag von Klaus Remme aus Washington
Obama sucht neue Verbündete unter den Muslimen der Welt. Das war die These. Wir sind jetzt verbunden mit dem Nahostexperten Volker Perthes, dem Direktor des Instituts für Internationale Politik und Sicherheit. Schönen guten Morgen, Herr Perthes.
Volker Perthes: Guten Morgen!
Kolkmann: Wie gut sind denn die Chancen Obamas, neue Verbündete zu finden?
Perthes: Es geht, glaube ich, erst mal darum, tatsächlich alte Animositäten, die in den letzten acht Jahren vor allem geprägt worden sind, aufzubrechen und wieder ein offenes Ohr auch bei den Muslimen im Allgemeinen und bei den Arabern im ganz Besonderen zu finden. Die Bereitschaft, den Amerikanern wieder zuzuhören, den Amerikanern zu glauben, dass sie tatsächlich an einer fairen Lösung zum Beispiel des israelisch-arabischen Konflikts beteiligt sind, das sind die Schritte, die Obama eingeleitet hat, und da ist die Rede heute in Kairo sicher ganz wichtig für.
Kolkmann: Obama führt ja auch - und das haben wir im Beitrag gehört - seine Familiengeschichte ein, als Glaubwürdigkeitsfaktor. Wie kommt das an? Ist das eine Brücke der Verständigung?
Perthes: Ja, das kommt schon an, aber es reicht nicht. Viele Muslime werden sagen, das ist schön, dass er sich darauf bezieht, dass er sich nicht schämt, dass er vielleicht sogar stolz ist auf diesen teilweise muslimischen Hintergrund, aber wir wollen letztlich Politik sehen, wir wollen Fakten sehen, wir wollen sehen, was er wirklich macht an den drei Fronten, wenn Sie so sagen.
Das ist erstens das allgemeine Verhältnis zur islamischen Welt einschließlich all der Fronten, wo Amerikaner gegen Muslime kämpfen, im Irak oder in Afghanistan; das ist der Nahostkonflikt, wo man erwartet, dass Barack Obama Lösungen bringt; und das ist letztlich auch die schwierige Frage der inneren Verhältnisse in verbündeten arabischen Staaten, also in Ägypten etwa, wie sieht es da mit Demokratie und Menschenrechten aus.
Kolkmann: Beispiel Israel: Die Position zum Siedlungsbau dort ist ja klar, in der letzten Woche noch einmal unterstrichen. Die Reaktion der israelischen Regierung ist auch harsch. Wie kann das den Friedensprozess beeinflussen? Bleibt er praktisch blockiert?
Perthes: Wir haben ja keinen richtigen Friedensprozess derzeit und Barack Obama hat von Beginn seiner Amtszeit an gesagt, er will versuchen, diesen Friedensprozess wieder aufs Gleis zu heben, beziehungsweise einen neuen Friedensprozess zu starten. Das ist nicht leichter geworden nach dem Gaza-Krieg, das ist nicht leichter geworden mit der neuen israelischen Regierung, die die Verpflichtungen ihrer Vorgänger ablehnt, das ist auch nicht leichter geworden, weil wir ja praktisch keine handlungsfähige palästinensische Regierung haben, und da leistet Barack Obama und da leistet seine Regierung gewissermaßen Vorarbeit, indem sie sagt, es gibt bestimmte Voraussetzungen, die von den Parteien zu leisten sind, etwa, dass Israel nicht weiter die infrastrukturellen Gegebenheiten in den besetzten Gebieten durch weiteren Siedlungsbau verändert.
Kolkmann: Wie lange kann die israelische Regierung sich gegen diese Forderung der Amerikaner sperren?
Perthes: Sie kann sich sperren, aber sie wird sich natürlich damit auch Chancen nehmen, selbst Fortschritte irgendwo im außenpolitischen Bereich zu erzielen. Die israelische Regierung hat ja durchaus ein Interesse daran, dass die Beziehungen etwa mit arabischen Staaten im weiteren Umfeld Israels normalisiert werden; sie hat ein Interesse daran, dass die arabischen Staaten die westliche und internationale Position im Umgang mit Iran unterstützen. All dies wird kaum möglich sein, wenn Israel weiterhin auf Blockadehaltung in Bezug auf Verhandlungen und letztlich einen Frieden mit den Palästinensern setzt.
Kolkmann: Nach Israel reist Obama nicht. Er ist unterwegs nach Ägypten. Welche Schlüsselrolle spielt dieses Land?
Perthes: Ägypten spielt nicht mehr die Schlüsselrolle, die es vor 20 Jahren gespielt hat. Ägypten war natürlich - das ist 30 Jahre her - das erste arabische Land, was Frieden mit Israel geschlossen hat, hat eine sehr wichtige Rolle gespielt. Heute ist es im Wesentlichen in der Region wichtig als ein Mediator, ein Vermittler zwischen den zerstrittenen palästinensischen Fraktionen, aber auch zwischen Israel und der Hamas, zwischen Israel und den Palästinensern. In der weiteren arabischen Welt hat Saudi-Arabien weithin diese Führungsrolle, die diplomatische Führungsrolle übernommen und deshalb war Barack Obama auch zuerst gestern in Saudi-Arabien.
Kolkmann: Nun ist das andere große Problem der Mittlere Osten, Afghanistan, Pakistan. Die USA wird Verantwortung zugeben für den Feldzug gegen die Taliban. Die Stellungnahme des El-Kaida-Chefs wurde ja gestern zeitgleich mit der Ankunft des US-Präsidenten in Riad gesendet. Ist es da noch gar nicht ausgemacht, wie das ausgehen wird und ob das für die Amerikaner nicht sehr negativ ausgehen kann?
Perthes: Barack Obama weiß, dass der Feldzug oder die Stabilisierungsmission, wie immer Sie das nennen wollen, in Afghanistan in keinem guten Zustand ist, und deshalb hat er das ja auch zu einer Priorität gemacht und hat sehr schnell mehr Truppen dort hingeschickt, hat selber die zivile Aufbauhilfe verstärkt und die Verbündeten aufgefordert, also auch uns in Europa, mehr Hilfe zu leisten für die Stabilisierung von Afghanistan.
Er braucht auch - und auch dazu dient natürlich diese Reise jetzt in den Nahen Osten - zumindest die moralische Unterstützung, wenn man so will, auch von der muslimischen Öffentlichkeit. Mir scheint, dass seine Versuche, diese Öffentlichkeit zu gewinnen, zumindest insoweit ankommen, dass die Propaganda von El Kaida heute nicht mehr so gut ankommt wie vor zwei oder drei Jahren. El Kaida hat mit George Bush natürlich auch ihren Lieblingsgegner verloren.
Kolkmann: Das war Volker Perthes, der Direktor des Instituts für Internationale Politik und Sicherheit, zur Nahostreise von Barack Obama. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Perthes.
Perthes: Danke auch.
Doch der US-Präsident hat seine deutliche Abkehr von der Nahost-Politik unter Bush bereits mehrfach unterstrichen. Und als er gestern seine Nahost-Reise in Riad begann, wurde dies auch live im arabischen Fernsehen übertragen. Heute reist er nach Ägypten, wo er eine mit Spannung erwartete Rede an die islamische Welt halten wird - ein Thema, das Obama am Herzen liegt.
Beitrag von Klaus Remme aus Washington
Obama sucht neue Verbündete unter den Muslimen der Welt. Das war die These. Wir sind jetzt verbunden mit dem Nahostexperten Volker Perthes, dem Direktor des Instituts für Internationale Politik und Sicherheit. Schönen guten Morgen, Herr Perthes.
Volker Perthes: Guten Morgen!
Kolkmann: Wie gut sind denn die Chancen Obamas, neue Verbündete zu finden?
Perthes: Es geht, glaube ich, erst mal darum, tatsächlich alte Animositäten, die in den letzten acht Jahren vor allem geprägt worden sind, aufzubrechen und wieder ein offenes Ohr auch bei den Muslimen im Allgemeinen und bei den Arabern im ganz Besonderen zu finden. Die Bereitschaft, den Amerikanern wieder zuzuhören, den Amerikanern zu glauben, dass sie tatsächlich an einer fairen Lösung zum Beispiel des israelisch-arabischen Konflikts beteiligt sind, das sind die Schritte, die Obama eingeleitet hat, und da ist die Rede heute in Kairo sicher ganz wichtig für.
Kolkmann: Obama führt ja auch - und das haben wir im Beitrag gehört - seine Familiengeschichte ein, als Glaubwürdigkeitsfaktor. Wie kommt das an? Ist das eine Brücke der Verständigung?
Perthes: Ja, das kommt schon an, aber es reicht nicht. Viele Muslime werden sagen, das ist schön, dass er sich darauf bezieht, dass er sich nicht schämt, dass er vielleicht sogar stolz ist auf diesen teilweise muslimischen Hintergrund, aber wir wollen letztlich Politik sehen, wir wollen Fakten sehen, wir wollen sehen, was er wirklich macht an den drei Fronten, wenn Sie so sagen.
Das ist erstens das allgemeine Verhältnis zur islamischen Welt einschließlich all der Fronten, wo Amerikaner gegen Muslime kämpfen, im Irak oder in Afghanistan; das ist der Nahostkonflikt, wo man erwartet, dass Barack Obama Lösungen bringt; und das ist letztlich auch die schwierige Frage der inneren Verhältnisse in verbündeten arabischen Staaten, also in Ägypten etwa, wie sieht es da mit Demokratie und Menschenrechten aus.
Kolkmann: Beispiel Israel: Die Position zum Siedlungsbau dort ist ja klar, in der letzten Woche noch einmal unterstrichen. Die Reaktion der israelischen Regierung ist auch harsch. Wie kann das den Friedensprozess beeinflussen? Bleibt er praktisch blockiert?
Perthes: Wir haben ja keinen richtigen Friedensprozess derzeit und Barack Obama hat von Beginn seiner Amtszeit an gesagt, er will versuchen, diesen Friedensprozess wieder aufs Gleis zu heben, beziehungsweise einen neuen Friedensprozess zu starten. Das ist nicht leichter geworden nach dem Gaza-Krieg, das ist nicht leichter geworden mit der neuen israelischen Regierung, die die Verpflichtungen ihrer Vorgänger ablehnt, das ist auch nicht leichter geworden, weil wir ja praktisch keine handlungsfähige palästinensische Regierung haben, und da leistet Barack Obama und da leistet seine Regierung gewissermaßen Vorarbeit, indem sie sagt, es gibt bestimmte Voraussetzungen, die von den Parteien zu leisten sind, etwa, dass Israel nicht weiter die infrastrukturellen Gegebenheiten in den besetzten Gebieten durch weiteren Siedlungsbau verändert.
Kolkmann: Wie lange kann die israelische Regierung sich gegen diese Forderung der Amerikaner sperren?
Perthes: Sie kann sich sperren, aber sie wird sich natürlich damit auch Chancen nehmen, selbst Fortschritte irgendwo im außenpolitischen Bereich zu erzielen. Die israelische Regierung hat ja durchaus ein Interesse daran, dass die Beziehungen etwa mit arabischen Staaten im weiteren Umfeld Israels normalisiert werden; sie hat ein Interesse daran, dass die arabischen Staaten die westliche und internationale Position im Umgang mit Iran unterstützen. All dies wird kaum möglich sein, wenn Israel weiterhin auf Blockadehaltung in Bezug auf Verhandlungen und letztlich einen Frieden mit den Palästinensern setzt.
Kolkmann: Nach Israel reist Obama nicht. Er ist unterwegs nach Ägypten. Welche Schlüsselrolle spielt dieses Land?
Perthes: Ägypten spielt nicht mehr die Schlüsselrolle, die es vor 20 Jahren gespielt hat. Ägypten war natürlich - das ist 30 Jahre her - das erste arabische Land, was Frieden mit Israel geschlossen hat, hat eine sehr wichtige Rolle gespielt. Heute ist es im Wesentlichen in der Region wichtig als ein Mediator, ein Vermittler zwischen den zerstrittenen palästinensischen Fraktionen, aber auch zwischen Israel und der Hamas, zwischen Israel und den Palästinensern. In der weiteren arabischen Welt hat Saudi-Arabien weithin diese Führungsrolle, die diplomatische Führungsrolle übernommen und deshalb war Barack Obama auch zuerst gestern in Saudi-Arabien.
Kolkmann: Nun ist das andere große Problem der Mittlere Osten, Afghanistan, Pakistan. Die USA wird Verantwortung zugeben für den Feldzug gegen die Taliban. Die Stellungnahme des El-Kaida-Chefs wurde ja gestern zeitgleich mit der Ankunft des US-Präsidenten in Riad gesendet. Ist es da noch gar nicht ausgemacht, wie das ausgehen wird und ob das für die Amerikaner nicht sehr negativ ausgehen kann?
Perthes: Barack Obama weiß, dass der Feldzug oder die Stabilisierungsmission, wie immer Sie das nennen wollen, in Afghanistan in keinem guten Zustand ist, und deshalb hat er das ja auch zu einer Priorität gemacht und hat sehr schnell mehr Truppen dort hingeschickt, hat selber die zivile Aufbauhilfe verstärkt und die Verbündeten aufgefordert, also auch uns in Europa, mehr Hilfe zu leisten für die Stabilisierung von Afghanistan.
Er braucht auch - und auch dazu dient natürlich diese Reise jetzt in den Nahen Osten - zumindest die moralische Unterstützung, wenn man so will, auch von der muslimischen Öffentlichkeit. Mir scheint, dass seine Versuche, diese Öffentlichkeit zu gewinnen, zumindest insoweit ankommen, dass die Propaganda von El Kaida heute nicht mehr so gut ankommt wie vor zwei oder drei Jahren. El Kaida hat mit George Bush natürlich auch ihren Lieblingsgegner verloren.
Kolkmann: Das war Volker Perthes, der Direktor des Instituts für Internationale Politik und Sicherheit, zur Nahostreise von Barack Obama. Ich danke Ihnen für das Gespräch, Herr Perthes.
Perthes: Danke auch.