Permanent spannendes Kammerspiel

Rezensiert von Lutz Bunk |
Eine spleenige Aktion, wissenschaftlich vollkommen überflüssig, denn der Südpol war damals längst entdeckt: "Der eiskalte Himmel" beschreibt höchst authentisch und akribisch eine Expedition, die 1914 das Ziel hatte, die Antarktis zu Fuß zu durchqueren. Mirko Bonné macht daraus einen hochliterarischen Abenteuerroman, der sprachlich begeistert.
"Der eiskalte Himmel", so heißt der neue und dritte Roman, den der deutsche Autor Mirko Bonné jetzt vorgelegt hat. Neben seiner Arbeit als Romancier (1999: "Der junge Fordt", 2002: "Ein langsamer Sturz") machte sich Bonné einen Namen als Übersetzer der Lyrik von John Keats, E.E. Cummings und William Butler Yeats und brachte auch drei eigene Gedichtbände heraus. Dreimal wurde Bonné mit Literaturpreisen ausgezeichnet.

"Der eiskalte Himmel" ist ein klassischer historischer Roman. Er beschreibt höchst authentisch und akribisch eine Antarktis-Expedition, die 1914 das Ziel hatte, den antarktischen Kontinent zu Fuß zu durchqueren - im Prinzip eine spleenige und rein sportliche Aktion und wissenschaftlich vollkommen überflüssig, denn der Südpol war längst vom Norweger Amundsen entdeckt worden. Tatsächlich verlässt das Expeditionsschiff, die "Endurance", an jenem Tag England, als der Zweite Weltkrieg beginnt, und es verschwindet und sinkt im Packeis der Antarktis. Die 28 Männer retten sich auf Eisschollen, dann auf Ruderboote, landen auf einer Insel und werden nach 653 Tagen gerettet, und zwar alle: Also eine wahre Geschichte mit einem Happy-End.

Mirko Bonné benutzt einen Ich-Erzähler, den 17-jährigen Merce Blackboro, der sich tatsächlich bei der historischen Expedition als blinder Passagier an Bord versteckt hatte, bald aber zum Liebling und Maskottchen an Bord wurde. Bonné beschreibt also diese Expedition aus der Perspektive eines unbekümmerten, neugierigen Jugendlichen, was das Buch angenehm unpathetisch macht; und diese reine Innensicht, die Bonné gewählt hat, dramatisiert gleichzeitig die Handlung und macht sie zu einem permanent spannenden Kammerspiel.

"Der eiskalte Himmel" ist das, was man gemeinhin einen Abenteuerroman nennt, allerdings handelt es sich hier um einen hochliterarischen Abenteuerroman.

Besonders zwei Aspekte begeistern sprachlich. Bonné schafft es, den kultivierten Plauderton, der tatsächlich unter den Teilnehmern während der Expedition herrschte, weswegen sie auch unter anderem so berühmt wurde, getreu einzufangen: Jenen permanenten britischen Humor, trotzig lakonisch, grimmig charmant; und das kommt bei Bonné sehr selbstverständlich, locker und authentisch daher.

Und Bonné, der auch Lyriker ist - er hat drei Gedichtbände herausgebracht - setzt wohl dosiert Poesie ein, kreiert genuine Sprachschöpfungen und Bilder: Da ist es "aasig kalt", oder er beschreibt die Expeditionskatze: "Grau, schwarz und weiß, ein perfekt getigertes Chaos auf vier Beinen", … das "mir mit lautem Schnurrmotor um die Beine fährt".

Mirko Bonnés "Der eiskalte Himmel" erinnert an Stan Nadolnys "Die Entdeckung der Langsamkeit", kongenial sind Bonnés unbekümmert-fröhlicher Grundton und sein ruhiger und sprach-sicherer Rhythmus; ein Buch, in das man sich verlieben kann: Lesen (!) und sich dabei viel Ruhe nehmen, oder, wenn man so will, Ruhe finden.

Mirko Bonné: Der eiskalte Himmel
Schöffling & Co Verlag, Frankfurt/Main 2006
432 Seiten, 24,90 Euro