Pensionär Werner Philippi

Ziviler Ungehorsam für mehr Klimaschutz

06:20 Minuten
Eine Gruppe Klima-Protestierender steht gemeinsam auf der Straße, mittendrin der Rentner Werner Philippi mit seiner Trommel.
Trommeln für den Klimaschutz – Werner Philippi überlässt dies nicht allein der jungen Generation. © Deutschlandradio/ Tini von Poser
Von Tini von Poser · 03.12.2019
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Raus aus dem Rentnerdasein, hinein in die Aktivistenszene – dafür hat sich der ehemalige Sportlehrer Werner Philippi entschieden. Also geht er für die Zukunft seiner Enkel auf die Straße. Er kämpft für den Klimaschutz bis zur Schmerzgrenze.
"Mit meinen 67: Mein Berufsleben schön durchgezogen, immer ein bisschen mehr Geld verdient, immer mehr etwas sich erlauben können."
Irgendwann sei er aufgewacht, sagt Werner Philippi.
"Wir haben die Ernsthaftigkeit des Problems nicht gesehen. Die Dringlichkeit nicht. Dass wir nur noch wenige Jahre haben, eh die Kipppunkte kommen."

Raus aus der Lethargie!

Philippi fürchtet, dass die Chance vertan wird, die globale Erwärmung zu stoppen und dass sich Menschen zunehmend um Grundnahrungsmittel und Wasser streiten.
"Am meisten belastet es mich, wenn ich da an meine Kinder und Enkel denke. Die sozialen Verwerfungen, die kommen werden. Die sind ja jetzt schon dran. Die Generationen fangen an, untereinander zu streiten. Die Fridays sagen: Ihr verbrennt uns alles. Ihr verbrennt uns Gas, Kohle. Ihr verbrennt die Wälder. Ihr seid eine Brandgesellschaft. Ihr verbrennt auch unsere Zukunft."
Aktivistinnen sitzen auf einem Holzboot, welches ein großes Banner mit dem Schriftzug "Klimakrise" trägt.
Er habe die Ernsthaftigkeit des Problems lange nicht gesehen, sagt Werner Philippi, aber irgendwann sei er aufgewacht.© Deutschlandradio/ Tini von Poser
Zunächst lief der Kölner bei den "Fridays for Future" mit, seit Anfang des Jahres engagiert er sich auch für die Klimabewegung "Extinction Rebellion".
"Die ‚Fridays‘ haben einen ganz speziellen Rahmen, die Verletzung der Schulpflicht. Die Schulpflicht ist ja eine Errungenschaft der Zivilisation. Ich stehe voll hinter der Schulpflicht. Aber es ist absolut notwendig auch für die ‚Fridays‘, diese Schulpflicht zu verletzen und das, was sie machen, ist ja auch erfolgreich. Sie haben die Aufmerksamkeit. Die Gruppe ‚Extinction Rebellion‘ sagt, wir müssen das weiter ausdehnen, wir müssen viel mehr Teile der Bevölkerung stören, wachrütteln, aus ihrer Lethargie herausbekommen."

Gesucht: 30- bis 50-jährige Mitstreiter

Als "Extinction Rebellion" im Oktober in Berlin Straßen und Brücken blockierte, war Werner Philippi dabei. Er ist nicht der einzige Ältere unter den Protestierenden, aber die meisten Klimarebellen sind zwischen 20 und 30 Jahre alt.
"Was uns leider fast komplett fehlt, ist die Altersklasse zwischen und 30 und 50. Das fehlt den Klimabewegungen insgesamt. Das sind diejenigen, die in der Komfortzone entweder angekommen sind oder aber mit Kindern und zwei Jobs und Arbeiten einfach sagen, ich kann nicht, ich kann da jetzt nicht mitmachen. Sehr problematisch, das wären eigentlich die, die da als erstes laufen müssten mit den ‚Fridays‘. So ist das eben. Aber die ‚Grannies‘ laufen, die ‚Parents for Future‘ und die internationale Gruppe ‚Extinction Rebellion‘."
Werner Philippi und seinen Mitstreitern geht es darum, mit zivilem Ungehorsam das öffentliche Leben zu stören und eine kritische Öffentlichkeit zu schaffen, um die Regierung zum Handeln zu zwingen. Für den Klimaschutz.
Werner Philippi kniet auf der Straße während eines Klimastreiks.
60 bis 70 Veranstaltungen und Aktionen habe er in der letzten Zeit besucht, sagt Werner Philippi.© Deutscchlandradio/ Tini von Poser
"Ich war bestimmt auf 60, 70 Veranstaltungen und Aktionen in der letzten Zeit – absolut gewaltfrei. Da fliegen keine Steine, da fliegen keine Flaschen auf der Demo. Wir beleidigen keinen, auch nicht Autofahrer, die anhalten. Die Idee ist, dass wir alle zusammen kommen können, weil wir, so hoffen wir, ein gemeinsames Ziel haben, aber wer sich mit diesem Ziel nicht identifizieren kann, weil er sagt, der Klimawandel existiert nicht, der wird auch nicht zu uns kommen."

Wir haben ein gutes Versammlungsrecht, aber...

Für seinen Kampf für das Klima ist Werner Philippi aber inzwischen bereit, noch einen Schritt weiter zu gehen. Bei den Blockaden in Berlin gehört er zu denjenigen, die sich durch Stahlrohre aneinander ketten. So habe die Polizei kein leichtes Spiel, sie weg zu tragen.
"Wir haben ein sehr gutes Versammlungsrecht. Wir können uns unter freiem Himmel stellen, melden das an, und sagen unsere Meinung, das ist toll. Aber Blockieren, das ist eine ganz eigene Sache. Das ist nicht anmeldbar, es ist im Prinzip eine Ordnungswidrigkeit. Das geht auch in den Bereich Strafbarkeit. Da ist die Frage, wenn man sitzen bleibt, ob man geräumt wird."

Gewaltfrei demonstrieren bis der Schmerz kommt

Sachbeschädigung oder Besetzung von Flughäfen lehnt Werner Philippi aber vehement ab. Doch Philippis Kampf ist auf seine Weise radikal, weil er in der Auseinandersetzung um die Klimapolitik die Grenzen seines eigenen Körpers austestet. Er hat in Berlin bei Kälte mehrere Tage auf der Straße übernachtet, Nahrungsmittel verweigert, viele Stunden am Stück mit seinen Händen in den Stahlrohren verharrt, bis sie anschwollen und schmerzten.
"Auf der einen Seite bin ich hundemüde, völlig übermüdet, mir ist kalt, ich habe wenig gegessen und getrunken. Und trotzdem mit einem unheimlichen Glücksgefühl, das mich hier hält. Adrenalinspiegel ist ganz, ganz oben. Völlig fertig, aber toll."
Die Zukunft seiner vier Kinder und seiner vier Enkel sei für ihn genug Motivation, weiter zu protestieren, sagt der pensionierte Lehrer.
"Wenn ich die sehe, weiß ich, ich kann nicht in meinem Sessel sitzen bleiben und dem tatenlos zu sehen. Das geht nicht mehr. Ich muss raus. Ich werde es gewaltfrei tun, aber ich werde es tun und auch nicht weg gehen."
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