Pegida

"Da sind einige rechte Mitläufer dabei"

Teilnehmer einer Demonstration unter dem Motto "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (PEGIDA) warten am 01.12.2014 auf dem Terrassenufer in Dresden (Sachsen). Sie wollten zum Theaterplatz marschieren, wurden daran aber von Gegendemonstranten gehindert.
Die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" bringen derzeit Tausende Menschen auf die Straße © picture alliance / dpa / Arno Burgi
Pfarrer Christian Behr im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 15.12.2014
Heute Abend demonstrieren sie wieder in Dresden - die Verteidiger des christlichen Abendlandes. Die evangelische Kirche in der sächsischen Stadt sucht ihr Heil im Dialog mit der Pegida-Bewegung. Kreuzkirchen-Pfarrer Christian Behr spricht von einem "gemeinsamen Weg".
Der Superintendent für den Kirchenbezirk Dresden Mitte, Christian Behr, sagte im Deutschlandradio Kultur, bei den Veranstaltungen gegen die Neonazi-Demonstrationen anlässlich des Jahrestages des alliierten Bombardements auf Dresden sei das "Feindbild" in der Vergangenheit relativ klar gewesen – "wenn man das als Christ und Pfarrer überhaupt so ausdrücken kann". Dass sei nun bei Pegida nicht so, betonte Behr. Man könne nicht alle Demonstranten in die rechte Ecke stellen. "Da sind einige rechte Mitläufer dabei", sagte der Pfarrer der Kreuzkirche. Es bestehe zudem die Gefahr, dass diese die Oberhand gewönnen. Das Wichtige sei dennoch, nicht eine "totale Abgrenzung hinzulegen", sondern miteinander ins Gespräch zu kommen und wieder einen gemeinsamen Weg zu finden.
Es gebe unter den Pegida-Anhängern offenbar "Angst vor dem Unbekannten" und davor, dass der Islamische Staat und seine Verbrechen nach Europa "schwappen" könnten, sagte Behr. In Dresden gebe es weder Probleme mit Muslimen noch mit zu viel Zuwanderung, räumte Behr ein. Warum Pegida gerade in Dresden so erfolgreich ist, erklärte er zum Teil mit einem "Demonstrations-Tourismus" in die sächsische Stadt. Zudem sei Dresden eine "etwas abgeschottete, bürgerliche Stadt", "wo manche Menschen vielleicht doch die Aufklärung über das, was passiert, was auch in Dresden an Positivem passiert, (...) noch nicht so im Blick haben". Es gebe in Dresden viel Engagement für Asylbewerber, so Behr. Das müsse jetzt wieder in den Mittelpunkt gerückt werden, forderte er.

Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Sie haben es eben gehört, sie gerieren sich als Retter des christlich-jüdischen Abendlands vor dem Islam, die Führer der sich Pegida nennenden Bewegung patriotischer Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, so nennt sich diese Bewegung. Einen, den haben wir eben gehört, der hat sogar eine kriminelle Vergangenheit. Nichtsdestotrotz folgen Pegida 10.000 Menschen, so geschehen am vorigen Montag in Dresden. Und vor dem heutigen, wieder von Pegida angemeldeten Abendspaziergang wollen wir darüber mit Christian Behr sprechen. Er ist Pfarrer an der Dresdner Kreuzkirche und Superintendent des Kirchenbezirks Dresden-Mitte. Er gehört zum Gegenbündnis "Dresden für alle", das am vorigen Montag fast genauso viele Demonstranten auf die Straße gebracht hat. Herr Behr, guten Morgen!
Christian Behr: Guten Morgen!
von Billerbeck: Pegida hat sich die Verteidigung, Zitat, „der christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur" auf die Fahnen geschrieben. Braucht denn die christliche Kirche diese Unterstützung?
Behr: Ich könnte sagen, die christliche Kirche braucht jede Unterstützung, aber natürlich aktive Unterstützung, also dass man Christentum lebt. Und ich denke, das ist was, was vielleicht an manchen Stellen wiederum fehlt. Wir brauchen keine passive Abschottung nach außen, sondern dass Menschen sich in Kirche engagieren und das Christentum leben.
Die Kirchenleitung unserer Landeskirche hat am letzten Freitag, also vor zehn Tagen, dazu auch noch mal ein Positionspapier auch mit erarbeitet, wo draufsteht, dass das Christentum eben nur in dem Dialog mit anderen Religionen, mit anderen Sprachen, mit anderen Kulturen überhaupt erst entstanden ist. Und so, denke ich, kann auch heute nur Christentum international gelebt werden.
von Billerbeck: Das heißt, deshalb distanziert sich Ihre Kirche auch von diesem Bündnis?
Behr: Sie differenziert sich vor allem von dem, was dort auch mit gesprochen wird, also von den Inhalten. Menschen sind natürlich einige auch dort mit dabei, die wir versuchen, auch wieder, ja, sagen wir mal, natürlich durch Bildung und durch das, was wir miteinander auch wollen, vielleicht auch wieder auf einen anderen Weg mit zu bringen.
von Billerbeck: Nun gibt es ja in Sachsen einen sehr geringen Ausländeranteil von etwa 2,2 Prozent, und wenn ich nicht täusche, sind sogar nur 0,1 Prozent der Bevölkerung Muslime, das sind also 4000 Menschen. Warum ist die Angst trotzdem so groß, dass eine solche Bewegung daraus entstehen kann?
Pegida-Anhänger haben "Angst vor dem Unbekannten"
Behr: Da bin ich nun kein Soziologe, aber wahrscheinlich ist es doch auch wieder sehr die Angst vor dem Unbekannten und das, was jetzt die Welt bewegt. Das bewegt uns ja nicht in Dresden direkt, weil vor Ort wir keine Probleme mit Muslimen haben, auch keine Probleme mit zu viel Zuwanderung, weil das in Dresden eher noch mehr sein könnte.
Aber die Fragen, die eben zurzeit über den Äther gehen mit dem, was vom Islamischen Staat und anderen mit vollbracht wird oder an wirklich Verbrechen begangen wird, dass da eine Angst ist, dass so was hier nach Europa schwappen könnte. Ich denke, das bewegt die Menschen mit, und deswegen gehen sie auf die Straße, aber nicht das, was sie hier vor Ort erleben, da gibt es eigentlich nur viel Konsens, viel Miteinander, auch mit den wenigen Muslimen, in Dresden sollen es wohl 0,4 Prozent sein, haben wir in der Ökumene auch ein sehr gutes Miteinander.
Wir haben einen Stadt-Ökumene-Kreis, wo alle christlichen Konfessionen zusammen sind, und dort das Gespräch suchen wir immer mit der jüdischen Gemeinde, jetzt auch mit der muslimischen Gemeinde, um da auch die Gemeinsamkeiten zu stärken und zu sehen, wie wir im Gespräch bleiben. Das ist, denke ich, das Wichtige fürs christliche Abendland, dass wir da auch die Toleranz mit nach vorne bringen.
von Billerbeck: Interessant war ja, dass in anderen Städten Pegida nicht so erfolgreich war, also in Düsseldorf, da hat man 2000 Demonstranten erwartet, es kamen nur 400, in Dresden waren es 10.000. Warum ist diese Bewegung ausgerechnet in Dresden so erfolgreich?
"Es gibt einen Demonstrationstourismus nach Dresden"
Behr: Da überlegen viele Leute dran und ich glaube, keiner hat bis jetzt das Rezept. Das eine ist vielleicht, dass es seit den Neonazi-Aufmärschen in den letzten zehn Jahren einen gewissen Demonstrationstourismus auch nach Dresden gibt, aber die andere Seite vielleicht auch, dass es eine etwas abgeschottete bürgerliche Stadt ist, wo manche Menschen vielleicht doch die Aufklärung über das, was passiert, was auch in Dresden an Positivem passiert, vielleicht auch noch nicht so im Blick haben.
Hier gibt es ein relativ großes Engagement, was jetzt auch mehr öffentlich wird, wie wir mit Asylbewerbern, mit Migranten auch umgehen, und das, denke ich, das wieder mehr in den Blickpunkt zu stellen und da auch Ängste abzubauen, das ist vielleicht das, was dran ist.
von Billerbeck: Wie geht man denn nun am besten mit Pegida um, also mit den Anführern und vor allem aber mit den Menschen, die da demonstrieren gehen? Sie haben ja für heute Abend auch eine Demonstration angemeldet. Ist das eine Gegendemonstration oder wie ist das gemeint?
Behr: Ich nenne es immer eine Für-Demonstration.
von Billerbeck: Schöner Name.
Behr: Wir sind eben nicht gegen etwas direkt, sondern für Toleranz, für auch Einhaltung der Menschenrechte und natürlich auch gegen eine Abschottung. Das Kulturbüro Sachsen nannte das einen aufkommenden Chauvinismus, also so eine Abgrenzungskultur und -bewegung, die so fast in ganz Deutschland wieder nach vorne kommt, sich gegen Fremdes, gegen alles abgrenzen, um selber nach vorne zu kommen.
Aber eine Nation als abgeschottete Gruppe können wir uns nicht vorstellen und wollen deswegen auch doch da dagegen sein. Aber wir wollen besonders nach vorne bringen, was wir für Migration tun, was wir auch für die Ankommens-Kultur auch hier in Dresden und der Umgebung tun, und da passiert sehr viel. Vielleicht ist das zurzeit etwas vom Pegida-Hype überdeckt.
von Billerbeck: Nun gibt es ja ein anderes Datum, das auch immer gern von Rechten okkupiert wird, nämlich das Datum 13. Februar, als die Bombardements 1945 auf Dresden niedergingen. Da gab es ja auch Auseinandersetzungen. Aus diesen Erfahrungen können Sie ja schöpfen. Trotzdem hat man das Gefühl, dass diese Pegida-Demonstrationen eine andere, eine neue Qualität haben. Sehen Sie das auch so?
"Nicht alle Pegida-Anhänger in die rechte Ecke stellen"
Behr: Das sehen, glaube ich, fast alle so. Es ist so, dass bei den 13.-Februar-Demonstrationen das Feindbild relativ klar war, wenn man das als Christ und Pfarrer überhaupt so ausdrücken kann, aber da war klar, wer dort demonstriert, es war eine Sammlung, auch fast europaweite Sammlung von Neonazis, von NPD-Mitgliedern, und da war auch klar, wie man sich doch auch sehr aktiv und konsequent dagegen stellt.
Das ist bei Pegida, denke ich, nicht so, und ich denke auch, dass man da nicht die ganze Gruppe in eine rechte Ecke stellen kann. Das sind einige rechte Mitläufer dabei, wo die Gefahr besteht, dass sie vielleicht auch die Oberhand gewinnen und die anderen mitziehen, aber ich denke, das Wichtige ist, da nicht so eine totale Abgrenzung hinzulegen, sondern zu sehen: Wie kann man durch miteinander reden, vielleicht auch durch Dialog mit den Menschen, vielleicht nicht mit den Zielen, das ist schwierig, da genau eine Abgrenzung hinzubekommen, dort wirklich miteinander ins Gespräch zu kommen und da vielleicht wieder den gemeinsamen Weg zu finden.
von Billerbeck: Christian Behr war das, Pfarrer an der Kreuzkirche und Superintendent der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche im Kirchenbezirk Dresden-Mitte. Ich danke Ihnen für das Gespräch!
Behr: Ich danke auch Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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