Pediküre für Milchkühe

Von Lutz Reidt |
Den Winter muss das Nutzvieh in den Ställen verbringen. Dort ist der feuchte Boden ein ideales Keimbett für Krankheitserreger, die zu Entzündungen der Hufe führen können. Der Tüftler Udo Schmidt hat dagegen einen Fußabtreter für Milchkühe entwickelt.
Nach dem Melken geht´s zur Pediküre. Fußpflege ist angesagt im Kuhstall von Bauer Bürger-Grebe, oder besser: Klauenpflege. Es ist später Nachmittag auf dem Hof im nordhessischen Korbach. Die Milchkühe steigen vom Melkplatz auf ein Podest. Darauf: ein zwei Meter langer Gitterrost, unter dem Spezial-Bürsten rotieren.

Der Erfinder dieser Apparatur, der Tüftler Udo Schmidt, beobachtet die erste Kuh, die sich dem Podest nähert:

„Sie geht jetzt die erste Stufe hoch, geht durch die Lichtschranke, die Maschine schaltet sich an; sie geht über den Klauenreiniger, bleibt etwas stehen, verhofft, der Klauenunterfuß wird gereinigt und gleichzeitig von unten mit einem Pflegemittel eingestrichen, sodass eventuelle Bakterien auch abgetötet werden. Und so trägt das Gerät einmal zum Wohlfühlverhalten der Kuh bei, und im wesentlichen natürlich zur Tiergesundheit. Und wir wissen mittlerweile, dass dadurch das Leben einer Kuh auch mit Sicherheit verlängert wird.“

Gesunde Kühe im Milchviehstall – das ist nicht selbstverständlich. Das weiß auch Landwirt Reinhard Bürger-Grebe, der diesen „Fußabtreter“, den Klauenreiniger für Milchkühe, seit rund einem Jahr testet.

Das Gerät ist hoch willkommen. Denn feuchte und kotverschmierte Stallböden sind ein ideales Keimbett für Krankheitserreger. Und die Rinder stehen und laufen mit ihren Hufen, den Klauen, ständig darin herum – dies ist auch eine Folge der ständigen Stallhaltung.

Wenn die Rinder dagegen regelmäßig draußen herumlaufen, reinigen sich die Klauen beim Gang über Stock und Stein sowie im Gras auf der Weide von selber.

Doch Reinhard Bürger-Grebe lässt seine 170 Milchkühe lieber im Stall. Und obwohl er dort peinlich auf einwandfreie Hygiene achtet, kennt er die Folgen der ständigen Keimbelastung: Entzündungen im Bereich der Hufe.

Reinhard Bürger-Grebe: „Und das ist wie so eine Art Fußpilz, der unter dem Huf ist. Das ist sehr, sehr schmerzhaft, wenn es gerade frisch ausgebrochen ist; und das ist so schmerzhaft, dass die Kühe wirklich richtig lahm gehen.“

Udo Schmid: „Und Sie können sich vorstellen: Eine lahme Kuh liegt dann irgendwo in ‚ner Liegebox und dann ist sie nicht mehr in der Lage aufzustehen, weil ihr der Fuß wehtut; und dann geht sie nicht mehr zum Fressen, sie säuft nichts mehr und dann ist natürlich die Grundlage für eine vernünftige Milchproduktion nicht mehr gegeben.“

Der in der Nähe von Göttingen tätige Landgeräte-Erfinder kennt die Probleme vor allem in Niedersachsen, der Hochburg der deutschen Milchviehhaltung: Von den rund 700.000 Kühen erleiden dort jährlich weit mehr als 100.000 Tiere mindestens einmal im Jahr eine solch schmerzhafte Klauenentzündung. Bei einigen 1000 Rindern wird die Krankheit so schlimm, dass sie vorzeitig zur Schlachtbank geführt werden müssen.

Tüftler Udo Schmidt ist überzeugt, dass dies bald nicht mehr notwendig ist – dank seiner Erfindung, die auf der Fachmesse „Eurotier“ in Hannover mit einer Silbermedaille für „zukunftsweisende Innovationen“ ausgezeichnet wurde.

Anfangs zierten sich die Kühe noch, auf den Rost zu steigen, erinnert sich Landwirt Bürger-Grebe. Da musste er schon mal nachhelfen und sein Milchvieh antreiben. Doch nach zwei, drei Tagen hatten sich alle Rinder daran gewöhnt.

Inzwischen muss er öfters einige „Spielkühe“ vom Podest runter treiben, denen die Pediküre offenbar nicht ausgiebig genug sein kann:

„Ja, die gibt´s. Es gibt eindeutig welche, die das ausnutzen, und die bleiben dann oben stehen und gucken mal oben drüber, ein bisschen in der Gegend herum. Also, für mich ist das ein Zeichen, dass es die Kühe überhaupt nicht belastet, wenn sie da drüber gehen; als wenn sie durch den Stall gehen würden, gehen die über die Maschine. Während sie da drüber gehen, über die Bürste, sind sie am Wiederkauen; und das ist eigentlich ein sehr gutes Zeichen von Entspannung.“

Die Milchkühe von Reinhard Bürger-Grebe scheinen ohne die Pediküre nicht mehr auskommen zu wollen. Untersuchungen des hessischen Landesbetriebs Landwirtschaft belegen auch, dass durch diese maschinelle Klauenpflege bereits nach einem halben Jahr der Anteil gesunder Kühe von knapp 60 auf mehr als 80 Prozent gestiegen ist. Schwere Krankheitsfälle gibt es überhaupt nicht mehr.

Durch diese Zahlen sieht sich auch Erfinder Udo Schmidt bestätigt. Ohnehin hatte der Tüftler nie Zweifel, dass die Kühe diese Pediküre nicht annehmen würden. Zumal auch sein Selbstversuch erfolgreich verlief:

„Also, wenn Sie jetzt Schuhe anhaben mit einer dünneren Sohle und sie stellen sich drauf, dann merken Sie die Borsten. Also, das ist ein angenehmes Gefühl. Habe auch schon selber drauf gestanden, barfuß draufgestanden. Ich habe mich auch schon mal selber drauf gesetzt, um auch an den empfindlichen Stellen mal zu sehen, ob die Bürste auch keinen Schaden an der Klaue anrichtet, und das ist tadellos.“