Paul-Lincke-Biografie

Ein Profiteur des Dritten Reiches

Der deutsche Komponist und Musikverleger Paul Lincke (1866–1946) in einer Aufnahme um 1905
Der deutsche Komponist und Musikverleger Paul Lincke (1866–1946) in einer Aufnahme um 1905 © dpa / picture alliance
Albrecht Dümling im Gespräch mit Carsten Beyer |
Mit Gassenhauern wie "Das macht die Berliner Luft" wurde der Berliner Revue- und Operettenkomponist Paul Lincke (1886-1946) Anfang des 20. Jahrhunderts bekannt. Eine neue Biografie zeigt, wie eng er mit den Größen des Dritten Reiches verbunden war.
Das Besonders an der Biografie "Paul Lincke: Sein Leben in Bildern und Dokumente" ist für Musikwissenschaftler Albrecht Dümling der Materialreichtum des Buches. Autor Jan Kutscher habe verschiedene öffentlichen und private Archive genutzt. Die Biografie zeige ein differenziertes Bild des Komponisten, meint Dümling.
"Wir sehen, Lincke war wie Richard Strauss kein Held. Wir sehen, dass er es zugelassen hat, dass die jüdischen Textautoren verschwiegen wurden. Er gehört zu den Profiteuren des Dritten Reiches."
Lincke sei aber aber kein Antisemit gewesen. In der Weimarer Zeit habe er oft mit Textdichtern und Komponisten jüdischer Herkunft zusammengearbeitet, etwa Benno Jacobsen, der den Text zur Berliner Luft geschrieben hat. Als Komponisten wie Friedrich Hollaender, Paul Abraham oder Emmerich Kálmán von den Nazis verfolgt und ihre Werke verboten wurden, sei Lincke dann ziemlich einsam gewesen unter den Prominenten. Er habe nach 1933 zwar zunächst noch zu einigen jüdischen Kollegen Kontakt gehalten, der dann aber sehr schnell nachgelassen habe, so Musikwissenschaftler Dümling.

Skat mit Magda Goebbels, liebevolle Briefe an Hans Hinkel

Jan Kutschers Biografie zeigt laut Dümling Linckes persönliche Nähe zu bedeutenden Persönlichkeiten des Nazi-Regimes, etwa Reichskulturverwalter Hans Hinkel, einer der engsten Mitarbeiter von Joseph Goebbels.
"Kutscher hat Briefe gefunden, in denen es heißt: Mein lieber Hans. Und Lincke unterschreibt als Papa Paul. Er hat auch für den Sohn von Hinkel gesorgt. Es war ein sehr enges freundschaftliches Verhältnis."
Eine ähnlich enge Verbindung habe Lincke zum Reichsbühnenbildner Benno von Arent gepflegt. Mit Joseph Goebbels Ehefrau Magda habe er Skat gespielt.
"Er war schon in den Kreisen drin. Gobbels hat ihm im Auftrag des Führers die Goethe-Medaille verliehen und den Ehrenbürgerbrief der Stadt Berlin", sagte Dümling.
Lincke-Biograf Kutscher kann laut Dümling sehr gut belegen, wie die Renaissance von Linckes Musik in der Nazi-Zeit ihm erhebliche Mehreinnahmen brachte. Zwischen 1934 und 1940 Einkommen habe sich sein Einkommen in etwa verdreifacht.
Gedenktafel für Paul Lincke an einem Haus in der Oranienstraße (Nähe Moritzplatz) in Berlin-Kreuzberg, in dem der Berliner Komponist viele Jahre lebte und arbeitete.
Gedenktafel für Paul Lincke an seinem ehemaligen Wohnhaus in der Oranienstraße in Berlin-Kreuzberg.© imago / PEMAX

Zwei Märsche: "Unsre braunen Jungs", "Unsre braunen Mädel"

Musikwissenschaftler Dümling vergleicht Paul Lincke mit André Rieu und James Last. Er habe gewusst, was das Publikum hören will. Er sei ein Star seiner Zeit gewesen und ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann, der seine Werke im eigenen Apollo Musikverlag auswertete. In der Weimarer Republik habe Linckes Popularität nachgelassen:
"Er war ein Mann der Kaiserzeit. Die neuen Rhythmen aus Amerika - Charleston, Foxtrott - haben ihm nicht so zugesagt. Marsch war sein Gebiet, neben Melodie. Und Märsche waren 1933 wieder gefragt. Auch im Rundfunk wurde er viel gesendet. Er hat sich dem Regime durchaus angepasst. Er hat Märsche geschrieben wie 'Unsre braunen Jungen' und 'Unsre braunen Mädel'. Und er hat offenbar auch Hitler ein Lied gewidmet, das noch nicht gefunden wurde", so Dümling.
(mia)
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