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Turandot und der fröhliche Trauermarsch

Er war Modernist und Konservativer zugleich, und im amerikanischen Exil besann er sich 1943 auf die deutsche Romantik: der Komponist Paul Hindemith. In den „Sinfonischen Metamorphosen“ erkundete er die Welt Carl Maria von Webers.
Musik aus dem Exil, Musik eines Komponisten zwischen den Kontinenten und zwischen den Zeiten. All das drückt sich bereits im Titel dieses Werkes von Paul Hindemith aus – genauer gesagt: in den Titeln. Die englische Originalfassung lautet schlicht „Symphonic Metamorphosis“. Das klingt klassisch und bedeutend, aber die „Metamorphosen“ des Ovid sind damit nicht gemeint.
Um Gestalt-Veränderungen geht es hier allerdings schon, nicht zuletzt um Veränderungen des Lebens, von denen der im „Dritten Reich“ verfemte Komponist genug erfahren hatte. Die deutsche Variante, die gleich nach 1945 Erfolg hatte und etwa von Wilhelm Furtwängler dirigiert wurde, ist in altmodischer Liebenswürdigkeit so überschrieben: „Sinfonische Metamorphosen Carl Maria von Weber‘scher Themen“.
Wandlungen, Verwandlungen, Anverwandlungen
Diese Metamorphosen zeigen die Vielschichtigkeit eines Werkes, das aus Variationen besteht und zugleich mehr bietet: Hindemith komponiert auf Basis Weberscher Themen neue Musik, er denkt die romantischen Klänge des „Freischütz“-Meisters in die Moderne weiter, und er verwendet keineswegs die Weberschen Gassenhauer, sondern Fundstücke wie einen Trauermarsch (dem Hindemith Beine macht) sowie die „Turandot“-Ouvertüre. Carl Maria von Weber befand einst, damit eine „ächt chinesische“ Musik erdacht zu haben – Musik für ein italienisches Märchen, das am Kaiserhof von China spielt, das literarisch von Carlo Gozzi bearbeitet und von Friedrich Schiller nachgedichtet wurde, und das schon Giacomo Puccini und Ferruccio Busoni zu Kompositionen angeregt hatte.
Hemdsärmelige Musik
Das vierteilige Werk, das Hindemith daraus gewann, hat sich als eines seiner wenigen Orchesterstücke im Repertoire gehalten. So ist auch die Diskographie eindrucksvoll, weist unter anderem Aufnahmen von Claudio Abbado, Leonard Bernstein, Rafael Kubelik und natürlich Wilhelm Furtwängler auf. Und auch Hindemith selbst betätigte sich als Interpret seiner Musik, die er 1955 mit den Berliner Philharmonikern einspielte. Wie so oft, wenn Komponisten zu ihren eigenen Deutern werden, handelt es sich um eine Gratwanderung. Hinzu kam, wie eine Zeitzeugin notierte: „Hindemith im Frack sah komisch aus“ – sein Wesensmerkmal waren eher aufgekrempelte Ärmel.