„Jesus starb für die Sünden von jemandem, aber nicht für meine.“
Patti Smith wird 75
Sie ist selbstironisch und gibt sich unprätentiös: In ihren Büchern beschreibt sich Patti Smith selbst als Fernseh- und Koffeinjunkie. © picture alliance / ZUMAPRESS.com / Alejandra Leyva
Mythos und Projektionsfläche
08:09 Minuten
Musikerin, Schriftstellerin, Dichterin: Patti Smith hat sich in ihrer künstlerischen Identität nie festlegen lassen. Gleichzeitig wurde sie oft fälschlich zur Projektionsfläche für vieles gemacht. Jetzt wird die "Godmother of Punk" 75.
Die Beschreibung "Rockstar" trifft auf Patti Smith eigentlich nur im übertragenen Sinn zu – als eine Art cooles Gesamtkunstwerk. Vor allem, weil sie sich selbst nicht als Musikerin, sondern als Performerin und im Speziellen als Lyrikerin sieht. Schon ihrem Debüt "Horses" liegt im Kern ja ein Gedicht zugrunde, das sie ein paar Jahre vorher geschrieben hat: "The Oath".
Smith hat es geschafft, diese damals noch jugendlich rebellische Energie und den Drang, Dinge anders zu machen, über die Jahrzehnte in sich zu halten und sich gewissermaßen treu zu bleiben in einer künstlerischen Identität, die sich nicht festlegen lässt.
She did it her way
Ihre Musik blieb dabei immer eine Kunstperformance mit einer ganz eigenen Bühnenpräsenz. Da ist dieser nervöse, stakkatohafte, atemlose Duktus, der sich sehr auf den Sprachrhythmus fokussiert. Die daraus eigentlich logisch folgende Entwicklung, dass sie in den letzten Jahren viel mit dem Soundwalk Collective zusammengearbeitet hat, einem Künstlerkollektiv an der Schnittstelle zwischen Musik und Kunst. Das Ergebnis klingt teilweise wie ein Hörspiel.
Auch privat hat Patti Smith immer eigene Wege beschritten. Auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs zog sie sich ein Jahrzehnt zurück nach Detroit, wo sie mit dem Musiker Fred "Sonic" Smith eine Familie gründete. Mit "Frederick" hat sie ihm eines ihrer schönsten Liebeslieder gewidmet.
Erst nach seinem frühen Tod zog sie mit den Kindern wieder nach New York und kam richtig zurück – mit einer ganz pragmatischen Begründung: Sie habe einfach das Geld gebraucht.
Doch Patti Smith ist nicht nur erfolgreiche Musikerin, sondern auch Autorin. Die Doppelbiografie von ihr und Fotograf Robert Mapplethorpe, "Just Kids", hat ihr nach eigenen Angaben sogar mehr Geld eingebracht als alle ihre Alben. Das Schreiben sei für sie „die vergebliche Hoffnung auf ein Quäntchen Selbsterkenntnis". So beschreibt sie es zumindest in ihrem Buch "M-Train".
Godmother of Punk
Patti Smith wird bis heute eine große Verbindung zum Punk nachgesagt. Die liegt aber vor allem in ihrer Haltung. Ihre musikalischen Vorbilder waren Bob Dylan und Jim Morrison. Sie wurde oft fälschlich zur Projektionsfläche für vieles und viele gemacht. Zum Beispiel zur Feminismus-Ikone, obwohl sie mit Vorliebe die Songs von Männern gecovert hat und mit Frauen eher unfreundlich umging, wenn man Debbie Harrys Autobiografie glauben mag.
Aber genau diese Vielfalt der Zuschreibungen machen Patti Smith auch aus. Genau wie Selbstironie, oder die unprätentiöse Selbstdarstellung, wenn sie sich in ihren Büchern als Fernseh- und Koffeinjunkie beschreibt. All das gehört zum "Rockstar Patti Smith".