Klimakrise

Das Patriarchat und der Verbrennungsmotor: eine Lovestory?

Ein junger Mann mit nacktem Oberkörper und grimmiger Mimik steht vor einem Auto.
Petromaskulinität ist eine Wortschöpfung aus Petroleum (Erdöl) und Maskulinität (Männlichkeit). Der „gute alte“ Verbrennungsmotor hat für petromaskuline Männer offenbar große Symbolkraft. © Getty Images / Michael Hall
12.03.2024
Klimaproteste, grüne Energiepolitik und Debatten über feministische und queere Themen führen in einigen männlichen, stark konservativ geprägten Kreisen zu heftigen Gegenreaktionen. Die US-Politologin Cara New Daggett spricht von "Petromaskulinität".
Gesellschaftliche Veränderungen oder Debatten werden von manchen Menschen als Provokation empfunden. Sie ziehen in einen Kulturkampf gegen das, was sie als "woke" oder "linksgrün versifft" ablehnen. Der Verbrennungsmotor ist dabei eines der mächtigsten Symbole für die "gute alte Zeit", am liebsten laut und PS-stark, verbaut in einem Sportwagen, SUV oder Pickup-Truck.
Die US-amerikanische feministische Politökologin Cara New Daggett untersucht rechtspopulistische Bewegungen. Sie sieht einen Zusammenhang zwischen dem Wunsch nach Autoritarismus und der Verteidigung des Verbrennungsmotors und hat ihn "Petromaskulinität" getauft.  

Was ist Petromaskulinität?

Petromaskulinität ist eine Wortschöpfung aus Petroleum (Erdöl) und Maskulinität (Männlichkeit). Mit dem Begriff verweist Daggett auf die Bedeutung, die fossile Brennstoffe für die Aufrechterhaltung der westlichen Lebensweise hatten und gleichzeitig beschreibt sie die Ängste, die Veränderungen bei patriarchal geprägten Menschen auslösen.
Für Daggett ist die Nutzung fossiler Energieträger eng mit unserer Art zu wirtschaften und zu leben verbunden und trägt zur Ausbildung der männlichen Identität bei. Und diese steckt in der Krise. Rechtspopulistische Parteien und Bewegungen im globalen Norden nutzen diese Verunsicherung – mit einer Mischung aus Klimaleugnung, Rassismus und Frauenhass.
Petromaskulinität

Wie Frauenverachtung und Verbrennerfreuden verbunden sind

09.03.2024
09:43 Minuten
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Wer sind Vertreter der Petromaskulinität?

Zu den Vertretern der Petromaskulinität gehören demnach nicht nur rechtspopulistische Politiker wie der inzwischen auch wegen sexuellen Missbrauchs verurteilte Donald Trump, der in seinem Wahlkampf traditionelle Bilder von Männlichkeit mit fossiler Energiegewinnung wie dem Kohleabbau verbindet. In der breiten Bevölkerung sind es vor allem weiße, konservative Männer mittleren Alters. Sie sind gegen die Mobilitätswende. Von Bewegungen wie Fridays For Future, der Letzten Generation oder Themen wie dem Gendern und Fleischverzicht fühlen sie sich provoziert.
So führte etwa ein Besuch der NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) in der Mensa der Uni Bonn während eines Veggie-Monats 2023 zu einem derartigen Aufruhr in sozialen Medien und in CDU-internen Chatgruppen, dass sich die Ministerin anschließend zu einem Bekenntnis zum Fleischverzehr gezwungen sah.

Was sind Argumente petromaskuliner Männer?

Vertreter der Petromaskulinität leugnen die Existenz des Klimawandels oder bestreiten zumindest den Zusammenhang zwischen Erderwärmung und fossiler Energiegewinnung, Viehwirtschaft oder Monokulturen. Die wachsende Zahl an Unwettern, Dürren und Extremwetterlagen gehören für sie zu normalen Wetterphänomenen. Feministische, queerfreundliche und antirassistische Themen sind für sie Minderheitenthemen ohne echte gesellschaftliche Relevanz.
Die Influencer aus ihren Reihen reagieren mit Trotz und tweeten den "Verbrenner des Tages" oder propagieren eine reine Fleischdiät. Ein ähnliches Phänomen ist das "Rolling Coal", eine absichtliche Luftverschmutzung mit umgebauten Dieselmotoren, die besonders stark verrußte Abgaswolken erzeugen.

Wer sind die Feindbilder petromaskuliner Männer?

Zu den Feindbildern petromaskuliner Männer gehören Klimaprotestierende der Letzten Generation, prominente Klimaaktivistinnen wie Luisa Neubauer oder Greta Thunberg, in Deutschland vor allem führende Grünen-Politikerinnen und -politiker wie Annalena Baerbock und Robert Habeck. Auch feministische Intellektuelle wie New Daggett erhalten Online-Belästigungen und Drohungen. "Die Leute drohten, mich zu vergewaltigen oder schickten ein Bild ihres Lastwagens. Oder sie machten sich über feministische Arbeit lustig", so Daggett.
Ob sich der sperrige Begriff "Petromaskulinität" durchsetzen wird, ist fraglich. Fest steht, dass seine Vertreter im Netz äußerst aktiv sind und sich als eingeschworene Gruppe betrachten. Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer sprach 2023 in einem Tweet von "fossiler Identitätspolitik, die sich für nichts zu schade ist" und die gerade erst an ihrem Anfang stehen könnte.

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pj
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