Patentklagen in der IT-Branche

In einem Smartphone steckt viel Grips

Eine Person tippt mit dem Finger auf ein Tablet.
Eine Person tippt mit dem Finger auf ein Tablet: Apple beansprucht nämlich Schutzrechte für das generelle Design. © imago / Jochen Tack
Von Peter Welchering · 09.06.2015
Niemand kennt die genaue Zahl der Patente, die in einem Mobiltelefon oder Tablet verbaut sind. Doch um Lizenzgebühren für einzelne Hardware- oder Software-Komponenten durchzudrücken, strengen Firmen wie Apple, Samsung oder Ericsson eifrig Klagen an. Das treibt die Preise.
Sobald der Smartphone-Besitzer sein Handy einschaltet, hat er es schon mit Patenten und anderen Schutzrechten zu tun. Die Melodie, mit der das Smartphone das Einschalten beim Hochfahren des Betriebssystems bestätigt, ist urheberrechtlich geschützt. Die Protokolle, mit denen das Mobilgerät sich im Netz anmeldet und Kontakt zur Basisstation hält, sind patentiert. Die Startprogramme, die dafür sorgen, dass das Smartphone alle Software lädt, die es für seinen Betrieb braucht, sind patentrechtlich geschützt. Für zahlreiche Icons, die von der Start-up-Routine auf das Display des Smartphones gezaubert werden, besteht ein sogenannter Gebrauchsmusterschutz.
Gibt die Besitzerin ihrem Smartphone dann den mündlichen Befehl, alles über die Sendungen von Deutschlandradio mit Googles Suchmaschine zusammenzustellen, sind weitere Schutzrechte berührt.
Die Sprachsteuerung des mobilen Geräts – patentiert. Die Suchalgorithmen, mit denen Google dann die Anfrage bearbeitet – patentgeschützt. Das Herunterladen eines von Google gefundenen Sendemanuskriptes aufs Smartphones – da wird um die Schutzwürdigkeit gestritten. Denn dafür wird Software genutzt, Internet-Protokolle genannt, die im Netz frei verfügbar ist und ausdrücklich von allen genutzt werden darf. Es fallen auch keine Lizenzgebühren dafür an. Gleichwohl sind die Manager bei Apple und Samsung der Überzeugung, dass der Anteil ihrer Betriebssystemroutinen beim Herunterladen eines Dokuments aufs Smartphone wichtiger ist als der der Internet-Protokollfamilie, auf die diese Software letztlich zurückgreift. Der Jurist Rainer Wieland, der sich auch als Patentpolitiker im Europäischen Parlament einen Namen gemacht hat, sieht das kritisch.
Wieland: "Wenn ich irgendeinen Teil einer Softwareanwendung, in den Kern einer anderen Anwendung hinein nehme, da wird nahezu jede Neuerung, in dem Bereich angreifbar. Wenn Sie gucken, wie viel, in Anführungszeichen alte binäre Codes in neueren Sachen einfach noch mit drin sind."
Auch der Fingerwisch auf dem Display ist patentgeschützt
Wie viele Patente genau in einem Smartphone stecken, weiß kein Mensch. Apple-Manager gaben für das iPhone die Zahl 300 an, Google wiederum spricht von sage und schreibe 250.000 Patenten und Schutzrechten in einem Android-Smartphone. Das fängt an bei den Patenten für die Chips, die dem Smartphone erst Leben einhauchen, geht über die Schutzrechte für das Betriebssystem hinaus und hört bei den Patenten für die Datenbank, mit der alle Apps auf dem Smartphone verwaltet werden, noch lange nicht auf. Selbst die Schrift, mit der die Namen der Apps dargestellt werden, kann durch ein Geschmacksmuster geschützt sein. Der Fingerwisch auf dem Display, mit dem der Handy-Besitzer eine Funktion auslöst – patentgeschützt. Und das ist auch sinnvoll, meint der Patentanwalt Robert Bertin von der Washingtoner Kanzlei Morgan, Lewis & Bockius.
"Zum Patent gehört ganz wesentlich auch, dass man mit der Patentschrift der Allgemeinheit verrät, wie man ein technisches Problem löst. Und als Gegenleistung dafür darf man dieses Wissen für eine gewisse Zeit eben exklusiv nutzen."
Doch gerade in der IT-Branche ist die exklusive Nutzung von Patenten weder sinnvoll noch üblich, obwohl hier am heftigsten um Schutzrechte gestritten wird. Denn Patentinhaber verkaufen gerade in der IT-Branche auch ihren direkten Konkurrenten gern Lizenzen – gegen gutes Geld versteht sich. Robert Bertin.
"Die Patentgesetze sind zwar stark auf diese Exklusivität ausgerichtet. Aber es ist allgemein üblich, Patente ausgiebig zu lizensieren. Ein gutes Beispiel dafür ist IBM. Die haben in den letzten 20 Jahren ein gutes Geschäft damit gemacht, inklusiv statt exklusiv zu sein und anderen Firmen Lizenzen auch über Kreuz anzubieten. Und von ihnen wird berichtet, dass sie in wenigen Jahren über eine Milliarde Dollar nur aus Lizenzgeschäften mit anderen Firmen eingenommen haben."
"26 Prozent der Komponenten im iPhone stammen von Samsung"
Die Mobilfunkbranche nimmt innerhalb der IT-Branche noch einmal eine Sonderstellung ein. Denn nirgends sonst wird so schwunghaft mit Patenten und Lizenzen gehandelt wie hier. Die Abhängigkeit der Unternehmen voneinander ist in dieser Branche besonders groß. Und die Gerätehersteller verkaufen sich nicht nur gegenseitig Lizenzen, sondern sie fertigen auch Gerätekomponenten für die Konkurrenz. Der Technikjournalist und Branchenexperte Henning Steier hat das genauer untersucht.
"Man kann sagen, dass ungefähr 26 Prozent der Komponenten im iPhone von Samsung stammen, das heißt - dort gibt es eine große Abhängigkeit. Und es ist nicht so einfach, einfach den Lieferanten zu wechseln, denn das sind jahrelange Geschäftsbeziehungen, das ist ein Technologietransfer, der dort stattfindet, und Apple hat eben auch sehr große Angst, als sehr verschlossenes Unternehmen, sich neuen Partnern zuzuwenden. Man hat auch einen gewissen Druck immer zeitgleich zu liefern, das heißt die neuen Geräte müssen halt, Stichwort: das iPhone muss unbedingt noch vor dem Weihnachtsgeschäft kommen, und wenn man sich dort in andere Produktionszusammenhänge begibt, besteht eben auch das Risiko, dass man dort von Lieferanten versetzt wird."
Apple hat dieses Branchengleichgewicht mit seinen juristischen Scharmützeln seit 2009 erheblich gestört. Mit seinen Patenklagen wollte das Unternehmen aus dem kalifornischen Cupertino erreichen, dass es den gesamten Markt für Smartphones und Tablet-PCs beherrschen und kontrollieren kann. Dafür wurden über viele Jahre hinweg Heerscharen von Anwälten aufgeboten, Streitwerte in Milliardenhöhe beantragt und festgesetzt.
Teures Geld Lizenzen für teilweise triviale Patente
Apple beansprucht nämlich Schutzrechte für das generelle Design von Tablets und Smartphones, mit ihren abgerundeten Kanten, einem dennoch rechteckigen Design und einem großen Display auf der Vorderseite mit einem Rahmen rund um diesen Bildschirm. 2012 hat ein kalifornisches Gericht Apple zwar Schutzrechte für den sogenannten Trade Dress, die allgemeinen Produkteigenschaften also, zugebilligt. Ein Berufungsgericht hat dieses Urteil aber Mitte Mai 2015 einkassiert. Der Streit geht also weiter.
Das Nachsehen haben unabhängige Entwickler und die Verbraucher. Entwickler müssen für teures Geld Lizenzen für teilweise triviale Patente erwerben, wenn sie neue Anwendungen für Smartphones programmieren wollen. Die Verbraucher müssen für solche Anwendungen deshalb tiefer in die Tasche greifen oder aber sie bezahlen mit ihren Daten, die sie Google oder Apple als zusätzliche Gegenleistung außer dem Kaufpreis für die Smartphone-Nutzung zur Verfügung stellen. Aus diesen Daten werden dann persönliche Profile errechnet – mit patentierter Software versteht sich.
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