Patentierte Pflanzen

"Die Auswahl wird immer geringer für die Verbraucher"

Zu sehen sind viele Tomaten.
Patent auf Tomatensaaten? © picture-alliance / dpa / Patrick Pleul
Christoph Then im Gespräch mit Dieter Kassel · 27.10.2014
Die Patentierung von Pflanzen aus konventionellem Anbau hat langfristig negative Folgen für die Verbraucher und Landwirte, glaubt Christoph Then vom Bündnis "Keine Patente auf Saatgut". Die Politik könnte etwas dagegen tun - sie nutzt ihre rechtlichen Möglichkeiten aber bislang nicht.
Dieter Kassel: Wenn jemand etwas erfunden oder entwickelt hat, dann meldet er ein Patent an, um die Früchte seiner Arbeit zu schützen. Das ist meistens nicht wörtlich gemeint, aber manchmal doch. Das Europäische Patentamt in München hat bereits 2.400 Patente auf Pflanzen erteilt, darunter auch solche, die nicht durch Genmanipulation, sondern durch konventionelle Züchtung entstanden sind. Heute findet beim Europäischen Patentamt eine Anhörung statt, in der es darum gehen soll, unter welchen Umständen Patente auf Pflanzen und auch Tiere erteilt werden. Vor dem Patentamt wird heute mit Sicherheit protestiert. Mehrere Gruppen aus vielen europäischen Ländern werden sich an diesen Protesten beteiligen, auch das Bündnis "Keine Patente auf Saatgut", dessen Sprecher Christoph Then ist. Schönen guten Morgen, Herr Then!
Christoph Then: Guten Morgen!
Kassel: Was ist denn das für eine Anhörung, die stattfindet, nachdem schon so viele Patente erteilt wurden?
Then: Es gibt immer noch Grundsatzfragen, mit denen sich das Europäische Patentamt befasst. Es ist verboten, die Patentierung von Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren, und jetzt will das Europäische Patentamt in dieser Anhörung klären, ob denn Produkte, also Pflanzen oder Tiere, die mit diesen Verfahren hergestellt worden sind, ob die patentierbar sind oder nicht. Für den Laien eine triviale Frage – der denkt sich, wenn das eine verboten ist, dann auch das andere. Für das Europäische Patentamt ist es nicht so, es werden laufend derartige Patente erteilt. Und jetzt wird zum ersten Mal eben diese Frage vor der höchsten Entscheidungsinstanz des Europäischen Patentamtes diskutiert, ob Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung patentiert werden dürfen.
US-Saatgutkonzern kontrolliert 25 Prozent des Marktes
Kassel: Wenn sie es werden – und das ist ja, wie beschrieben, in einigen Fällen schon geschehen –, was für Folgen hat denn das dann?
Then: Das betrifft uns alle, die Verbraucher, das betrifft die Landwirte, das betrifft die Gärtner. Es ist so, dass über diese Patente natürlich eine Monopolisierung stattfindet. Das ist ja das Wesen des Patents, das anderen verboten werden kann, damit zu arbeiten, selber so etwas zu züchten. Und damit geraten wir eben in Abhängigkeiten von großen Konzernen oft. Firma Monsanto, Stichwort: Der US-Konzern ist nicht nur führend in der Gentechnik. Er ist inzwischen führend weltweit in der Pflanzenzüchtung insgesamt. Er hat 25 Prozent bereits am internationalen Saatgutmarkt und meldet vermehrt Patente an auf Pflanzen und Tiere aus konventioneller Züchtung. Und wenn wir dann in Zukunft eben im Supermarkt einkaufen, dann haben wir große Chancen, dass wir auch eben Gemüse kaufen, das ursprünglich aus Saatgut von Monsanto gezüchtet ist. Das ist ja schon jetzt so, und in Zukunft wird es noch viel weniger Auswahl geben.
Kassel: Aber ist es denn nicht verständlich, dass eine Firma, die Geld investiert hat in die Entwicklung einer neuen Pflanzenart, dann verhindern will, dass andere diese Erfindung klauen? Ich meine, das ist in anderen Branchen auch nicht unüblich.
Then: Ja, es gibt in der Pflanzenzüchtung einen sogenannten Sortenschutz. Der gibt den Pflanzenzüchtern die Gelegenheit, Pflanzensorten, die sie mal gezüchtet haben, exklusiv zu verkaufen. Kein anderer darf mit dieser Pflanzensorte handeln. Aber alle anderen dürfen weiter züchten an dieser Pflanzensorte. Das ist der wesentliche Unterschied. Es ist, wie die IT-Leute sagen würden, ein Open-Source-Verfahren: Zugang zu dem, was da gezüchtet worden ist, wird nicht blockiert, sondern die weitere Züchtung wird unterstützt. Und das ist im Patentrecht anders. Das Patentrecht schneidet den Zugang ab, und wenn so eine Pflanze patentiert ist, ihr Genom patentiert ist, dann kann eine weitere Züchtung eben nicht mehr stattfinden. Das heißt, hier findet eine Blockade der weiteren Züchtung statt, eine Blockade der Pflanzenzüchtung, unter der dann letztendlich Verbraucher und Landwirte zu leiden haben.
Das Patentamt verdient sehr gut daran
Kassel: Das heißt, es könnte ganz praktisch bedeuten, wenn zum Beispiel ein Konzern ein Patent auf eine bestimmte, sagen wir mal zum Beispiel Tomate hat, dass dann auch gar keine anderen Tomatensorten mehr entstehen können, und irgendwann gibt es nur noch die?
Then: So rasch wird es nicht gehen, aber Konzerne wie Monsanto melden eben nicht nur Patente an, sondern kaufen auch Züchtungsfirmen auf. Das heißt, die Auswahl wird immer geringer für die Verbraucher und für die Landwirte. Und letztendlich ist es schon so, dass dann solche Konzerne entscheiden können, welche Pflanzen gezüchtet werden, was angebaut wird, und was auch die Ernte kostet, also was das kostet, das Lebensmittel kostet, das wir im Supermarkt kaufen. Das ist absehbar, dass, wenn der Trend so anhält, dass es in naher Zukunft eben keine Gemüsesorten mehr gibt, die nicht auch patentiert sind. Und dann ist tatsächlich die Frage, wer stellt die her, und gibt es überhaupt noch eine entsprechende Auswahlmöglichkeit für Verbraucher.
Kassel: Was mich jetzt ein bisschen wundert, eine Frage zum Verfahren, ist, dass es mir mehr oder weniger so erscheint, als ob das Europäische Patentamt selber beschließt, in welchem Rahmen es handelt. Wären dafür nicht eigentlich die Gesetzgeber zuständig?
Then: Der Gesetzgeber hat da ein Patentgesetz verabschiedet, das nicht hundertprozentig wasserdicht ist, und diese Schlupflöcher werden ausgenutzt, und da hat das Patentamt einen gewissen Spielraum, und im Zweifel nutzt das Patentamt diese Spielräume eben auch entsprechend aus, meist zugunsten der Industrie. Man muss wissen, dass das Europäische Patentamt selber an der Vergabe dieser Patente verdient. 2013 sind über eine Milliarde Euro eingenommen worden über die Erteilung von Patenten. Und da sind eben Geschäftsinteressen mit im Spiel, sowohl beim Patentamt als auch bei der Saatgutindustrie, und die Interessen der Verbraucher und der Landwirte bleiben auf der Strecke.
Kassel: Aber es gibt doch viele Gegner auch in der Politik. Kann das EPA, das Europäische Patentamt das alles ignorieren und komplett selbst bestimmen, was es tut?
Politiker können einschreiten - tun es aber bislang nicht
Then: Ja, bis jetzt schon. Es wäre aber durchaus möglich, hier die Daumenschrauben, oder sagen wir mal, die rechtlichen Kontrollen stärker anzuziehen. Und dazu fordern wir eben auch die Bundesregierung auf. Wir haben uns auch an Heiko Maas gewandt, den Bundesjustizminister, der zuständig ist. Der könnte, zusammen mit seinen Kollegen, über den Verwaltungsrat des Europäischen Patentamtes gehen und entsprechende Auslegungsvorschriften machen, wie die Patentgesetze auszulegen sind. Und damit könnte ein Großteil dieser Patente verhindert werden.
Bisher ist das nicht passiert. Offensichtlich ist der Spielraum der Industrie sehr groß hier oder der Einfluss der Industrie sehr groß in der Politik. Immerhin steht aber im Koalitionsvertrag der Bundesregierung drin, wortwörtlich, dass dort eben eine Initiative ergriffen wird auf europäischer Ebene, um diese Patente zu verhindern. Die Politik hat also das Problem erkannt, sie hat es aber bisher nicht gelöst.
Kassel: Nun ist ja sozusagen nicht besonders viel Zeit. Ich habe es ja schon erwähnt, und Sie haben es bestätigt, solche Patente wurden ja bereits erteilt, und ich stelle mir das jetzt so vor: Während heute im einen Raum in München die Anhörung stattfindet, sitzen in anderen Räumen dieses großen Gebäudes Leute, die darüber nachdenken, ob sie weitere Patente erteilen. Wie geht denn das nach dieser Anhörung, die ja kein konkretes Ergebnis haben wird, kein verbindliches, wie geht denn das voraussichtlich weiter?
Then: Vermutlich wird das Europäische Patentamt in einigen Monaten dann die Entscheidung verkünden, und entweder werden dann solche Patente weiter erteilt oder sie werden eingeschränkt. Und Sie haben völlig zu Recht gesagt, das schreitet immer weiter fort. In einem Zimmer werden Patente vielleicht verhandelt, im anderen weiter erteilt. Und die Entwicklung ist eben nicht zum Stillstand gekommen. Und wenn die Politik weiter abwartet, werden immer mehr solche Patente erteilt, angemeldet, und irgendwann ist der Prozess natürlich unumkehrbar. Irgendwann gibt es so viele Patente und Firmen, die an diesen Patenten interessiert sind, dass die Politik sie auch nicht mehr alle sozusagen zurückdrehen kann. Im Moment würde das noch gehen.
Noch wäre der Schaden kontrollierbar
Wir haben zwar schon im Bereich der normalen Pflanzenzüchtung über hundert Patente, die erteilt sind, aber wenn jetzt zügig die Politik handeln würde, dann wäre der Schaden wohl kontrollierbar. Wenn man aber jetzt, sagen wir mal, fünf oder zehn Jahre wartet, dann ist es möglicherweise unumkehrbar, dann werden Fakten geschaffen, die auch die Politik nicht mehr zurückdrehen kann.
Kassel: Wenn die Politik jetzt was zurückdrehen würde, würde das eigentlich nur bedeuten, dass keine neuen Patente erteilt werden dürfen, oder würde dann zumindest ein Teil der erteilten dann auch ungültig werden?
Then: Es wäre schwieriger, diese erteilten Patente durchzusetzen, vor Gericht wäre es schwerer für den Patentinhaber, auf sein Recht, hier eben sein Monopolrecht, das durchzusetzen, und damit wäre das natürlich ein großer Vorteil für alle, die Zugang haben wollen zu diesem patentgeschützten Saatgut. Also, die Politik hat da durchaus eine Möglichkeit, auch noch mitzuspielen.
Kassel: Christoph Then vom Bündnis "Keine Patente auf Saatgut". Über eben diese Patente, um die es heute bei einer Anhörung im Europäischen Patentamt in München geht und bei Protesten davor. Herr Ten, vielen Dank fürs Gespräch!
Then: Ich danke auch. Schönen Tag!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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