Pastor Jonas Goebel

Auf allen Kanälen

05:19 Minuten
Ein junger rotblonder Mann mit Bart steht vor einem Schild mit der Aufschrift "Möglich".
Jonas Goebel möchte ein Pastor für morgen sein. © D. Fischer
Von Dirk Schneider · 01.04.2021
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Pfarrer sein - kein einfacher Job in Zeiten, in denen die Kirchen jedes Jahr Mitglieder verlieren. Der junge Hamburger Pfarrer Jonas Goebel lässt sich deshalb einiges einfallen, um seine Schäfchen zu erreichen, bis hin zu Predigthäppchen auf Youtube.
"Ich finde es manchmal schwer", sagt Jonas Goebel in seinem Videoblog Pastorenleben – und seine freundlichen Augen blicken etwas traurig in die Kamera des Rechners. "Ich hatte gerade anderthalb Stunden Gespräch mit einer Frau, deren Mutter im Sterben liegt."
Jonas Goebel kommt gerade von einem Trauergespräch. Der 31-Jährige ist evangelischer Pastor in Lohbrügge, einem Vorort von Hamburg. "Ich finde das irgendwie schön, wenn Leute zu mir kommen und mich fragen. Gleichzeitig weiß ich manchmal nicht, hilft es den Leuten wirklich?"
Jonas Goebel hat kurze, blonde Haare und ein rundes, jungenhaftes Gesicht. Ein rötlicher Bartkranz umrundet das Kinn. Er ist 31 Jahre alt und seit knapp zwei Jahren Pastor.
Seine Kirche liegt zwischen Wohnhochhäusern und kleinen Einfamilienhäusern. Direkt daneben liegt das Pfarrhaus, dort sitzt Goebel jetzt in seinem Büro: "Wenn man sich die Zahlen anguckt, ist es ein sehr durchschnittlicher Stadtteil für Hamburg. Wir sind eigentlich bei allen Werten beim Durchschnitt am unteren Rand, also wenn es um Einkommen geht, wenn es um Bildung geht, wenn es um Migrationshintergrund geht."

Predigthäppchen für Eilige

Nicht ganz durchschnittlich ist allerdings der evangelische Pastor im Stadtteil. Jonas Goebel lässt sich einiges einfallen, um die Menschen seiner Gemeinde zu erreichen. Neben seinen Einblicken in den Pastorenalltag bietet er auf Youtube Predigthäppchen: maximal drei Minuten, für alle, denen die Sonntagspredigt zu lang ist. Und die paar Menschen, die es tatsächlich noch sonntags in die Kirche zieht, versorgt er in der Pandemie über Livestream und Konferenz-Software zu Hause.
Goebel hat aber auch Sinn für eine größere Öffentlichkeit: Schlagzeilen gab es, als er das Thema einer Sonntagspredigt auf Ebay versteigert hat – 750 Euro kamen so in die Kollekte.
Es ist reizvoll für den jungen Pastor, seine traditionelle Rolle neu auszufüllen. Und er weiß, dass Eitelkeit eine Rolle spielt. "Ganz ehrlich, wie häufig ich manchmal Twitter, Facebook und Instagram checke, um zu gucken, ob wieder jemand was geliked hat oder irgendwas kommentiert hat. Das ist so ein kleines Teufelsding."

Ein Pastor für morgen sein

Aber Jonas Goebel ist eben auch 31 Jahre jung. Er wurde in den Nullerjahren sozialisiert, seine theologische Ausbildung hat ihn zum Teil befremdet: "Ich habe nichts Digitales gelernt in der Ausbildung. Ich habe nicht gelernt, wie ich neue Gottesdienstformate entwickele. Ich habe nur gelernt, wie ich den klassischen Gottesdienst feiere, den wir seit 60 Jahren feiern. Und ich habe gelernt, wie ich im Talar herumschreite und wie ich mich drehen soll und wie der Talar dann fällt. Meine Generation wurde noch nicht dafür ausgebildet, ein Pastor für heute oder morgen zu sein."
Jonas Goebel möchte und muss ein Pastor für morgen sein, denn er weiß, dass seine Kirche jedes Jahr Mitglieder verliert. Er glaubt nicht, dass er diese Entwicklung aufhalten kann. Aber er versucht, seinen Job so gut wie möglich auszufüllen. Seine Woche hat sieben Arbeitstage, wenn er sich nicht selbst freinimmt. Nach eigenen Angaben arbeitet er 50 bis 60 Stunden die Woche.
Mit seinem Berufseinstieg wurde er Chef von 15 Menschen und Verwalter eines Budgets von einer halben Million Euro. "Total wahnsinnig, dass man mich als 30-Jährigen ohne wirkliche BWL-Kenntnisse an so einen Haushalt setzen lässt. Das darf man eigentlich keinem erzählen."

Sagen, was man denkt – das ist protestantisch

Natürlich erzählt Jonas Goebel es doch, denn er ist streitbar. Großes Medienecho gab es, als er Ende 2020 dafür plädierte, im Lockdown auf Weihnachtsgottesdienste zu verzichten. Weil er es für unvernünftig, für gefährlich hielt, äußerte er kirchenintern Kritik.
"Als ich mich am Ende auf Spiegel Online wiedergefunden habe, habe ich gedacht, wie kann das angehen? Ich finde es traurig, dass man mich zu diesem Thema zitieren musste und keinen Bischof oder Propst oder irgendjemand höheren im kirchlichen Bereich. Da fand ich unsere Rolle als Kirche ganz unglücklich."
Sagen, was man denkt – das gehört für ihn zur Grundkultur des Protestantismus. Und dazu zählt eben auch, zu sagen, was man zur Kirche denkt. Und wie wichtig auch für ihn ihre Rituale sind: "Für mich ist das Ziel ganz klar: Ich möchte mit möglichst vielen Menschen hier regelmäßig Gottesdienste feiern. Wenn es uns als Kirche nicht mehr gibt, dann feiert keiner mehr Gottesdienst."
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