Passionsspiele aktuell
"Oberammergau 1633", "Der Judas von Tirol" oder "Grinzener Passion" lauten die Titel der Stücke, die so genannte Spielergemeinschaften auf die Wiesen malerischer Landschaften bringen. In Süddeutschland und Tirol ist ein Boom von anspruchsvollen Freilichtaufführungen - oft in einer Mischung von Profis und Amateuren - zu verzeichnen.
"Der Wein in Tirol ist nimmer guet." Beim Kreuzwirt klagen die Bauern über die schlechten Zeiten. 1810. Die Franzosen besetzen das Land, das Passionsspiel aufzuführen, gestatten die Franzosen allerdings; doch der Knecht Raffl ist unzufrieden, er will einmal Christus und nicht Judas sein: doch die armen Knechte kriegen immer nur die Rollen der Bösewichte, den linken Schächter und Judas, den Verräter, eben. Die reiche Wirtstochter, die die Maria spielen wird, schenkt Raffl ein Gläschen Schnaps ein.
Burgl: " Raffl, du nimmst des alles so ernst und siehst, jetzt schenkt die Mutter Gottes dem Judas ein Schnaps ein. "
Raffl: " Ja, aber spielen möchte ihn um alles in der Welt koaner."
"Der Judas von Tirol" ist das erste Bühnenwerk von Karl Schönherr, der bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts für einer der wichtigsten deutschen Dramatiker gehalten wurde. Karl Schönherr zeigt die Theaterproben für ein Passionsspiel. Der Knecht Raffl, geschnitten von der Dorfgemeinschaft, geht schließlich dann doch so in seiner Rolle auf, dass er wie Judas den Nationalheld Andreas Hofer an die Franzosen um 200 Dukaten verrät.
Die Tiroler Volksschauspiele im Arbeiterort Telfs sind in ihrer Mischung von prominenten Profis und Amateurtheater ihrer Gründung wegweisend für das neue Volksstück geworden und greifen dabei auf Klassiker zurück. Gespielt wird in einer aufgelassenen Fabrik. Markus Völlenklee inszeniert manchmal wie bei Monty Python, aber auch voller Ernst. Markus Plattner ist im Gegensatz zum Knecht Raffl sofort stolz gewesen, in Telfs den Judas zu spielen:
" Weil es ja im Prinzip vier Rollen sind. Es gibt diesen historischen Raffl, der den Andreas Hofer verraten hat, der historische Raffl hat mit dem Raffl von Karl Schönherr nicht narrisch viel zu tun, aber man muss sich natürlich damit auseinander setzen ganz klar! Es geht um diesen Judas Ischariot, dann im ersten Akt, wie er da als Sozialist auftritt und sich gegen dieses Bauernsystem wehrt, also den Gewerkschaftler Raffl und irgendwo gibt es dann den Markus Plattner auch noch. Und diesen Werdegang darzustellen, macht viel aus, vor allem die Spannung durchzuhalten über eineinhalb Stunden ist Vollgas!"
Passionsspiele sind durchaus aktuell geblieben. In Tirol mit seinen über 200 Amateurbühnen erleben Freilichtaufführungen im Sommer einen neuen Boom und auch ein neues Passionsspiel ist darunter.
In der kleinen Gemeinde Grinzens hat man auf eine Bergwiese mit Klavarienberg einen Brunnen, den Tempel und das Haus des Pilatus gebaut. Fast 20 Prozent der Dorfbewohner spielen mit, und auch wenn die bekannten Szenen nicht fehlen – der Einzug Jesus' auf einem Esel etwa – so führt der Spielleiter Ernst Schönwiese doch eine sehr moderne, in schnellen Bilderfolgen inszenierte Passion vor.
Was die Frauen und Freundinnen der Jünger und Apostel machen, wird gezeigt, vor allem erscheint die politische Situation immer wieder aktuell, ein Land voller falscher und wahrer Heilsversprechen, besetzt von einer Weltmacht, die sich doch wie Pontius Pilatus die Hände in Unschuld wäscht. Der Hohepriester Kaiphas als Politiker:
" Kaiphas: Ich sage euch, solange wir nicht über uns selber bestimmen und solange die Römer Ruhe und Ordnung und den Frieden diktieren und wir ihre Marionetten sind, solange werden wir noch dazu gezwungen sein, Opfer zu bringen. "
Passionsspiele im süddeutschen Raum. Vorbild ist dafür spätestens seit dem 19. Jahrhundert Oberammergau. Doch dieses exklusive Ereignis gibt es nur alle zehn Jahre. Martin Müller; der Spielleiter der Oberammergauer Spielgemeinschaft:
" Wir leben in Oberammergau eigentlich in so in Zehnerschritten, sage ich einmal. Man sagt bei uns nicht 2003, sondern kurz nachm Passion, oder 2008, sondern kurz vorm Passion, was anders spricht man da bei uns gar nicht. Zwischendrin ist da ein Loch. Was theatermäßig anbelangt, dazu sind wir auch da: Wir spielen in den zehn Jahren sehr viel Theater. "
In der Zehnjahrespause wurde nun im Passionshaus ein Spiel zur Geschichte des Stücks ausgegraben und bearbeitet. "Oberammergau 1633" von Ferdinand Feldigl. Erzählt wird die Geschichte einer Hergottschnitzerstochter, die den Text des Augsburger Meistersingers Sebastian Wild aus den Wirren des 30-jährigen Krieges nach Oberammergau rettet, dabei werden als Trailer gewissermaßen auch Einzelszenen aus der Passion vorgespielt. Im pompösen Passionsspielhaus wirkt das Geschehen, in großen effektvollen Volkszenen arrangiert, oft recht pathetisch.
Sebastian Wild: " Sie haben gefangen,
Judas ist vor ihnen hergegangen
Sie haben ihn geschlagen und zerrauft
Judas hat ihn verkauft
Ich fürcht es geht ihm an sein Leben. "
Tiroler Volksschauspiele und Passionsspiele sind zur vorletzten Jahrhundertwende vor allem von Berliner Kritikern gewürdigt und gerade in Norddeutschland als Alternative zum eingefahrenen Theaterbetrieb gesehen worden. Doch könnte man sie heute noch exportieren?
Auffallend an den Volks- und Passionsspielen 2006 ist, dass das Publikum zwar gut durchmischt von Intellektuellen der benachbarten Städte und Dörflern ist, Touristen aber fast völlig fehlen. Doch trotz Sprachschwierigkeiten, der Darsteller des Judas Markus Plattner ist diesbezüglich optimistisch.
Doch trotz Sprachschwierigkeiten, der Darsteller des Judas Markus Plattner ist diesbezüglich optimistisch:
" Ich denk mir, so lange Dinge ehrlich sind und behauptet werden, ist es absolut transportierbar. Und es wär natürlich ein Wunsch, wenn man heut´ irgendwo im norddeutschen Raum Tiroler Volkstheater spielt beziehungsweise umgekehrt. Wäre natürlich ein Experiment wert!"
Service:
In Grinzens und Telfs gibt es noch Aufführungen bis zum 2.9.2006. "Oberammergau 1633" wird bis zum 26. August 2006 gezeigt.
Burgl: " Raffl, du nimmst des alles so ernst und siehst, jetzt schenkt die Mutter Gottes dem Judas ein Schnaps ein. "
Raffl: " Ja, aber spielen möchte ihn um alles in der Welt koaner."
"Der Judas von Tirol" ist das erste Bühnenwerk von Karl Schönherr, der bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts für einer der wichtigsten deutschen Dramatiker gehalten wurde. Karl Schönherr zeigt die Theaterproben für ein Passionsspiel. Der Knecht Raffl, geschnitten von der Dorfgemeinschaft, geht schließlich dann doch so in seiner Rolle auf, dass er wie Judas den Nationalheld Andreas Hofer an die Franzosen um 200 Dukaten verrät.
Die Tiroler Volksschauspiele im Arbeiterort Telfs sind in ihrer Mischung von prominenten Profis und Amateurtheater ihrer Gründung wegweisend für das neue Volksstück geworden und greifen dabei auf Klassiker zurück. Gespielt wird in einer aufgelassenen Fabrik. Markus Völlenklee inszeniert manchmal wie bei Monty Python, aber auch voller Ernst. Markus Plattner ist im Gegensatz zum Knecht Raffl sofort stolz gewesen, in Telfs den Judas zu spielen:
" Weil es ja im Prinzip vier Rollen sind. Es gibt diesen historischen Raffl, der den Andreas Hofer verraten hat, der historische Raffl hat mit dem Raffl von Karl Schönherr nicht narrisch viel zu tun, aber man muss sich natürlich damit auseinander setzen ganz klar! Es geht um diesen Judas Ischariot, dann im ersten Akt, wie er da als Sozialist auftritt und sich gegen dieses Bauernsystem wehrt, also den Gewerkschaftler Raffl und irgendwo gibt es dann den Markus Plattner auch noch. Und diesen Werdegang darzustellen, macht viel aus, vor allem die Spannung durchzuhalten über eineinhalb Stunden ist Vollgas!"
Passionsspiele sind durchaus aktuell geblieben. In Tirol mit seinen über 200 Amateurbühnen erleben Freilichtaufführungen im Sommer einen neuen Boom und auch ein neues Passionsspiel ist darunter.
In der kleinen Gemeinde Grinzens hat man auf eine Bergwiese mit Klavarienberg einen Brunnen, den Tempel und das Haus des Pilatus gebaut. Fast 20 Prozent der Dorfbewohner spielen mit, und auch wenn die bekannten Szenen nicht fehlen – der Einzug Jesus' auf einem Esel etwa – so führt der Spielleiter Ernst Schönwiese doch eine sehr moderne, in schnellen Bilderfolgen inszenierte Passion vor.
Was die Frauen und Freundinnen der Jünger und Apostel machen, wird gezeigt, vor allem erscheint die politische Situation immer wieder aktuell, ein Land voller falscher und wahrer Heilsversprechen, besetzt von einer Weltmacht, die sich doch wie Pontius Pilatus die Hände in Unschuld wäscht. Der Hohepriester Kaiphas als Politiker:
" Kaiphas: Ich sage euch, solange wir nicht über uns selber bestimmen und solange die Römer Ruhe und Ordnung und den Frieden diktieren und wir ihre Marionetten sind, solange werden wir noch dazu gezwungen sein, Opfer zu bringen. "
Passionsspiele im süddeutschen Raum. Vorbild ist dafür spätestens seit dem 19. Jahrhundert Oberammergau. Doch dieses exklusive Ereignis gibt es nur alle zehn Jahre. Martin Müller; der Spielleiter der Oberammergauer Spielgemeinschaft:
" Wir leben in Oberammergau eigentlich in so in Zehnerschritten, sage ich einmal. Man sagt bei uns nicht 2003, sondern kurz nachm Passion, oder 2008, sondern kurz vorm Passion, was anders spricht man da bei uns gar nicht. Zwischendrin ist da ein Loch. Was theatermäßig anbelangt, dazu sind wir auch da: Wir spielen in den zehn Jahren sehr viel Theater. "
In der Zehnjahrespause wurde nun im Passionshaus ein Spiel zur Geschichte des Stücks ausgegraben und bearbeitet. "Oberammergau 1633" von Ferdinand Feldigl. Erzählt wird die Geschichte einer Hergottschnitzerstochter, die den Text des Augsburger Meistersingers Sebastian Wild aus den Wirren des 30-jährigen Krieges nach Oberammergau rettet, dabei werden als Trailer gewissermaßen auch Einzelszenen aus der Passion vorgespielt. Im pompösen Passionsspielhaus wirkt das Geschehen, in großen effektvollen Volkszenen arrangiert, oft recht pathetisch.
Sebastian Wild: " Sie haben gefangen,
Judas ist vor ihnen hergegangen
Sie haben ihn geschlagen und zerrauft
Judas hat ihn verkauft
Ich fürcht es geht ihm an sein Leben. "
Tiroler Volksschauspiele und Passionsspiele sind zur vorletzten Jahrhundertwende vor allem von Berliner Kritikern gewürdigt und gerade in Norddeutschland als Alternative zum eingefahrenen Theaterbetrieb gesehen worden. Doch könnte man sie heute noch exportieren?
Auffallend an den Volks- und Passionsspielen 2006 ist, dass das Publikum zwar gut durchmischt von Intellektuellen der benachbarten Städte und Dörflern ist, Touristen aber fast völlig fehlen. Doch trotz Sprachschwierigkeiten, der Darsteller des Judas Markus Plattner ist diesbezüglich optimistisch.
Doch trotz Sprachschwierigkeiten, der Darsteller des Judas Markus Plattner ist diesbezüglich optimistisch:
" Ich denk mir, so lange Dinge ehrlich sind und behauptet werden, ist es absolut transportierbar. Und es wär natürlich ein Wunsch, wenn man heut´ irgendwo im norddeutschen Raum Tiroler Volkstheater spielt beziehungsweise umgekehrt. Wäre natürlich ein Experiment wert!"
Service:
In Grinzens und Telfs gibt es noch Aufführungen bis zum 2.9.2006. "Oberammergau 1633" wird bis zum 26. August 2006 gezeigt.