Parodie auf literarische Formen
Dies ist ein Kriminalroman, eine Spukgeschichte, ein Fantasy-Thriller, ein Liebesroman, ein Stadt-Roman über Barcelona und noch vieles mehr. Der spanische Schriftsteller Carlos Ruiz Zafón erzählt in "Das Spiel des Engels" eine faustische Geschichte über einen Autor, der einen Pakt mit dem Teufel schließt. Darin schwingt die Frage danach mit, wie Literatur funktioniert.
Der wohl seltsamste und nie wirklich gedeutete Ausspruch der Filmgeschichte sagt nur ein einziges rätselhaftes Wort: "Rosebud". Die Heimtücke besteht vor allem darin, dass "Rosebud" ein Schlusswort ist, einer der abschließenden Kommentare, die eigentlich im letzten Moment Sinn in ein Geschehen bringen müssten, das zuvor viele Fragen aufgeworfen hat. "Rosebud", das ist die verspielt-hämische Zurückweisung eines Autors, der sein Publikum zwingt, sich seinen Reim auf die Geschichte selbst zu machen.
Auch wenn es in Carlos Ruiz Zafóns Roman "Das Spiel des Engels" nicht wenige Anspielungen auf Filme und Filmgenres gibt, verzichtet er doch auf ein solches direktes Zitat. Rätselhaft ist dennoch vieles in diesem Roman. Ein junger und erfolgreicher, dabei ausgelaugter Schriftsteller trivialer Detektivgeschichten verspürt ein tiefes Unbehagen, weil ihm bewusst wird, dass er sein eigentliches literarisches Talent vergeudet. Als er dieses Talent in einem Roman einsetzt, der außer der Reihe entsteht, bleibt das Buch gänzlich unbeachtet.
Mitten in dieser Sinnkrise, die zudem begleitet wird von der beunruhigenden Diagnose seines Arztes, er habe wegen eines Gehirntumors im besten Fall noch ein Jahr Lebenszeit vor sich, erreicht ihn ein merkwürdiges Angebot eines Pariser Verlegers, der ihm für ungewöhnlich viel Geld ein Auftragswerk anbietet, das sich mit einem ungewöhnlichen Thema befassen soll. Das zu schreibende Werk soll nicht mehr und nicht weniger als einen neuen Glauben, eine neue Religion in die Welt setzen.
Etwas verwirrt, aber auch verführt, schlägt der Schriftsteller ein. Und muss im Verlauf der verzweigten Geschichte feststellen, dass er sich auf einen Pakt mit dem Teufel eingelassen hat. Das hat zunächst seine guten Seiten wie eine traumhafte Heilung, aber auch überaus teuflische Züge. Denn sehr bald sieht sich der Schriftsteller von Mord und Totschlag umgeben, stößt auf fragwürdige Identitäten und Texte, entdeckt verborgene Labyrinthe und zugegipste Türen, fühlt sich von geisterhaften Schatten umstellt und von wirklichen Polizisten verfolgt. Dies ist ein Kriminalroman, eine mysteriöse Spukgeschichte, ein Fantasy-Thriller, ein Liebesroman, ein Stadt-Roman (Barcelona, getaucht in den Sepia-Ton um 1930), eine Comic-Nachschrift des Faust-Motivs und wohl noch vieles mehr.
Warum nur verrührt ein Autor so viele Gattungen, Genres und Stile? Zumal der eigentliche Hauptstrang, die Kriminalhandlung um den teuflischen Verleger und seine Machenschaften, nicht derart bedeutsam zu sein scheint, als dass man ihn nicht bis zur völligen Verwirrung des Lesers in immer neue und neue Gänge und Räume dieses Erzähl-Labyrinths leiten könnte, bis hin zum absurden Endkampf im letzten Horror-Kämmerlein, in dem zwar Hardcore-Action aufgeführt wird, aber keineswegs eindeutig ist, wer nun letztlich der Gegner des Helden ist!
Die Antwort auf solche Einwände hat einen wohlbekannten Namen: Cervantes. Wie der Schöpfer des "Don Quijote" zu seiner Zeit die Ritterromane aufs Korn genommen hat, parodiert Ruiz Zafón die populären Genres der Gegenwart. Seine Parodie sucht in kluger und cervantinischer Weise nicht die plumpe und vordergründig komische Entlarvung des Trivialen, vielmehr bedient sie akribisch-mimetisch die Gesetze und Schablonen ihrer Vorlagen. Das Ergebnis ist ein Text, an dem man förmlich klebt, weil das Rätsel der einen bestimmt auf der nächsten Seite gelöst wird (was ungefähr stimmt, freilich tut sich da ein neues Rätsel auf usw.). Sobald man den parodistischen "Braten" riecht, schwingen als Subtext dieser Geschichte aber elementare Fragen mit: Wie funktioniert Literatur? Was genau tue ich, wenn ich mich einer Geschichte überlasse? Ruiz Zafóns Roman ist auf diese Weise eine Einladung zu Reflexionen, die das Medium selbst betreffen.
Rezensiert von Gregor Ziolkowski
Carlos Ruiz Zafón: Das Spiel des Engels. Roman
Aus dem Spanischen von Peter Schwaar
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008
711 Seiten, 24,95 Euro
Auch wenn es in Carlos Ruiz Zafóns Roman "Das Spiel des Engels" nicht wenige Anspielungen auf Filme und Filmgenres gibt, verzichtet er doch auf ein solches direktes Zitat. Rätselhaft ist dennoch vieles in diesem Roman. Ein junger und erfolgreicher, dabei ausgelaugter Schriftsteller trivialer Detektivgeschichten verspürt ein tiefes Unbehagen, weil ihm bewusst wird, dass er sein eigentliches literarisches Talent vergeudet. Als er dieses Talent in einem Roman einsetzt, der außer der Reihe entsteht, bleibt das Buch gänzlich unbeachtet.
Mitten in dieser Sinnkrise, die zudem begleitet wird von der beunruhigenden Diagnose seines Arztes, er habe wegen eines Gehirntumors im besten Fall noch ein Jahr Lebenszeit vor sich, erreicht ihn ein merkwürdiges Angebot eines Pariser Verlegers, der ihm für ungewöhnlich viel Geld ein Auftragswerk anbietet, das sich mit einem ungewöhnlichen Thema befassen soll. Das zu schreibende Werk soll nicht mehr und nicht weniger als einen neuen Glauben, eine neue Religion in die Welt setzen.
Etwas verwirrt, aber auch verführt, schlägt der Schriftsteller ein. Und muss im Verlauf der verzweigten Geschichte feststellen, dass er sich auf einen Pakt mit dem Teufel eingelassen hat. Das hat zunächst seine guten Seiten wie eine traumhafte Heilung, aber auch überaus teuflische Züge. Denn sehr bald sieht sich der Schriftsteller von Mord und Totschlag umgeben, stößt auf fragwürdige Identitäten und Texte, entdeckt verborgene Labyrinthe und zugegipste Türen, fühlt sich von geisterhaften Schatten umstellt und von wirklichen Polizisten verfolgt. Dies ist ein Kriminalroman, eine mysteriöse Spukgeschichte, ein Fantasy-Thriller, ein Liebesroman, ein Stadt-Roman (Barcelona, getaucht in den Sepia-Ton um 1930), eine Comic-Nachschrift des Faust-Motivs und wohl noch vieles mehr.
Warum nur verrührt ein Autor so viele Gattungen, Genres und Stile? Zumal der eigentliche Hauptstrang, die Kriminalhandlung um den teuflischen Verleger und seine Machenschaften, nicht derart bedeutsam zu sein scheint, als dass man ihn nicht bis zur völligen Verwirrung des Lesers in immer neue und neue Gänge und Räume dieses Erzähl-Labyrinths leiten könnte, bis hin zum absurden Endkampf im letzten Horror-Kämmerlein, in dem zwar Hardcore-Action aufgeführt wird, aber keineswegs eindeutig ist, wer nun letztlich der Gegner des Helden ist!
Die Antwort auf solche Einwände hat einen wohlbekannten Namen: Cervantes. Wie der Schöpfer des "Don Quijote" zu seiner Zeit die Ritterromane aufs Korn genommen hat, parodiert Ruiz Zafón die populären Genres der Gegenwart. Seine Parodie sucht in kluger und cervantinischer Weise nicht die plumpe und vordergründig komische Entlarvung des Trivialen, vielmehr bedient sie akribisch-mimetisch die Gesetze und Schablonen ihrer Vorlagen. Das Ergebnis ist ein Text, an dem man förmlich klebt, weil das Rätsel der einen bestimmt auf der nächsten Seite gelöst wird (was ungefähr stimmt, freilich tut sich da ein neues Rätsel auf usw.). Sobald man den parodistischen "Braten" riecht, schwingen als Subtext dieser Geschichte aber elementare Fragen mit: Wie funktioniert Literatur? Was genau tue ich, wenn ich mich einer Geschichte überlasse? Ruiz Zafóns Roman ist auf diese Weise eine Einladung zu Reflexionen, die das Medium selbst betreffen.
Rezensiert von Gregor Ziolkowski
Carlos Ruiz Zafón: Das Spiel des Engels. Roman
Aus dem Spanischen von Peter Schwaar
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2008
711 Seiten, 24,95 Euro