Parlamentswahl in Österreich

Dreikampf um den Kanzlerposten

Die Spitzenkandidaten für den österreichischen Nationalrat, Heinz Christian Strache (FPÖ), Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) (v.l.)
Die Spitzenkandidaten für den österreichischen Nationalrat, Heinz Christian Strache (FPÖ), Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) (v.l.) © imago / photonews.at
Von Clemens Verenkotte |
In knapp drei Wochen wählt Österreich ein neues Parlament. Nur drei Spitzenkandidaten haben eine echte Chance. Der markanteste unter ihnen: der 31-jährige Sebastian Kurz von der ÖVP. Seinen Widersachern, SPÖ-Kanzler Christian Kern und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, macht er es nicht leicht.
"Magst a Foto mit uns, als langjähriges Mitglied."
Christian Kern stellt sich dazu, das Selfie ist rasch gemacht. Hier in Niederösterreich, auf dem Winzerfest in Poysdorf nahe der Grenze zu Tschechien, gibt sich der Bundeskanzler und Sozialdemokrat gelassen und volksnah.
"Das ist einer dieser Tage, wo Du eigentlich mit mehr Energie ins Bett gehst, wie Du aufgestanden bist. Es gibt viel Zuspruch, viel freundliche Worte und das motiviert einen."
Der SPÖ-Chef weiß, dass er in den letzten Wahlkampfwochen richtig punkten muss, um aus dem seit diesem Sommer konstanten Umfragetief seiner Partei herauszukommen. Seine Sozialdemokraten liegen mit einem Abstand von sieben bis acht Prozentpunkten hinter dem Jungstar der konservativen Volkspartei, Außenminister Sebastian Kern. Obgleich Kern als von seinen Landsleuten als der fachlich Kompetenteste im Rennen angesehen wird, spiegelt sich das nicht in den Zustimmunsgwerten für die SPÖ wider. Der ehemalige Topmanager der österreichischen Bahn, der im Mai letzten Jahres aus dem Stand heraus den Spitzenposten der Republik übernommen hat, setzt auf Sachthemen, auf sichere Renten, höhere Ausgaben für Bildung und Soziales. Vieles wird an ihn herangetragen.
"Das sind immer nur Teile, aber man hört sich vor allem an, was die Menschen wirklich meinen, denn für mich ist das wichtig zu verstehen, wo die Sorgen sind und wo der Schuh drückt, und da passen wir dann unsere Politik an."
Sehr passgenau, auf mehr als 200 Seiten, haben Kern und sein Wahlkampfteam in ihrem SPÖ-Programm aufgeschrieben, wie aus ihrer Sicht die Sorgen der Österreicher gemindert werden könnten. Detailliert, umfassend – und ein wenig überfrachtet listen Kanzler und Kampagne ihre Wahlkampfthemen auf. Er sei da halt altmodisch, gibt Christian Kern gerne auf die Frage zurück, ob das denn heutzutage noch die richtige Strategie wäre. Dass er im Falle einer Wahlniederlage seine SPÖ in die Opposition führen will – das spricht der Bundeskanzler auch in den zahllosen Fernseh-Debatten unverblümt an, und verzichtet dabei nicht auf deutliche Seitenhiebe auf seinen bisherigen Koalitionspartner, die ÖVP von Sebastian Kurz.
"Ich bin da so konservativ und altmodisch. Ich glaube, dass Inhalte am Ende schon eine entscheidende Kraft haben bei dieser Diskussion."

FPÖ-Chef Strache kündigt "blaues Wunder" an

Walter Rosenkranz: "Ihr seid es, nicht HC Strache alleine. Nein. Er braucht Euch. Jeden Einzelnen. Bitte beherzigt das. Jeder von Euch ist ein Wahlkämpfer für Österreich."
Wahlkampfauftakt der rechtspopulistischen FPÖ in Niederösterreich: Landesparteichef Walter Rosenkranz braucht in der Wiener Neustadt den Spitzenkandidaten niemanden vorstellen – alle kennen ihn als "HC": Heinz-Christian Strache, seit elf Jahren Vorsitzender der Freiheitlichen Partei und im Feld seiner Kontrahenten Kurz und Kern der Dienstälteste. Strache ist auf seiner selbsterklärten "Fairness-Tour": Österreicher verdienten "Fairness", ein Ende des "aufgeblähten Staatsapparats" und der hohen Steuerbelastung, wie es die FPÖ formuliert. Im Visier der Partei – die neben ihrem Logo den Zusatz "Die Soziale Heimatpartei" trägt: Die Große Koalition aus Sozialdemokraten und Konservativen – Rot und Schwarz - die Verkörperung des österreichischen Politikstils: Heinz Christian Strache kündigt an, dass das Land am Wahltag ein "blaues Wunder" erleben werde.
"Das wird ein Duell am 15. Oktober: Freiheitliche Partei Österreich gegen diese rot-schwarze Belastungs- und Stillstandsregierung. Die wollen und werden wir abwählen."
Lange Zeit konnten sich die Rechtspopulisten im Glanz guter Umfragezahlen sonnen: Noch zu Beginn dieses Jahres – lange bevor Außenminister Sebastian Kurz vorgezogene Neuwahlen durchsetzen konnte und die schlappe konservative Volkspartei übernahm – stand die FPÖ deutlich auf Platz eins, als stärkste politische Kraft im Lande. Damit es längst vorbei: Denn – die zentralen Themen ihrer Klientel, Migration und Grenzschutz – hat Sebastian Kurz besetzt.

ÖVP vollständig auf Sebastian Kurz zugeschnitten

"Ein Bundeskanzler muss die Möglichkeit haben, zu führen und zu entscheiden. Das ist es, was wir brauchen. Machen wir es wie die Deutschen."
Auch ein österreichischer Bundeskanzler müsste eine Richtlinienkompetenz erhalten und die großen Linien der Regierungspolitik bestimmen können. Damit enden für Sebastian Kurz allerdings auch schon die Gemeinsamkeiten mit dem großen Nachbarn. Denn der 31-jährige Außenminister und Chef der konservativen Volkspartei will am 15. Oktober nicht wie die deutschen Christdemokraten und Christsozialen dastehen. Kurz, seit 2013 Kabinettsmitglied, verfügt über die längste Regierungserfahrung der drei Spitzenkandidaten. Frühzeitig hat er erkannt, dass er mit einer klaren Haltung in der Flüchtlingspolitik – Schließung der Westbalkan-Route, Sicherung der EU-Außengrenzen, geringere Leistungen für Flüchtlinge in eigenen Land – zwei Ziele gleichzeitig erreichen könnte: Die Übernahme der desolaten Volkspartei, die er vollständig auf seine Person zugeschnitten und unter seinem Namen antreten lässt; und – möglicherweise – das Bundeskanzleramt. Österreich habe in der Flüchtlingspolitik einen eigenständigen Kurs gesteuert und dies werde inzwischen auch von vielen EU-Staaten geteilt, wirbt Sebastian Kurz.
"Wir setzen uns da auf europäischer Ebene dafür ein und ich bin mir eigentlich sehr sicher, dass wir uns da auch durchsetzen werden. Was ich mir nicht gern in den Mund legen lasse, ist, dass wir damit Schengen außer Kraft setzen wollen. Weil ich sehe es eigentlich, um ehrlich zu sein, genau gegenteilig: Meiner Meinung nach sind diejenigen, die für die offenen Grenzen eingetreten sind, die Dublin außer Kraft gesetzt haben, die für das Weiterwinken der Flüchtlinge waren, das sind diejenigen, die unser Europa ohne Grenzen von innen in Gefahr gebracht haben."
Lange hat sich der jugendlich wirkende Spitzenkandidat der Konservativen auf seinen Aufstieg bis an die Spitze vorbereitet. Ihm gelang es, sich als eine "neue Kraft" im Feld der Kandidaten zu positionieren, die mit der jahrzehntelangen Machtteilung zwischen Sozialdemoraten und ÖVP Schluss machen könne – obgleich er selbst vier Jahre lang der Großen Koalition angehört hat. Auf ihn ist der gesamte Wahlkampf zugeschnitten, und er wird nicht müde, seine Anhänger davor zu warnen, den guten Umfragezahlen zu trauen. Sein Appell lautet daher bis zum Wahl Mitte Oktober.
"Ich möchte mit Euch gemeinsam dieses Land zurück an die Spitze führen. Es ist Zeit. Gehen wir es an!"
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