Paritätischer Gesamtverband: Pflege-Kapitalstock durch Beitragserhöhungen

Werner Hesse im Gespräch mit Marcus Pindur |
Der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, Werner Hesse, spricht sich dafür aus, den von der neuen Regierung angestrebten Kapitalstock für die Pflegeversicherung durch eine Anhebung der bisherigen Beiträge zu finanzieren.
Marcus Pindur: Eigentlich wollte man gestern den Sack zumachen. Daraus wurde aber nichts. CDU/CSU und FDP konnten sich noch nicht abschließend über die Finanzierung der Krankenversicherung einigen. Heute soll aber die Schlussrunde darüber entscheiden. Bei der Pflegeversicherung dagegen hat man eine Lösung gefunden. Die Versicherten sollen in Zukunft nicht nur ihren Beitrag von knapp 2 Prozent vom Bruttolohn zahlen, sondern darüber hinaus noch einen Beitrag leisten, und mit dem soll dann ein sogenannter Kapitalstock angespart werden und der wiederum soll dann die Pflegeversicherung in späteren Jahren demographiefest machen, eine Art "Pflege-Riester" sozusagen. Wir wollen darüber mit Werner Hesse reden, er ist der Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Guten Morgen, Herr Hesse!

Werner Hesse: Guten Morgen, Herr Pindur!

Pindur: Jahrelang hat man auf die Gefahren der demographischen Entwicklung für die Sozialsysteme hingewiesen. Da ist es doch erfreulich, wenn eine Regierung endlich mal hingeht und zumindest eine Sozialversicherung demographiefester macht. Teilen Sie diese Meinung?

Hesse: Das ist sicherlich vernünftig, dass man guckt, dass die Pflegeversicherung auch langfristig stabil bleibt. Man muss aber auch daran erinnern, dass gerade noch im letzten Jahr der Beitrag um 0,25 Prozent angehoben worden ist, auch im Grunde, um sie demographiefest zu machen. Und man muss auch daran erinnern, dass sie gar nicht so schlecht im Trend dessen liegt, was man mal vorausgesagt hat, als genau diese Koalition 1994 die Versicherung geschaffen hat. Da hat man nämlich für den heutigen Zeitraum einen Beitrag von 2 Prozent vorausgesagt und wir liegen jetzt bei 1,95, das heißt sind leicht unterfinanziert. Wir liegen eigentlich noch ganz gut in der Entwicklung.

Pindur: Man sieht aber auch, dass das nicht so bleiben wird, und ein Kapitalstock würde die Pflegeversicherung ja unabhängiger machen von der Zahl der Arbeitnehmer, die im Umlageverfahren die Pflege tragen. Das ist doch, wenn man in die Zukunft blickt, jetzt besser.

Hesse: Das kann man erst mal so sehen. Wenn man aber noch mal wieder zurückschaut auf die damaligen Prognosen, hat man gesagt, man wird auch nicht bei 2 Prozent stehen bleiben können, sondern man wird im Verlauf der demographischen Entwicklung auf 2,4, 2,8 Prozent hochgehen müssen, und das wäre auch eine demographiefeste Veranstaltung. Es jetzt nur auf die Arbeitnehmer zu beziehen, ist auch nicht ganz zutreffend, weil in die Pflegeversicherung zahlen alle ein. Da zahlen auch die Rentner ein, da zahlen auch die Selbstständigen ein. Das unterscheidet sie ja von der Rentenversicherung, wo die Rentner nicht mehr einzahlen müssen.

Pindur: Aber die Kosten steigen dort auch immer weiter und diese Kosten machen Arbeit natürlich teurer.

Hesse: Das ist gar keine Frage, dass die Kosten dort steigen werden. Mir ist nur nicht ganz klar, wie dieses Modell funktionieren soll. Es klingt ja ein wenig so, als wollte man neben eine Pflichtversicherung, die nicht ausreichend finanziert ist, noch eine zweite Pflichtversicherung stellen und keiner sagt, wer denn eigentlich die Einhaltung der Versicherungspflicht überwachen soll und wer überhaupt die Kosten dafür trägt. Es sieht ein bisschen so aus, als würde das dem Steuerzahler aufgebürdet werden sollen, und dann könnte man sagen, bitte schön, dann macht das wahr, was ihr von vornherein versprochen habt, dass ihr nämlich mehr Steuermittel in die Versicherung hineinstellt. Da haben sich nämlich die Länder zurückgezogen und haben ihre damaligen Versprechungen nicht gehalten.

Pindur: Klar scheint zu sein bei dem, was Union und FDP dort vorhaben, dass nur die Arbeitnehmer diesen Beitrag zur Pflegeversicherung tragen sollen. Halten Sie das für richtig?

Hesse: Es ist nicht recht verständlich, warum man sagt, ein Teil wird zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern geteilt und der andere wird von den Versicherten alleine getragen. Wenn es um luxuriöse Zusatzleistungen gehen würde, dann könnte man sagen, okay, Zusatzleistungen muss die Grundversicherung nicht tragen. Diese Aufteilung ist so nicht nachvollziehbar.

Pindur: Wenn man sich jetzt anschaut, wie die Pflegeversicherung derzeit dasteht und wie die Bevölkerungsentwicklung in den nächsten 20 Jahren aussieht: die Mittel der Pflegeversicherung reichen aber nicht, um ausreichende Reserven aufzubauen. Wie sollte das denn Ihrer Ansicht nach geschehen?

Hesse: Wenn man einen Kapitalstock aufbauen will, dann sollte man das in der jetzigen Versicherung tun, den Beitrag etwas erhöhen und von einem Teil des Beitrages diesen Kapitalstock bilden. Das lässt sich ja regeln. Oder was man eben auch machen könnte: man könnte aus Steuermitteln dann zuschießen, wenn Bedarfe in der Pflegeversicherung da sind, wie man das in der Rentenversicherung macht, wie man das auch in der Krankenversicherung macht.

Pindur: Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie diese Pflegeversicherung weiterhin erhoben werden könnte: entweder als prozentualer Anteil vom Einkommen oder als Pauschale. Was denken Sie ist besser?

Hesse: Der prozentuale Anteil vom Einkommen ist gerechter, weil das richtet sich nach der Leistungsgerechtigkeit der einzelnen Menschen. Da wird jeder nach dem belastet, was er tatsächlich leisten kann. Wenn sie einen Einheitsbeitrag haben, haben sie sofort wieder die Frage, was ist mit den Menschen, die den Beitrag so nicht leisten können. Dann müssen sie wieder mit Transfers zuzahlen, müssen sie Hartz IV erhöhen, dann haben sie eine Riesen-Bürokratie am anderen Ende.

Pindur: Vielen Dank! – Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes. Herr Hesse, vielen Dank für das Gespräch!

Hesse: Ich danke Ihnen!