"Ich habe 14 Weltmeistertitel gewonnen und halte auch mehrere Weltrekorde. Anerkannt sind beim Para-Eisschwimmen drei Weltrekorde von Guinness World Records über 250 Meter Freistil, 100 Meter Freistil und 50 Meter Freistil."
Deeken benötigt seit 30 Jahren Hilfsmittel
Seit 30 Jahren ist Tina Deeken auf Hilfsmittel angewiesen. Lange braucht sie schon Gehstöcke. Der Sport hilft der groß gewachsenen, schlanken Frau, besser durch den Alltag zu kommen. Und, so lange wie möglich mobil zu bleiben. Die Lähmung hat ihr Leben nicht zerstört, sagt die 46-Jährige: "Vieles ist auch dadurch erst möglich geworden. Im Endeffekt kann man es als Chance irgendwie begreifen. Es ist anders geworden, aber zerstört würde ich auf gar keinen Fall sagen."
Die Para-Athletin arbeitet als Förderschullehrerin
Die Förderschullehrerin geht morgens um sechs Uhr vor der Arbeit schwimmen. Sofern es die Zeit erlaubt, trainiert sie tagsüber für den nächsten Triathlon: "Ich schwimme jeden Tag mindestens einmal, manchmal auch zweimal – und das Handbike- und das Rennrollitraining ist hintendran."
Mit dem Handbike, das man mit den Armen bedient, ersetzt sie beim Triathlon das Fahrradfahren, mit dem Rennrolli das Laufen. Bewegung hilft, die Muskeln aufzulockern, die wegen der spastischen Lähmung schnell hart werden. Schmerzfrei ist Tina Deeken eigentlich nie: "Der Nervenschmerz ist im Endeffekt ein bisschen so wie bei Amputationen, wenn du Phantomschmerz hast. Das Bein ist nicht mehr da, du kannst es nicht gebrauchen, aber weh tut es trotzdem noch."
Deeken hat schlechte Blutwerte
Vor sieben Jahren haben ihre Ärzte auch noch eine angeborene Blutgerinnungsstörung festgestellt, die mit einer schlechten Immunabwehr verbunden ist. Die Gerinnungsfaktoren, die ihr fehlen, kann sie sich zwar selbst intravenös spritzen. Dennoch muss sie laufend zur Physio, zur Orthopädin, zur manuellen Therapie, zum Rheumatologen oder zur Schmerztherapeutin. Regelmäßig muss sie ihre schlechten Blutwerte überprüfen lassen.
Sie trainiert auf Lücke, weil nur wenig Zeit für professionellen Leistungssport bleibt. Doch das Training tut ihr gut: "Ich werde auch trotz der schlechten Werte wenig krank. Das ist zwar keine Garantie, ist aber momentan Fakt."
Orthesen und Gehstöcke als Hilfsmittel
Weil die Muskulatur immer weiter abbaut und das linke Bein schwächer wird, ist sie zunehmend auf Gehstöcke und medizinische Hilfsmittel angewiesen, sogenannte Orthesen. Die Ganzbeinschiene am gelähmten linken Bein funktioniert elektrisch, erklärt Deeken: "Die steuert die Schwung- und die Standphase beim Gehen, macht fest, wenn ich das Bein belaste."
Tina Deeken mit ihren Orthesen und Gehstöcken© Werner Nording
Eisschwimmen bei Minusgraden
Beim Silbersee Ice Cup in Hannover müssen Lautsprecher und Computer mit einem Notstromaggregat versorgt werden. 45 Eisschwimmerinnen und Eisschwimmer zwischen 14 und 65 Jahren aus ganz Deutschland sind dabei – und sogar aus England, Polen und Holland.
Der begeisterte Eisschwimmer Florian Battermann hat den Wettbewerb mit einfachsten Mitteln organisiert. Es schneit, bei minus drei Grad, der See ist knapp unter fünf Grad. Ideale Bedingungen, weil die Finger noch nicht einfrieren, sagt Tina Deeken. Und Eisschwimmen mache glücklich:
Der Körper schüttet Endorphine aus. Das ist, glaube ich, der Grund, warum das hier alle machen. Andere müssen Marathon dafür laufen. Wir schaffen das auch mit kürzeren Strecken im Eiswasser.
Tina Deeken
Den Silbersee kennt Tina Deeken gut, hier trainiert sie regelmäßig. Auch heute ist sie die sechs Kilometer von zu Hause mit ihrem Fahrrad gekommen. Ihr Rad ist so eingestellt, dass sie nur mit dem rechten Bein Schwung holen muss.
Eine Weltmeisterin ohne Starallüren
Völlig ohne Starallüren mischt sich die Weltmeisterin unter die 100 Zuschauerinnen und Zuschauer, plaudert mit den einen und begrüßt andere. Seit sechs Jahren ist sie Eisschwimmerin.
Viele Athletinnen und Athleten kennt sie persönlich. Den Neueinsteigern gibt sie bereitwillig Tipps.
Botschafterin für den Behindertensport
Dabei ist Tina Deeken auch heute wieder die einzige Para-Athletin am Start. Weil sie mit ihren Gehhilfen und den Orthesen überall auffällt, ist sie zur Botschafterin für den Behindertensport geworden. Sie will anderen Menschen mit Behinderung Mut, machen, selbst anzufangen, Sport zu treiben.
Sie unterstreicht: "Dass man sich nicht auf dem Sofa verstecken soll oder aufs Sofa legen soll und nichts mehr tun soll, sondern auch viele Dinge tut, bei denen man eigentlich denkt, dass sie nicht mehr funktionieren könnten – und dann merkt, dass die eben noch funktionieren."
Eisschwimmen nur mit dünnem Badeanzug
Erlaubt sind beim Eisschwimmen nur ein dünner Badeanzug, eine Badekappe und eine Schwimmbrille, keinesfalls ein wärmender Neoprenanzug. Damit die elektrische Orthese nicht nass wird, nutzt die Para-Athletin für den Gang zum See eine nichtelektrische Stütze.
Bevor sie ins Wasser geht, macht sie immer eine Sichtkontrolle. Denn wenn sie mit ihrem linken Fuß in eine Scherbe tritt, würde sie das nicht spüren. Das könnte verheerende Folgen haben. Beim Eisschwimmen ist Tina Deeken so bei sich, dass sie die Schmerzen einen Moment vergessen kann.
Im kalten Wasser bist du so sehr darauf konzentriert, da zu 'überleben', da hast du nicht großartig Gedanken dafür, ob das Bein jetzt gerade weh tut oder nicht, das ist da irgendwie nebensächlich.
Tina Deeken
Schwimmstrecken zwischen 50 und 1.000 Metern
Sechs Schwimmerinnen machen sich fertig für 100 Meter Brust. Hellwach streift Tina Deeken ihre Orthese ab. Eine Schwimmerin stützt sie, damit sie langsam ins eisige Wasser gleiten kann. Ganz behutsam, damit es nicht zu einem Kreislaufschock kommt.
Mit aller Kraft sprinten die Schwimmerinnen los. Voller Bewunderung feuern die Menschen am Ufer sie an, einige frieren schon beim Zuschauen. Auf dem Programm stehen Strecken zwischen 50 und 1.000 Metern.
Im klaren Wasser kann man gut sehen, dass Tina Deeken ihr gelähmtes, linkes Bein nur hinter sich herziehen kann. Schwung holt sie ausschließlich mit dem rechten Bein und mit den Armen. Die Athleten sind puterrot, als sie wieder aus dem Eiswasser kommen. Ihre Muskeln zucken, um so Wärme zu erzeugen.
Trotz starker Konkurrenz ist Tina Deeken mit 2 Minuten 20 nach der Para-Wertung die schnellste Schwimmerin. Dabei ist das heute für sie nur ein Trainingslauf.
Im Februar ist sie bei der Europameisterschaft
Für die Europameisterschaft Anfang Februar im rumänischen Oradea ist sie längst qualifiziert. Andere erfahrene Eisschwimmer bezeugen der Athletin ehrlichen Respekt wegen ihrer herausragenden Leistung: "Bei Tina ist es etwas Besonderes, mit ihrer Behinderung und ihrer Orthese. Die muss sie dann jedes Mal am Rand ablegen und ausziehen. Sie ist dadurch der Kälte noch eine ganze Zeit länger ausgesetzt. Dadurch ist das noch mal ganz besonders zu bewerten, was sie hier abliefert."
Tina Deeken ist 1976 im niedersächsischen Löningen geboren, einem 15.000-Einwohner-Städtchen zwischen Oldenburg, Osnabrück und der holländischen Grenze. Im Copernicus Gymnasium hat sie ihr Abitur gemacht.
Bis zum Alter von 16 spielte sie Tennis
Eigentlich war Tennis immer ihr Hobby. Doch damit war nach der Operation mit 16 Schluss. Heute hätte ihr vielleicht jemand geraten, auf Rollstuhltennis umzusteigen, doch vor 30 Jahren ist noch niemand auf die Idee gekommen.
Ihre Therapie waren Krankengymnastik und das Schwimmen, bis vor zehn Jahren mehr daraus wurde: "Das war im Grunde ein glücklicher Zufall. Ein Kollege von mir, der wollte einen Triathlon mit seinem Sohn machen und fragte dann: 'Tina, kannst du morgens mit mir schwimmen gehen? Ich muss trainieren.'“
Weil ihr das Training Spaß macht, meldet sie sich auch selbst für den Maschseetriathlon in Hannover an und kann ohne Wertung mitmachen: "Da habe ich dann diese Faszination für das Freiwasserschwimmen gewonnen."
Fast jedes Wochenende bei einem Zwei-Drittel-Triathlon
Deeken startet jetzt fast jedes Wochenende im Zwei-Drittel-Triathlon. Ob in Lübeck, Hameln, Hamburg, Braunschweig oder Kiel. Überall steht sie im Rampenlicht. Eigentlich mag sie den Rummel um ihre Person nicht. Doch schnell sieht sie ein, dass sie ihre Bekanntheit nutzen muss, um für den Behindertensport zu werben.
Mir haben genug Freunde in den Hintern getreten, dass man das nicht im Stillen machen soll. Ich merke das auch in der Schule immer mal wieder, dass der Umgang mit Behinderung noch nicht selbstverständlich ist. Insofern glaube ich, dass es immer noch genug zu tun gibt.
Tina Deeken
Tina Deeken gewinnt einen Titel nach dem anderen. So wird sie zum Beispiel Deutsche Para-Meisterin im Triathlon über die Sprintdistanz und die Kurzdistanz. Doch die starke Schwimmerin startet auch gerne bei Volksläufen mit einer inklusiven Staffel, wo das Gewinnen nicht im Vordergrund steht.
Wie etwa beim Wasserstadt-Triathlon in Hannover mit dem blinden Läufer Mirko Seefeld und seiner Tandempartnerin Sabrina Bonin sowie dem nichtbehinderten Radler York Weinem.
Schwimmen ist ihre Lieblingssportart
Der gemeinsame Wettkampf macht ihr Spaß. Nach der Staffel gibt sie den Reportern des Radioprojekts Handycap on Air der Hannoverschen Werkstätten gerne ein Interview.
"Ich fühle mich in der Sportart Schwimmen am wohlsten. Und beim Triathlon fühle ich mich auch im Wasser am wohlsten. Im Grunde ist es häufig so bei Triathleten und Triathletinnen, dass sie vor dem Schwimmen den größten Respekt haben – und alle froh sind, wenn das vorbei ist. Bei mir ist es eher so: Ich freue mich auf die erste Disziplin. Meinetwegen könnten das auch noch ein paar Kilometer mehr sein."
Wie sie zum Eisschwimmen kam
Über den Triathlon kommt Tina Deeken zum Freiwasserschwimmen und über das Freiwasserschwimmen zum Eisschwimmen. Unterdessen hat sie einen großen Kreis von Läufern, Schwimmern und Radfahrern, die sie beim Start und am Ziel unterstützen.
Bei den Vorbereitungen für den Silbersee Ice Cup 2018 lernt sie Tobias Prüßner kennen, der fortan ihr Schwimmbegleiter wird. Denn beim Eisschwimmen ist es aus Sicherheitsgründen wichtig, dass man niemals allein und immer mit einer Schwimmboje um den Bauch ins Wasser geht.
Im Frühjahr und Sommer schwimmen sie gemeinsam in der Weser, der Werra oder in Gewässern in Holland – oft bei Wind, Wellen und Regen. Das sind Strecken zwischen drei und fünf Stunden.
Tina Deeken erzählt: "Ganz toll war die Wörthersee-Längsquerung, das sind 17,5 Kilometer. Bodensee, das war eine Querung, die elf Kilometer lang war. Dann bin ich im Oslo-Fjord in Norwegen geschwommen, das waren zehn Kilometer. In der Kieler Förde waren es 14 Kilometer – ich könnte die Liste fortsetzen."
Deeken macht alles intuitiv – ohne Trainer
Einen Trainer hat Tina Deeken nicht – und auch keinen Trainingsplan, erzählt ihr Schwimmpartner Tobias Prüßner. Sie ist Autodidaktin und macht alles intuitiv. Dennoch fallen ihr die Erfolge keineswegs in den Schoß: "Sie muss schon etwas tun, mehr als andere sicherlich – mit Willenskraft und auch diszipliniert."
Aus Protest gegen die Salzeinleitung der Industrie schwimmen die beiden im Sommer bei 20 Grad Wassertemperatur 52 Kilometer durch die Weser, von Großenwieden im Landkreis Hameln-Pyrmont bis ins westfälische Minden. Zwar mit der Strömung und im Neoprenanzug, dennoch sind sie neun Stunden unterwegs.
Schon nach zwei Stunden tun ihr die Knochen weh, erzählt die Extremsportlerin, doch man muss schon bereit sein, sich da durchzuquälen: "Ich glaube, ich habe dann schon eine gewisse Anstrengungsbereitschaft, die man einfach haben muss. Man muss auch weitermachen, wenn es weh tut. Wenn ich aufhören würde, bevor es unangenehm wird, würde ich da gar nicht reingehen."
Ihre Erfahrungen als behinderte Sportlerin
Bei allen Wettbewerben wird Tina Deeken als behinderte Sportlerin freundlich aufgenommen. Nur einmal, bei der Deutschen Masters Meisterschaft für nichtbehinderte Schwimmerinnen und Schwimmer, muss auch sie erfahren, dass behinderte Menschen immer noch nicht dazugehören.
Gerade wollen Tina Deeken und Tobias Prüßner zum Einschwimmen gehen. Auf die Frage der Dame am Einlass, wieviel Schwimmer sie denn seien, antworte Tina Deeken: "zwei": "Dann guckte sie mich an, so von oben nach unten und fragte: 'Aber Sie schwimmen ja nicht mit?' Ich sagte: 'Doch'. Und dann sagte sie wieder irgendwie: 'Aber doch nicht so?' Und auf dieses 'aber doch nicht so' sagte Tobias dann: 'Nein, wir ziehen uns schon noch um.'“
Auch heute ist es für viele noch undenkbar, dass Schwimmerinnen und Schwimmer mit Handicap in Nichtbehinderten-Wettbewerben starten. Tina Deeken ist darüber nicht wirklich geschockt, weil sie sonst so viele gute Erfahrungen im Sport macht.
Sonderwelten zwischen Menschen mit und ohne Handicap
Jürgen Dusel, der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen, hat Tina Deeken bei einer Preisverleihung in Berlin kennengelernt, als die Para-Eisschwimm-Weltmeisterin die Laudatio hält.
Dusel sieht seine Aufgabe darin, die Sonderwelten zwischen Menschen mit und ohne Behinderung zu beseitigen. Sei es beim Wohnen, bei der Arbeit oder der Gesundheit. Menschen mit und ohne Handicap müssten sich selbstverständlicher treffen, damit alle voneinander lernen könnten.
Jürgen Dusel ist von Tina Deekens Erfahrungen nicht überrascht.© dpa / picture alliance / Michael Kappeler
Die Reaktion der Mitarbeiterin im Schwimmbad hat den Behindertenbeauftragten nicht überrascht: "Ich bin sicher, wenn die Dame, die jetzt im Schwimmbad an der Kasse sitzt, in ihrer Schulklasse vielleicht einen Schulkammeraden im Rollstuhl gehabt hätte, dann hätte sie diese Frage nicht gestellt."
Deeken bekommt Rennrolli gespendet
Tina Deeken lässt sich nicht entmutigen. 2019 schenken ihr Spender einen 5.000 Euro teuren Rennrolli, eine dänische Maßanfertigung, damit sie endlich einen kompletten Triathlon machen kann.
"Hier in den regionalen Triathlons in Niedersachen bin ich tatsächlich die Erste, die diese Laufstrecken mit dem Rennrolli gefahren ist", erklärt Deeken.
Der Rennrolli ist für die Arme eine gute muskuläre Abwechslung zum Schwimmen. Obwohl sie damit auf ebener Strecke meist viel schneller ist als die nichtbehinderten Läuferinnen und Läufer, fährt sie nicht auf Tempo, um unbedingt zu gewinnen.
Ihr Antrieb ist die Freude an der Bewegung
"Für mich ist das Wichtigste, dass keinem etwas passiert. Ich nehme auch Geschwindigkeit raus. Es geht mir nicht darum, die High-End-Kilometer zu fahren, sondern das soll ein Miteinander sein", betont die Schwimmerin. Nicht die Medaillen und Rekorde sind ihr Antrieb, immer härter zu trainieren, sondern die reine Freude an der Bewegung.
Als die International Ice Swimming Assoication im Februar 2022 die Eischwimmweltmeisterschaft in Polen ausrichtet, denkt sie nicht im Traum daran, Weltmeisterin zu werden. Sie hat auch nicht zielgerichtet darauf hintrainiert, sondern will einfach nur teilnehmen.
Das war im Grunde so, dass ich gelesen hatte, dass bei der WM auch eine Para-Wertung angeboten wird. Sonst wäre ich gar nicht dorthin zu fahren. Ich bin nicht mit dem Ziel hingefahren, Weltmeisterin zu werden, sondern dabei zu sein. Ich wusste auch gar nicht, wie gut ich da bin.
Tina Deeken
Bei der WM in Polen holt sie sieben Titel
500 Sportlerinnen und Sportler aus 30 Ländern treten bei einer Wassertemperatur von nur zwei bis drei Grad in der Oder an, in der ein 25-Meter-Becken eingerichtet ist. Es ist das erste Mal, dass Paraathletinnen und -athleten bei einer WM mitmachen und behinderte sowie nichtbehinderte Eisschwimmerinnen und Eisschwimmer in den gleichen Läufen starten.
Für sie völlig überraschend gewinnt Tina Deeken sieben Weltmeistertitel. Ein Jahr später bei den Eisschwimmweltmeisterschaften in den französischen Alpen kann sie sechs Titel verteidigen und einen neuen Titel dazugewinnen. Seitdem ist sie 14-fache Weltmeisterin.
Erstaunlicherweise sind ihr die Siege bei den Weltmeisterschaften nicht das Wichtigste in ihrer Eisschwimmkarriere. Wichtiger ist ein Naturerlebnis mit ihrem Schwimmpartner Tobias Prüßner auf dem Hintertuxer Gletscher in Österreich auf mehr als 3.000 Metern Höhe. In einer Höhle gibt es einen 50 Meter langen Eiskanal, in dem das Wasser nicht gefriert, obwohl die Wassertemperatur hier unter null Grad fällt.
Sie erzählt: "In diesem Eiskanal, was ja kein Wettkampf war, war es einfach ein ganz großartiges Erlebnis in unter null Grad kaltem Wasser mit Eiswänden und Eisdecke zu schwimmen. Ich glaube, das war schon der Höhepunkt, was das Eischwimmen angeht. Das ist ein ganz anderes Erlebnis als so eine Weltmeisterschaft, aber ich glaube, das würde ich so werten."
"Ich fühle mich im Wasser einfach wohl"
Im Wasser ist Tina Deeken in ihrem Element, auch wenn es eiskalt ist. Da ist sie schwerelos. An Land ist es für sie immer etwas beschwerlich.
Ich glaube, ich fühle mich im Wasser einfach wohl. Es ist für mich einfacher, mich im Wasser zu bewegen als an Land. Da brauche ich keine Orthesen, da brauche ich keine Stöcke. Da kann ich natürlich meinen linken Arm und auch mein linkes Bein auch nicht so benutzen, wie es irgendwie normal wäre. Aber da fällt es nicht ganz so auf.
Tina Deeken
Neben Wettbewerben in Berlin, Hamburg, Köln oder Amsterdam startet Tina Deeken auch regelmäßig beim Maschsee-Triathlon in Hannover, wo alles angefangen hat. Vor heimischem Publikum wird sie hier wie ein Star gefeiert.
Niedersachsens Behindertensportlerin des Jahres
Nach den 1500 Metern Freistil kommt sie als eine der Ersten aus dem Wasser.
"Niedersachsens Behindertensportlerin des Jahres, dicken Applaus für Tina Deeken.“
Die Medizinerin Vera Küsel schwimmt jeden Tag und kennt Tina Deeken schon lange: "Sie macht es nicht für die Erfolge. Sie macht es, um es zu machen. Und die Erfolge sind ihr Sahnehäubchen oben drauf. Aber sie würde es auch machen, wenn sie die Erfolge nicht hätte."
"Sie hat so viel positive Energie"
Ihre Freundin, die Ärztin Kristin Beck, erklärt, woher Tina Deeken die Willenskraft für all die Wettbewerbe nimmt: "Sie hat einfach so viel positive Energie, das macht ihr einfach Spaß. Das ist ihr Leben und sie hat Spaß, sie kennt Gott und die Welt dadurch, das ist ihr Leben, das sind ihre Freunde, ja, das ist das, was sie glücklich macht."
Und ihr Begleitläufer Jens König ergänzt: "Sie ist charakterlich absolut geerdet und auf dem Boden geblieben und geht damit wirklich sehr, sehr bescheiden um. Das ist einfach auch noch eine tolle Ausstrahlung, die sie dabei hat. Das kann keiner erreichen. Sie ist dabei so bescheiden und setzt sich für die richtigen Sachen ein."
Nachdrücklich fordert Tina Deeken, dass für behinderte Kinder der Zugang zu einem Handbike, einem Rennrolli oder einer Sportprothese erleichtert werden muss. Außerdem müsse die Öffentlichkeitsarbeit für den Behindertensport dringend intensiviert werden.
Die große Freiheit, in der Natur zu schwimmen
Trotz der Kälte genießt Tina Deeken die große Freiheit, das ganze Jahr über in der Natur zu schwimmen. Dabei hatte sie nie das Ziel, Extremsportlerin zu werden. Da ist sie einfach so reingeschlittert: "Im Sommer macht der Triathlon Spaß, im Winter das Eisschwimmen oder im Sommer das Freiwasserschwimmen. Ich finde diese Abwechslung ganz gut."
Die Para-Athletin Tina Deeken mit einigen ihrer Medaillen© Werner Nording
Wer ihre Vorbilder sind
Zu ihren großen Vorbildern gehören die Schwimmerin Kirsten Bruhn, die nach einem Motorradunfall mit 30 Jahren querschnittsgelähmt wurde und trotzdem Paralympics-Rekorde erreichte, der Freiwasserschwimmer Andreas Waschburger, der den Weltrekord bei der Durchquerung des Ärmelkanals hält oder der Paraschwimmer Josia Topf, der zeigt, was alles ohne Arme und mit zwei unterschiedlich langen, steifen Beinen geht und andere durch seine strahlende, positive Art motiviert und ermutigt.
Ich habe da nicht so ein Idol. Ich bin aufgewachsen mit Franzi von Almsick, die da durchs Becken kraulte und fand Kirsten Bruhn bei den Paralympics immer schon toll, aber auch Andreas Waschburger, der Freiwasser geschwommen ist. Und Wenn ich jetzt auf der DM Josua Topf sehe, der wesentlich eingeschränkter ist als ich, aber genauso schnell Rücken schwimmt, ist das schon Wahnsinn.
Was sie erreichen möchte
Im vergangenen Jahr ist Tina Deeken zur Behindertensportlerin des Jahres in Niedersachsen gewählt worden. Das hat sie darin bestärkt, ihre Prominenz weiter einzusetzen, um bessere Bedingungen für den Behindertensport zu erreichen.
Sie sagt: "Als wichtige Tätigkeit, das habe ich mir gesagt, dass ich jetzt schon dieses Jahr jede Chance nutzen will, um das Thema in die Öffentlichkeit zu bringen oder mit Leuten drüber zu sprechen. Das verstehe ich so ein bisschen als meinen Auftrag. Es geht mir nicht darum, dass ich einen Ruhm erlangen will."