Papiere für elf Millionen Illegale

Von Marcus Pindur |
Es geht um einen legalen Status für viele Millionen Menschen: Der amerikanische Senat hat eine wegweisende Reform des Einwanderungsrechts verabschiedet - auch einige Republikaner stimmten dafür. Doch ob das Vorhaben am Ende wirklich durchgeht, ist immer noch unsicher.
71 Prozent der Latinos in den USA haben bei der letzten Präsidentschaftswahl Barack Obama gewählt, eine Rekordzahl. Und wenn die Republikaner diese Wählergruppe wieder enger an sich binden wollen, dann müssen sie einer Reform des Immigrationsrechtes zustimmen, da sind sich alle Beobachter einig. Ganz abgesehen davon, dass sich über elf Millionen illegale Einwanderer im Land aufhalten, für die endlich ein tragfähiger Weg in die Staatsbürgerschaft gefunden werden muss.

Im Senat ist das jetzt gelungen – zum ersten Mal seit 30 Jahren hat die obere Kammer des Kongresses eine Reform des Einwanderungsrechtes beschlossen.

Die Angelegenheit war so wichtig, dass Joe Biden selber erschienen war um die Sitzung zu leiten. Der Vizepräsident ist gleichzeitig Vorsitzender des Senates.

"”The Ayes on this bill are 68, the Nays are 32. The bill as amended is passed.”"

68 zu 32 Stimmen bekam das Gesetzeswerk – nur 14 Republikaner stimmten dafür. Der republikanische Senator Lindsey Graham, der den Kompromiss mit ausgehandelt hatte, versuchte es mit Humor.

"68 Stimmen in einem Senat, in dem man sich normalerweise nicht mal darauf einigen kann, dass der Sonntag arbeitsfrei ist, das ist wirklich ein Schritt in die richtige Richtung. Unseren Freunden im Repräsentantenhaus möchte ich sagen, sprechen Sie mit ihrer Stimme, aber denken Sie bitte an die Sache."

Die Sache ist in diesem Fall ein 1000 Seiten umfassendes Gesetz. Damit könnten die mehr als elf Millionen illegalen Einwanderer in den USA zunächst vorläufige Ausweispapiere bekommen und nach einer Wartezeit von 13 Jahren eingebürgert werden. Gleichzeitig müssten sie eine Strafe bezahlen und sich polizeilich überprüfen lassen – Straftäter sollen keine Chance auf Naturalisierung bekommen.

Das Greencard-Verlosungsverfahren soll abgeschafft werden. Dafür soll es Arbeitsgenehmigungen für Hochqualifizierte und Hochschulabsolventen geben. Für die Geringqualifizierten soll es temporäre Arbeitserlaubnisse geben. Besonders in der Gastronomie, auf Baustellen und in landwirtschaftlichen Betrieben werden viele Einwanderer beschäftigt.

Die Republikaner haben eine immense Ausweitung des Sicherheitsapparates an der Grenze zu Mexiko durchgesetzt. Die Zahl der Grenzbeamten soll fast verdoppelt werden auf 40.000. 700 Kilometer Zaun würden neu gebaut sowie eine Grenzüberwachung mittels Drohnen eingerichtet. Die Kosten würden 46 Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren betragen.

Doch die Zustimmung der unteren Kammer des Kongresses, des Repräsentantenhauses, ist alles andere als sicher. Der Sprecher des Hauses, John Boehner, zeigte sich vom Gesetzentwurf des Senates betont unbeeindruckt.

"Das Repräsentantenhaus wird nicht einfach abnicken, was immer der Senat beschließt. Wir werden unser eigenes Gesetz zusammenstellen, nach unseren Regeln, und dieses Gesetz wird den Willen unserer Mehrheit widerspiegeln."

Boehner will vermeiden, erneut von der Mehrheit seiner Fraktion im Stich gelassen und blamiert zu werden, so, wie es im Streit um die Fiskalklippe Anfang des Jahres geschehen war. Eine Einwanderungsreform solle nur verabschiedet werden, so Boehner, wenn die Mehrheit der republikanischen Fraktion dahinterstehe.

Damit sinken aber die Chancen auf eine solche Reform gewaltig, denn ein Großteil der republikanischen Abgeordneten hat kein Interesse an diesem Thema. Da die Abgeordneten hauptsächlich ihrem Wahlkreis und erst in zweiter Linie ihrer Partei verpflichtet sind, müssen viele von ihnen im Gegenteil fürchten, bei einer Zustimmung zu einem parteiübergreifenden Kompromiss bei der nächsten Wahl nicht wieder aufgestellt zu werden. Dass dies langfristig der Republikanischen Partei als ganzes schadet, weil dadurch die immer wichtigere Wählergruppe der Latinos abgeschreckt wird, ist bereits jetzt absehbar.