Papaya - gut und giftig

Von Udo Pollmer · 23.10.2011
Exotische Früchte haben Hochkonjunktur. Die Papaya hat sich einen festen Platz im Sortiment erobert. Dabei sind einige ihrer Bestandteile gesundheitsschädlich. Außerdem können die Samen bei Männern zu vorübergehender Unfruchtbarkeit führen.
Eigentlich müsste die Papaya ja auf dem Index all jener stehen, die ihre Ernährung dem Zeitgeist unterordnen. Denn die Papaya war das erste Obst, das gentechnisch bearbeitet wurde. Die Früchte dieser Forschung werden heute in großem Stile angebaut. Anlass war eine kaum beherrschbare Viruskrankheit, die ansonsten das Ende der Papayaproduktion auf Hawaii bedeutet hätte. Auch in anderen Anbaugebieten breitet sich dieses Virus aus und stellt dort eine existenzielle Bedrohung dar.

Die Bekämpfung bestand zunächst im Dauer-Einsatz von Insektiziden gegen Blattläuse; die Läuse fungieren als Überträger des Virus. Doch die Läuse wurden resistent. Statt des Einsatzes von Insektiziden gibt es noch eine "biologische" Alternative: Man versprüht weniger aggressive Stämme des fraglichen Virus, um damit die Abwehrkräfte der Pflanze zu aktivieren. Das halte ich aber für keine gute Idee: In freier Wildbahn können diese Viren schnell mutieren und dann ist der Teufel los.

Natürliche Resistenzen sind bei der Papaya dünn gesät. Deshalb war die übliche konventionelle Züchtung nicht erfolgversprechend. Die Gentechnikgegner favorisieren derzeit eine Methode, bei der die Papaya mit einer nicht-kreuzbaren Art vermischt wird. Die modernen Züchtungsverfahren stehen der Gentechnik in nichts nach, ja sie erlauben sogar noch massivere Veränderungen des Genoms. Da ist mir 'ne echte Papaya mit etwas Gentechnik und weniger Pestiziden dann doch lieber.

Die Papaya ist übrigens in unserer Küche viel länger heimisch, als es auf den ersten Blick scheint - wenn auch nicht im Obstgeschäft, sondern im Steakhaus. Daraus wurde ein gebräuchlicher Zusatzstoff gewonnen: der Fleischzartmacher Papain - ein Enzym, schier unverzichtbar in der Gastronomie. In manchen Ländern wurde damit auch das Bier stabilisiert. Mit dem Papain ging man dem Bürger sogar an die Wäsche. Bei Wolle und Seide verhindert das Enzym das Einlaufen und Verfilzen. Die Papaya gelangte aber noch auf einem anderen Weg auf den Tisch: Die Samen der Frucht sehen getrocknet fast genauso aus wie schwarzer Pfeffer und schmecken außerdem noch ein wenig scharf. Deshalb wurden sie gern zum Panschen von Pfeffer verwendet.

In den Erzeugerländern benutzt man die Papaya häufig zur Abtreibung. Wirksam ist vor allem die unreife Frucht. Männer essen die Samen der Frucht zur Empfängnisverhütung, denn sie machen unfruchtbar - zumindest vorübergehend. Unter diesem Aspekt bekommen Studien eine andere Bedeutung, die herausgefunden hatten, die Arbeiter in den Papaya-Plantagen seien häufiger unfruchtbar als die in Zuckerfabriken. Dies wurde als eine Folge der Pestizide gedeutet. Irrtum!

Die Papaya ist alles andere als wehrlos. Bei der Ernte sind besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich, weil der austretende Milchsaft als giftig gilt. Außerdem sind die Pollen ein gefürchtetes Allergen. In größerer Menge genossen - als Papaya-Diät beispielsweise - schädigt sie die Schilddrüse. Giftige Pflanzenteile werden in der Volksmedizin zur Bekämpfung von Parasiten wie dem Erreger des gefürchteten Denguefiebers verwendet. Die Blätter enthalten beispielsweise Nikotin.

Wenn sogenannte Naturgesellschaften solche Pflanzen medizinisch nutzen, zeigt das nicht, dass sie "im Einklang mit der Natur" leben. Im Gegenteil, sie wehren sich mit ziemlich rabiaten Mitteln gegen die Gefahren dieser Natur, um darin überleben zu können. Unsere Zivilisation hat diese Risiken minimiert, erst die Distanz zur Natur schuf die Grundlage für unseren Wohlstand und eine hohe Lebenserwartung. Mahlzeit!


Literatur:
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