Panorama einer Belagerung

In seinem historischen Roman "Die letzte Stadt von Afrika" geht der englische Schriftsteller Giles Foden weit in die Geschichte zurück und erzählt vom Burenkrieg in Südafrika zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Die kleine Stadt Ladysmith, ein britischer Vorposten im Burengebiet, wird belagert. Foden schildert, wie die Bewohner mit der Situation umgehen oder Möglichkeiten der Flucht ersinnen.
Für seinen Debütroman "Der letzte König von Schottland", das atemberaubende Porträt eines afrikanischen Potentaten, geschildert aus der Sicht seines schottischen Leibarztes, bekam der englische Schriftsteller Giles Foden 1998 mit 31 Jahren den renommierten Whitbread First Novel Award.

Mit seinem zweiten Roman "Sansibar", der vor dem Hintergrund der Bombenanschläge auf die US-Botschaften in Daressalam und Nairobi spielt, gelang ihm eine der bislang besten Darstellungen vom Innenleben einer El-Kaida-Zelle - ein Buch, mit dem sich Foden in die Reihe der großen britischen Romanciers in der Nachfolge eines Graham Greene einreihte.

Nach den mit knappem Personal ausgestatteten und aus dementsprechend eng fokussierter Perspektive erzählten Vorgängern breitet Giles Foden nun mit seinem dritten Roman "Die letzte Stadt in Afrika" ein breites Panorama aus kriegerischer Zeit aus. Natürlich in Afrika, wo Foden, geboren 1967 in Warwickshire, England, aufwuchs und über zwanzig Jahre lang lebte.

Diesmal jedoch geht Foden tief in die Geschichte zurück, auf die Belagerung der Stadt Ladysmith - "Ladysmith" heißt das Buch denn auch im Original - im Jahr 1899/1900, als die beim "großen Treck" ins Innere von Südafrika gezogenen Buren gegen die immer weiter nach Norden vorrückende britische Kolonialmacht aufbegehrten. Die kleine Stadt, unweit der Grenze zum Oranje-Freistaat in Natal gelegen, ist ein strategisch wichtiger Eisenbahnknotenpunkt. Hier hoffen die Buren das weitere Ausbreiten des britischen Einflusses zu stoppen, während die Oligarchen des Empire, allen voran der Hochkommissar der Kapprovinzen, die Bodenschätze jenseits der Draakensberge ausbeuten wollen.

Die Zeitläufte, vor allem aber der ausbrechende Burenkrieg haben eine bunte Schar von Menschen in diesen letzten Vorposten des Empire geschwemmt. Kriegsberichterstatter, Historiker, Soldaten, bettelarme Eingeborene, von beiden Seiten wie Freiwild behandelt, harren in der von den Buren umzingelten und mit den von Kaiser Wilhelm gelieferten Kruppkanonen beschossenen Stadt aus und hoffen auf den Entsatz durch die aus dem Mutterland anreisenden Expeditionskorps. Allen voran Bella, die Tochter des Hoteliers, eines fanatischen irischen Freiheitskämpfers, aber auch Torres, der aus einer afrikanischen Kolonie seines Heimatlandes stammende portugiesische Friseur, der englische Kavallerist Tom Barnes und der Afrikaner Muhle Masekus, der mit seiner Familie ums blanke Überleben ringt.

Anhand ihres Schicksals zeichnet Foden seine Szenen eines kleinen, aber nichtsdestoweniger brutalen Krieges, der weitab von Europa geführt wurde, aber bereits eine Vorahnung vom großen Schlachten vermittelt, das den Kontinent der Kolonialmächte bald darauf erschüttern sollte.

Rezensiert von Georg Schmidt

Giles Foden: Die letzte Stadt von Afrika
Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach
Aufbau-Verlag 2006
378 S., Euro 19,90