Pandemie

Wer uns (nicht) durch die Krise führt

10:20 Minuten
Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, sitzt in der Staatskanzlei bei der Video-Schaltkonferenz zur Entwicklung der Corona-Pandemie vor einem Monitor auf dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Michael Müller (SPD), der Regierende Bürgermeister von Berlin, zu sehen sind.
Verantwortungsnebel: Videokonferenz von Bundeskanzlerin Merkel mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten. © picture alliance / dpa/ dpa-Zentralbild / Jens Büttner
Marc Brost im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 05.03.2021
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Die Anti-Corona-Strategie von Bund und Ländern wird derzeit vielfach kritisiert. Vielleicht komme hier ein von Bundeskanzlerin Merkel geprägtes Politikmodell gerade an sein Ende, sagt der "Zeit"-Journalist Marc Brost.
Der Politik-Chef der Wochenzeitung "Die Zeit", Marc Brost, betrachtet die Anti-Corona-Strategie von Bund und Ländern als gescheitert. Ein Verantwortungsnebel habe sich über die Republik gelegt, kritisiert er. Bund-Länder-Konferenz, Bundesregierung und -minister, Länderkompetenzen: Bei der Bekämpfung der Pandemie gehe es momentan "wild durcheinander".
Bund und Länder müssen derzeit für ihre Beschlüsse auf dem letzten Treffen von allen Seiten viel Kritik einstecken. Sie hatten den Lockdown bis Ende März verlängert, zugleich aber Öffnungsschritte angekündigt oder in Aussicht gestellt.

Niemand kann die deutsche Strategie in drei Sätzen erklären

Das sei in sich widersprüchlich, sagt Brost. Niemand sei derzeit in der Lage, die deutsche Corona-Strategie in drei Sätzen zu erklären. Die Regierung sei zudem hinter die eigenen Ankündigungen zurückgefallen, was Impfstoffbeschaffung, das Impfen selbst und die Schnelltests angehe. Auch die Corona-Warn-App nehme kaum noch jemand ernst.
"Vielleicht kommen wir hier ans Ende eines Politikmodells, das Angela Merkel geprägt hat", sagt Brost. Die Kanzlerin hätte Entscheidungen an sich ziehen, der Bund bei der Bekämpfung der Seuche auf Rechtsverordnungen setzen können. Damit wären bundesweit einheitliche Regeln möglich gewesen.
Doch eine Umgehung der Länder auf diese Weise hätte bedeutet, dass der Bund ins Risiko hätte gehen müssen, sagt Brost. Denn das hätte publizistischen Gegenwind gegeben, "das muss man erklären, das ist superheikel, vielleicht aber notwendig". Vor diesem Schritt sei Merkel zurückgeschreckt.

Europa als Vorbild für die Bund-Länder-Konferenz

Stattdessen habe sie versucht, mit den Ministerpräsidenten jeweils auf den größten gemeinsamen Nenner zu kommen. Das habe auf europäischer Ebene immer erstaunlich gut funktioniert und sei eine Art Brüsseler Muster, so der Journalist.
"Das hat in Brüssel aber vor allem deswegen funktioniert, weil danach jeder Regierungschef in sein Land fahren und sagen konnte: Ich habe gewonnen", sagt Brost. In unterschiedlichen nationalen Öffentlichkeiten gehe das. In einem einzigen Land aber eben nicht: Dass Hessen nach Bund-Länder-Konferenzen etwas anderes sage als Berlin oder Baden-Württemberg, falle auf.
(ahe)
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