"Pan Tadeusz"-Ausstellung in Breslau

Ein Museum für Polens Nationalepos

Der Museumsdirektor Marcin Hamkalo steht im Pan Tadeusz-Museum in Breslau vor einem Graffiti des Publizisten und Bürgerrechtlers Tadeusz Mazowiecki. Das Graffiti ist Teil der Pan-Tadeusz-Ausstellung.
Der Museumsdirektor Marcin Hamkalo steht im Pan Tadeusz-Museum in Breslau vor einem Graffiti des Publizisten und Bürgerrechtlers Tadeusz Mazowiecki. Das Graffiti ist Teil der Pan-Tadeusz-Ausstellung. © dpa/ picture-alliance/ Eva-Maria Krafczyk
Von Martin Sander · 17.06.2016
In Breslau hat das wohl bedeutendste Werk der polnischen Literatur ein eigenes Museum. Zeilen von "Pan Tadeusz" kennt bis heute jeder Pole auswendig. Die Macher des Museums zeigen die Zeit seiner Entstehung genauso wie seinen Einfluss. Ein gelungenes Konzept.
"Pan Tadeusz", auf Deutsch: "Herr Thaddäus", dieses Werk des polnischen Nationaldichters Adam Mickiewicz lässt sich von seiner Bedeutung für Polen mit Goethes Faust für die Deutschen vergleichen. Mickiewicz veröffentlichte seinen "Pan Tadeusz" 1834 in einem Augenblick, als das polnische Großreich von der europäischen Landkarte verschwunden war, als die nationalen Eliten gegen die neue Fremdherrschaft von Preußen, Österreich und Russland rebellierten, vor allem gegen Russland. Mickiewicz ging in Paris in Druck. Der Literaturwissenschaftler und Kunsthistoriker Marcin Hamkało leitet das "Pan-Tadeusz-Museum" in Breslau:
"Im Sinne der Ideen oder auch der Kunstfertigkeit ist "Pan Tadeusz" vielleicht nicht das bedeutendste Werk von Adam Mickiewicz. Es hat nicht die politischen Erwartungen der polnischen Romantiker an Mickiewicz erfüllt, der mit der Literatur die Nation in den Kampf führen sollte. Die Kritiker bemängelten, er habe sich mit "Pan Tadeusz" in der Erinnerung an eine kleinadlige Dorfwelt verloren, die schon damals dem Untergang geweiht war. Aber: Das ist das wichtigste Werk der polnischen Literatur, wenn man es an seiner gesellschaftlichen Wirkung misst, in dem Sinne, wie Literatur Menschen verändert - und zwar über viele Generationen."

Zeilen aus "Pan Tadeusz" als Stichworte für Auflehnung

Zeilen von Mickiewiczs Nationalepos kennt bis heute jeder Pole auswendig. Sie gelten als Stichworte für die nationale Auflehnung gegen Fremdherrschaft. Die Originalhandschrift des "Pan Tadeusz" bildet das Herz des weitläufigen Museums am Breslauer Ringplatz. In einigen Räumen dominieren Bilder und Erinnerungsstücke, in anderen die multimediale Ausstattung:
"Wir erzählen unterschiedliche Varianten der "Pan Tadeusz”-Interpretation. Wir beginnen mit der Historie. Wir zeigen dann die Kultur der romantischen Epoche, Malerei, Musik, den romantischen Salon, in dem dann alles wie in einem Schmelztiegel zusammenkommt. Wir präsentieren die Biographie von Adam Mickiewicz. In diesem Saal hier sind wir bei seinen literarischen Vorbildern und Motiven, die er bei Goethe, Byron oder auch Homer entliehen hat."
Doch das "Pan-Tadeusz-Museum" ist kein reines Literaturmuseum. Das Werk von Adam Mickiewicz dient vielmehr als Ausgangspunkt einer ideengeschichtlichen Schau zum Thema Freiheit, vor allem im Kontext der polnischen Nationalgeschichte.
"Wenn wir jetzt mal auf die andere Seite gehen, dann sehen wir was aus all diesen romantischen Freiheitsideen geworden ist. Was die Wechselbeziehung von polnischer Kultur und polnischer Geschichte, diese Beziehung zwischen polnischen Künstlern und polnischer Nation gebracht hat. Wir kommen ins 20. Jahrhundert und sehen, wie der Film die Rolle der Literatur übernommen hat. Und dann zeigen wir anhand der Biographie von zwei Persönlichkeiten, wie der romantische Freiheitsmythos ihr politisches, gesellschaftliches Engagement geprägt hat."

Gewagtes Konzept, aber gelungen

Der Besucher sieht zwei Arbeitszimmer aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert - ausgestattet mit Schreibtisch, Telefon und jeder Menge Archivmaterial. Das eine gehört Jan Nowak Jeziorański. Jeziorański war im Zweiten Weltkrieg Kurier der polnischen Untergrundbewegung, die gegen die deutsche Besatzung kämpfte. Nach dem Krieg wurde er Leiter des antikommunistischen Senders Radio Free Europe mit Sitz in München, das viele Polen unter kommunistischer Herrschaft heimlich hörten. Das andere Zimmer bildet den Arbeitsraum des kürzlich verstorbenen polnischen Außenminister und Deutschlandfreunds Władysław Baroszewski nach. Bartoszewski war Auschwitz-Häftling, Retter vieler Juden, Häftling eines kommunistischen Gefängnisses, später katholischer Publizist und prominentes Mitglied der "Solidarność".
Ein gewagtes Konzept, aber gelungen: Die Geschichte der polnischen Freiheitsbewegungen, inspiriert von der Nationalromantik des Dichters Adam Mickiewicz, mündet in die aktuellen gesellschaftlichen Debatten:
"Wir wollen über diese Dinge der historischen Wahrheit folgend erzählen und die Menschen ins Gespräch ziehen, ohne irgendeine Anschauung auszuschließen. Das ist eine sehr schwierige Aufgabe, denn die Emotionen lodern derzeit auf allen Seiten."
Was Freiheit bedeutet und ob sie in Polen überhaupt erlangt wurde, ist auch ein im Lande gerade wieder einmal heftig debattiertes Thema - trotz demokratischer Wahlen und EU-Mitgliedschaft.